Für Selbstwert, Resilienz & Sozialkompetenz
„Warum gibt man Kindern nicht bereits in der Schule wertvolle Impulse und Techniken aus der Persönlichkeitsentwicklung und Psychologie mit auf den Weg, damit sie glücklicher und einfacher durchs Leben gehen können? Warum muss es erst zu einer Depression oder anderen psychischen Erkrankungen kommen, um diese Dinge dann in einer Psychotherapie zu lernen? Man könnte doch stattdessen bereits Kinder präventiv psychisch stärken.“ Dieser Gedanke, den die ganzheitliche Ärztin, angehende Psychotherapeutin und WOLL-Kollegin Dani Roß während ihrer Arbeit im Bereich Psychosomatik hatte, war der Ursprung des Schulprojekts „Heldenkunde“. Es fand im Frühjahr an den Grundschulen in Eslohe, Reiste und Wenholthausen statt. Dani Roß hat das Programm entwickelt und zusammen mit ihrem Team, bestehend aus Melanie Klopf und Sarah Friedhoff, umgesetzt. WOLL hat mit Dani Roß, der Esloher Grundschulrektorin Nicole Waldow-Bierbaum sowie einigen Kindern aus dem dritten und vierten Schuljahr gesprochen.
O-Töne der Kinder:
Martha Gödde: Ich habe gelernt, wie man richtig streitet, ohne sich gegenseitig zu verletzen, indem man dem anderen sagt, was ich sehe, was ich fühle und was ich mir wünsche. Und dass man dadurch von anderen auch gute Argumente kriegen kann. Außerdem hat mir das Waldbaden sehr gut gefallen und die kleinen Karten, auf denen kleine Sätze stehen wie „Fehler sind Helfer“.
Alina Widerspan: Heldenkunde ist gut für Selbstvertrauen und Mut. Mir hat die Morgenrunde mit unserem Begrüßungsritual besonders gefallen – jeder begrüßt jeden einzeln und zwar so, wie es der andere auswählt, zum Beispiel mit High five, Heldenfaust oder einem kleinen Tanz.
Lorenz Adami: Ich finde die Heldengläser sehr gut. Jeder schreibt Komplimente für die Klassenkameraden auf und steckt sie in sein Glas. Wenn es uns schlecht geht, können wir die Zettel lesen, damit es uns wieder besser geht.
Franz Deiters: Wir haben Luftballons gemacht, auf die wir schreiben durften, was wir mögen und was wir gut können – Gedanken, die helfen, dass es uns schnell wieder gut geht, wenn mal etwas schief läuft.
Wilhelm Otte-Wiese: Ich fand das Buch über Stärken und Schwächen gut. Es heißt „Wenn die Ziege schwimmen lernt“. Die Ente kann gut schwimmen dafür aber nicht klettern. Der Affe kann klettern, aber nicht fliegen und auch nicht schwimmen. Jeder kann irgendwas gut und ist in irgendetwas schlecht. Ein anderes Mal haben wir auf Zetteln aufgeschrieben, was wir glauben, wie jemand anderes aus der Klasse sich gerade fühlt, ohne etwas zu sagen, und das nachher besprochen.
Ella Müller: Ich habe von dem Schulprojekt Heldenkunde mitgenommen, dass ich gut so bin, wie ich bin. Ich brauche mir nicht immer so viele Gedanken zu machen. Ich darf Entscheidungen einfach aus dem Bauch heraus treffen, ohne erst vorher jemand anderen fragen zu müssen, was er meint. Mir hat gefallen, dass alle sehr nett miteinander umgegangen sind. Außerdem fand ich die Heldengläser super. Mir hat Heldenkunde sehr viel Spaß gemacht. Ich würde es gerne nochmal machen.
WOLL: Wie hat sich das Projekt Heldenkunde entwickelt? Was sind die Hintergründe?
Dani Roß: In der Psychosomatik gibt es viel Wissen, das Menschen mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen in den Therapien hilft, leichter, glücklicher und selbstbestimmter durchs Leben zu gehen. Ich habe mich gefragt: Warum kann man die Methoden nicht auch präventiv nutzen? Die eigentliche Umsetzung hat angefangen, nachdem mich Freundinnen aus Cobbenrode angesprochen haben, ob ich das Ferienprogramm im Ort mitgestalten möchte. Mein Programmpunkt hieß damals „Entdecke den Helden in Dir“. Die Inhalte des Angebots haben sich herumgesprochen, so dass ich letztlich mit der Schulleiterin Nicole Waldow-Bierbaum in Kontakt gekommen bin. Sie war direkt begeistert. Nach unserem Gespräch habe ich ein Konzept für die Grundschule zusammengestellt, das ich nun mit meinen geschulten Mitarbeiterinnen Melanie Klopf und Sarah Friedhoff in der Praxis anwende.
WOLL: Wie habt Ihr das Projekt in Eslohe, Wenholthausen und Reiste umgesetzt?
