See you up in the sky

WOLL hebt in Elpe ab

Dass man im Sauerland einer Menge verschiedener Sportarten nachgehen kann, ist bekannt, allen voran sämtliche Wintersportarten. Im Winter sieht man beinahe mehr gelbe Nummernschilder auf unseren Straßen als solche mit der Aufschrift HSK, die genau wegen des Wintersports ins Sauerland kommen. Abgesehen vom Wintersport gibt es jedoch noch einiges andere zu erleben: vom Downhill-Mountainbiking im Wald bis hin zum Rudern auf dem Hennesee. Aber auch für die Adrenalinjunkies, die hoch hinaus wollen, hat das Sauerland mit seinen 1000 Bergen etwas ganz Besonderes zu bieten: Paragliding.
Wenn man mit offenen Augen durch das Sauerland fährt, kann man die bunten Schirme an der ein oder anderen Stelle durch die Lüfte gleiten sehen. Und es sind nicht nur Profis, die zum Gleitschirmfliegen ins Sauerland kommen, sondern auch die, die sich zuvor noch nie in die Lüfte gewagt haben. Denn genau für diese gibt es die Gleitschirm-Flugschule in Elpe. Papillon, mit Hauptsitz auf der Rhöner Wasserkuppe, ist die größte Gleitschirm-Flugschule Europas und bildet im Jahr etwa 800 bis 900 Flugschüler aus, die am Ende die Privatflieger-Lizenz erhalten.
Die kleine Flugschule liegt idyllisch in einer Senke am Rande von Elpe. Das Fluggelände existiert seit etwa 1986. Elpe ist – gemeinsam mit der Wasserkuppe – die Wiege des Drachenfliegens in Deutschland. Natürlich sah dies früher aber noch ganz anders aus: „Als hier in Elpe die ersten Flüge gemacht wurden, war das noch nicht ganz so schön wie heute. Da wurden nicht nur Schweiß, sondern unter Umständen auch Blut und gebrochene Knochen riskiert“, erzählt Manfred Stiens, einer der Mitarbeiter.
Inzwischen ist es viel sicherer geworden – wenn man einige Dinge beachtet. Und die stehen beim Schnupperkurs in Elpe als Erstes auf der Agenda. Vier Frauen und fünf Männer sitzen gespannt im Schulungsraum, der gleichzeitig auch als Werkstatt fungiert. Alle Kursteilnehmer sind sehr unterschiedlich – sowohl von der Fitness, als auch vom Alter. Aber das ist gar nicht schlimm, denn beim Gleitschirmfliegen geht es um Gefühl und nicht um Kraft. „Der älteste Teilnehmer, den ich bei einem Kurs dabei hatte, war 89 Jahre alt und nicht sonderlich sportlich. Und es hat trotzdem funktioniert“, erklärt Manuel Santin Moreno, der später auch den Praxisunterricht begleiten soll. Das macht Mut – vorerst.
Als Nächstes ist das Kennenlernen der Ausrüstung in der Theorie dran. Was brauche ich? Welche Leinen muss ich wann, wie und wo greifen? Man merkt, dass bei dem ein oder anderen Nervosität aufkommt. Das wird nicht besser, als ein Video gezeigt wird, in dem erklärt wird, wie man sich auf den Start vorbereitet und schließlich dann tatsächlich startet und abhebt.
Ein besonders wichtiger Aspekt für das Fliegen ist natürlich das Wetter. Draußen ist strahlender Sonnenschein an diesem Wochenende. Aber, wie die Wettervorhersage der Wetterstation Kahler Asten zeigt, kein optimales Wetter zum Abheben – vor allem nicht für Anfänger: „Wir haben gerade enorm starken Wind, dazu kommt er noch aus der falschen Richtung“, erklärt Manuel. „In so einer Phase können wir gerade nichts machen. Aber wenn alles glatt geht, dann können wir heute Abend mit den Laufübungen beginnen. Ruht euch aus und macht euch auf einen langen und anstrengenden Tag gefasst.“

