Sechs Mescheder am Blauen Tisch

🖊️ Britta Melgert  📷 S. Droste
Es ist 16:59 Uhr am Samstag. Wolfgang Dombach steht auf einem freien Platz an der Königsberger Straße. In den Händen hält er eine ungewöhnliche Konstruktion, die sich als Luftdruckhupe Marke Eigenbau herausstellt. Sobald der Sekundenzeiger seiner Armbanduhr die volle Stunde anzeigt, ertönen fünf laute Hup-Töne als Zeichen dafür, dass es nun losgeht. Und da kommen sie auch schon – aus allen Richtungen eilen fünf Nachbarn, bekleidet mit identischen T-Shirts, herbei, um an ihrem wöchentlichen Treffen teilzunehmen. Es ist wieder Zeit für den Stammtisch am Blauen Tisch.
Nun läuft alles ab wie aus dem Effeff. Jeder weiß, was er zu tun hat. Jeder Handgriff sitzt. Es öffnet sich ein Garagentor und lässt vier der Herren ein; ein anderer löst eine Metallplatte zwischen den Pflastersteinen, und eine Fahnenstangenöffnung kommt zum Vorschein. Hierein wird nun ein Pfosten gestellt, der als Bein für eine blaue, runde Tischplatte dienen wird. Einer der Herren kommt mit einem Stammtisch-Wimpel zurück, zwei weitere bringen die kühlen Getränke. Nach zwei, drei Minuten „harter Arbeit“ kann es nun für Klaus, Arnold, Thomas, Hermann, Wolfgang und Addi losgehen. Kronkorken werden von Flaschen gelöst, dann erklingt aus sechs Männerkehlen ein:

Auf den Blauen Tisch,
zisch – zisch – zisch.

„Wir sind da ganz tolerant“

Das erste Bier schmeckt oft am besten, sagt man, und man sieht den Männern an, dass es mundet. Jeder trinkt seine Lieblingsmarke, egal ob Warsteiner, Veltins oder mal ein Wasser. „Wir sind da ganz tolerant“, sagt Addi. „Das gilt auch für eines unserer Lieblings-Themen, dem Fußball. Ist doch egal, ob man Fan vom BVB, von Schalke oder Gladbach ist, Hauptsache nicht von den Bayern, woll?“

Am Blauen Tisch von links: Klaus Gemkow, Arnold Beschorner,
Thomas Bremerich, Hermann Bremerich Wolfgamg Dombach, Addi Grooten


Und dann erzählen sie uns von den Anfängen ihres ungewöhnlichen Stammtisches. 1982 hatten einige der Nachbarn das Bedürfnis, sich nach getaner Gartenarbeit oder Bautätigkeit auf ein Bier zu einem Schwätzchen zu treffen. Irgendwann entstand dann die Idee, einen individuellen Tisch dafür anzufertigen. Der zufällig blaue Rest von nicht verbrauchter Lackfarbe gab dann dem Stammtisch seinen Namen. Für jedes der Mitglieder wird seitdem ein darauf akkurat eingezeichnetes Feld reserviert, welches in weißer Schrift dessen Vornamen und festen Stellplatz zeigt. Ordnung muss sein!

Auf den Blauen Tisch, zisch – zisch – zisch

Von den einstigen Gründungsmitgliedern ist nur Wolfgang geblieben; die anderen sind nachgerückt. „Aber wir haben auch ein Herz für Gäste“, erzählt Thomas. „Das kann ein weiterer Nachbar sein, ein Besucher oder heute halt ihr vom WOLL-Team. Und jeder Gast bringt eigene Geschichten mit.“ Ja, erzählen können die Herren ähnlich gut wie Frauen untereinander. Erinnerungen an Heidi Kabels „Tratsch im Treppenhaus“ werden wach. „Aber das Wichtigste ist uns“, so sind sich alle einig, „die gute Nachbarschaft zu erhalten“.
Ein schöner Grund für ein Bierchen am Samstag-Nachmittag, finden wir. Und für ein weiteres „Auf den Blauen Tisch, zisch – zisch – zisch“. n