Dani Roß: In Wenholthausen und Reiste wurde Heldenkunde in den Vormittagsunterricht integriert. Fünf Wochen lang durften wir je eine Woche 45 Minuten Heldenkunde unterrichten. In Eslohe fand Heldenkunde im Rahmen einer Projektwoche in etwas größerem Umfang statt. So konnten wir zusätzlich das Waldbaden als Thema integrieren. Drei volle Schultage ging hier das Programm insgesamt. Vier Stunden je Tag für die Kinder aus Jahrgang eins und zwei und sechs Stunden für die Kinder des Jahrgangs drei und vier.
WOLL: Was ist für Dich das Wichtigste an Heldenkunde?
Dani Roß: Die Hauptziele des Projektes sind: den Selbstwert und die Selbstwirksamkeit der Kinder zu stärken, ihnen zu helfen, dass sie sich selbst und andere besser verstehen können. Kinder sollen lernen, mit schwierigen Situationen besser umgehen zu können und wieder aus ihnen herauszukommen. Wir wollen Resilienz und Persönlichkeit stärken sowie Sozialkom petenz entwickeln – bei Letzterem geht es zum Beispiel darum, wie gewaltfreie Kommunikation funktioniert. Im Laufe des Projekts haben wir gemerkt, dass die Kinder förmlich danach lechzen, frei über ihre Gefühle und Probleme zu sprechen. Als Basis dafür haben wir vorab mit der Klasse besprochen, dass alles, was an persönlichen Dingen gesagt wird, im Klassenraum bleibt.
WOLL: Kannst Du anhand von Beispielen erläutern, wie der Unterricht abläuft?
Dani Roß: Jede Stunde startet mit einer kleinen Meditation, damit die Kinder lernen, bei sich selbst anzukommen, und die heilsame Wirkung fühlen. Anschließend werden verschiedene Themen spielerisch erarbeitet. Kinder erforschen ihre eigenen Stärken, erkennen, dass Fehler unsere Helfer sind, und packen einen Ressourcenrucksack. Sie füllen Heldengläser mit gegenseitigen Komplimenten und üben, wie man konstruktiv streiten kann und mit Hilfe der Gefühlsmonster die Welt der Gefühle versteht. Waldbaden gehört je nach möglichem Zeitumfang auch ins Projekt. Hier erleben die Kinder die Natur mit allen Sinnen und legen zum Beispiel Mandalas aus Naturmaterialien. Wir lesen gerne Geschichten mit den Kindern, die zum Thema passen, und besprechen die Inhalte. Thematisch passend sind zum Beispiel „Du bist also meine Angst“ von Elisa Eckartsberg und „Wenn die Ziege schwimmen lernt“ von Nele Moost.
WOLL: Frau Waldow-Bierbaum, wie ist denn so ein Projekt finanzierbar?
Nicole Waldow-Bierbaum: Wir finanzieren Heldenkunde aus dem Finanzierungsprogramm des Landes NRW: „Aufholen und Ankommen nach Corona“. Die Gemeinde Eslohe unterstützt unsere Ideen immer hervorragend und hat das Geld für uns beantragt. Die Fördermittel sollen mit dem Ziel eingesetzt werden, Schwierigkeiten aus den Corona-Lockdowns zu beheben. Danis Projekt ist ideal. Es wirkt psychischen Belastungen entgegen, stärkt das soziale Miteinander und das Ich. In diesen Bereichen können wir nach der langen Schulschließung und dem Lernen von Zuhause aus im Schulalltag starke Mängel feststellen. Soziales Miteinander lernen die Kinder nicht auf Distanz.
WOLL: Kann das Projekt Heldenkunde langfristig einen Platz im Schulalltag finden?
Nicole Waldow-Bierbaum: Die große Frage ist immer: Wo kann dieses Thema zeitlich eingebaut werden? Ich könnte mir vorstellen, es im Sach- oder im Religionsunterricht zu verorten. Wobei wir bei Letzterem auch nie alle Schülerinnen und Schüler erreichen. Eine Alternative wären sogenannte Methodentage mit mehr als 45 Minuten Zeit. Zu Beginn des neuen Schuljahres werden wir das Projekt evaluieren und gern schauen, ob und wie Heldenkunde Einzug in die schulinternen Lernpläne halten kann.
WOLL: Dani, gibt es schon Rückmeldungen zu den bereits abgeschlossenen Projekten in Wenholthausen und Reiste?
Dani Roß: Am Ende des Projekts bekommen die Eltern und Kinder einen Evaluierungsbogen. Ich finde es faszinierend, was zu Hause von der Heldenkunde angekommen ist. Viele Eltern schreiben, dass die Kinder selbstsicherer geworden sind, jetzt über Gefühle sprechen, dass die Hilfsbereitschaft gestiegen ist und dass die Kleinen im Umgang miteinander aufmerksamer sind. Ich würde mich freuen, wenn wir das Projekt zukünftig an weiteren Schulen durchführen dürfen.
Mehr Informationen über das Projekt „Heldenkunde“ gibt es auf Instagram #heldenkunde