Nach einer ausgedehnten Mittagspause übernimmt Britta Müller den nächsten Part. Die Trainerin zeigt, wie man den Schirm richtig hinlegt, damit er startbereit ist, wie die Leinen liegen müssen, wie das Gurtzeug richtig angezogen, der Schirm befestigt und – wenn das alles sortiert ist – die Leinen gehalten werden. Nach ein paar Übungen fühlen sich alle etwas sicherer und es wird Zeit für die Ausrüstungsausgabe. Jeweils zwei Leute, die sich in Größe und Gewicht ähneln, bekommen eine Ausrüstung: Gurtzeug, Schirm, Helm und nicht zu vergessen ein Walkie-Talkie, um individuell von den Trainern unterstützt werden zu können.

Zusammen geht es auf eine Wiese, ein Stück entfernt von der Flugschule. Jetzt wird es ernst. Zumindest ein bisschen. „Erst mal lauft ihr, um ein Gefühl für das System zu bekommen und ihr versteht, was wir mit unseren Anweisungen meinen“, erklärt Manuel. Er und Britta geben Anweisungen, während die anderen Kursteilnehmer gespannt zuschauen. Und dann ist der erste Schirm in der Luft. Es ist leichter als gedacht. Allerdings nicht lange. Bergabwärts laufen, den Schirm dann auch oben zu behalten und ihn erst zu landen, wenn man es möchte, verlangt viel Gefühl. Und schließlich muss man auch alles den Berg wieder hochschleppen. „Bewegungsgeschenke“ nennt Britta das und Manuel erklärt: „Irgendwann fliegt ihr nur noch und lauft nicht mehr so viel. Wenn ihr eine Lizenz macht, dann werdet ihr ab dem 16. Flug den Berg wieder hochgefahren, aber bei den Grundflügen müsst ihr noch zu Fuß hoch.“

Nach Sonnenuntergang werden die Schirme eingepackt und alle sind glücklich, aber auch sehr erschöpft und freuen sich auf ihr Bett. Viel Zeit für Schlaf bleibt allerdings nicht, denn auch das Wetter am Sonntag sieht nur in den frühen Morgenstunden geeignet aus. Und so geht es schon um 5.45 Uhr von Elpe nach Züschen. Der schöne Ausblick über das Sauerland lässt die Müdigkeit vergessen. Der Hang ist heute deutlich steiler. Und dann dauert es auch nicht lange, bis der erste Schirm in der Luft ist. Britta und Manuel feuern die werdenden Piloten an, schneller zu laufen. Es ist gar nicht so leicht, einen steilen Hang in vollem Tempo herunter zu laufen, aber dann stoßen die Füße gegen keinen Widerstand mehr und der Gleitschirm gleitet langsam durch die Luft. Ein unbeschreibliches Gefühl!

Viel zu schnell kommt der Boden wieder näher und die Landung wird vorbereitet. Der erste Flug ist geschafft! Anerkennendes Klatschen von allen Kursteilnehmern und jetzt versucht es einer nach dem anderen. Trotz des anstrengenden Aufstiegs nach dem Flug sieht man in jedem Gesicht ein Strahlen.

Irgendwann wird der Wind zu stark und die Gruppe setzt sich zum Abschluss noch einmal zusammen. „Dieser Sport muss wirklich mit Verstand und Vernunft ausgeführt werden. Wenn man das macht, dann ist es der schönste Sport, den ich kenne. Ich mache das schon so lange und bin immer noch voller Begeisterung“, erzählt Britta. „Dieses Wochenende war von den Wetterbedingungen her wirklich nicht leicht. Aber ich habe richtig tolle Sachen gesehen. Überlegt einmal: Ihr seid als Fußgänger gekommen und geht nun mehr oder minder als Piloten.“ Auch Manuel macht Mut weiterzumachen: „Gestern habe ich die Skepsis in euren Gesichtern gesehen und heute ging es mit großen Schritten vorwärts. Es ist nicht so komplex zu erlernen, wenn man dranbleibt.“ Und vielleicht heißt es ja wirklich bald noch einmal für den ein oder anderen: See you up in the sky!

Text und Fotos: Sonja Nürnberger

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