Schützen, entlasten, stützen

Quelle: Susanne Soemer

Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger im Kreis Olpe

Die meiste Zeit fließen unsere Leben ja eher gemächlich vor sich hin. Es gibt zwar einige Höhe- und leider auch Tiefpunkte, doch die Ausschlagspitzen nach „oben“ und „unten“ sind meistens eher flach. Das ist beruhigend. Doch plötzlich: Ein Unfall, eine häusliche Eskalation, ein Suizid, ein körperlicher Übergriff, die Nachricht eines plötzlichen Todesfalls im engsten Familienkreis. Bei Ereignissen wie diesen gibt es im zuvor scheinbar so normalen Leben ein klares „Davor“ und „Danach“. Wo bleiben eigentlich die unmittelbar Betroffenen, während der Rettungsdienst, Polizisten, Bestatter oder Feuerwehrleute ihre funktional klar umrissenen Aufgaben erledigen und dann abrücken, weil keine Maßnahmen mehr helfen oder wenn die Polizei eine Todesnachricht an die Familie überbracht hat, um sich dann auch nach kurzer Zeit wieder zu verabschieden.

Vor fünf Jahren initiierten die katholische und die evangelische Kirche im Dekanat Südsauerland das ökumenische Projekt „Notfallseelsorge im Kreis Olpe“, unter anderem als Antwort darauf, dass mit den sich verändernden kirchlichen Strukturen weniger Priester zur Verfügung standen. Das Projekt wird durch mittlerweile rund 32 ehrenamtliche Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger gefüllt. In drei sehr intensiven Ausbildungskursen wurden sie für ihre Einsätze geschult und ausgebildet. Menschen jeden Alters und aus vielen verschiedenen Berufsgruppen gehören der Notfallseelsorge im Kreis Olpe an. „Wir arbeiten nach einem organisierten Dienstplan. In der gesamten Zeit ist es noch nicht einmal vorgekommen, dass wir einen Fall, in dem wir angefordert wurden, nicht bedienen konnten“, zeigt Vicky sich erleichtert. „Das Kreisgebiet ist in die Bereiche Bigge und Lenne aufgeteilt, damit wir schnell vor Ort sein können.“ Vicky und Susanne sind zwei der aktuellen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger, die sich im gesamten Kreisgebiet Olpe sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, bereit halten, um nach Anforderung durch die Leitstelle des Notrufes 112 dahin zu gehen, wo unvorhergesehene Notfälle plötzliche Wunden ins Gewebe des Lebens reißen. Wo erst einmal pure Fassungslosigkeit und Lähmung herrschen, weil Kopf und Körper nicht zur Wucht des Geschehens aufschließen können. Altersstruktur und Lebenserfahrungen der Agierenden sind sehr unterschiedlich, „aber irgendwie scheint oft jeder den Fall zu bekommen, den Gott ihm gerade zutraut“, glaubt Susanne. Begleitet werden sie durch ein vierköpfiges Leitungsteam, bestehend aus Pastor Ludger Wollweber (Vertretung der katholischen Kirche) Pastor Frank Rüther (Pfarrer Notfallseelsorger der ev. Landeskirche), Regina Bongers aus Wenden und Susanne Soemer aus Lennestadt. „Wir haben ein starkes Netzwerk, sprechen viel miteinander, und jeder Einsatz wird im Team noch einmal angesprochen und verarbeitet. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass wir alle an die Schweigepflicht gebunden sind und das auch sehr ernst nehmen. Dazu kommen noch monatliche Treffen und Fortbildungen“, erklärt Susanne.

Geht der Anruf der Leitstelle bei ihnen ein, schnappen sie sich einen stets dienstbereiten Rucksack und fahren zum angegebenen Einsatzort. Nie wissen sie genau, was sie erwartet, und jeder Einsatz gestaltet sich anders. „Wir treffen auf totale Ausnahmesituationen. Wenn wir kommen, dann ist das Unglück ja gerade erst passiert. Da ist die Frau, die ganz alleine ist, oder die Familie, in der das absolute Chaos ausbricht, nachdem sie eine Todesnachricht von der Polizei bekommen haben. Egal, was und wie etwas passiert ist, geht es dann darum, unabhängig von Konfession und Religion, die Betroffenen zu schützen, ihnen beizustehen und sie zu entlasten, bis der nächste Schritt getan werden kann.“ So Vicky und Susanne. „Wir sind erst einmal da. Irgendwann kommt es darauf an, Menschen und Prozesse wieder in Bewegung zu bringen. Wir bleiben so lange, bis eine neue Perspektive entstanden ist.“

Quelle: Susanne Soemer


Regelmäßig begleiten die Notfallseelsorger zur Prävention den „CRASH-Kurs NRW“, einem Angebot des Landes NRW zur Verkehrserziehung. Dort werden den jugendlichen Schülern durch Erzählungen von Polizei, Feuerwehr, Notfallseelsorgern und betroffenen Angehörigen vermittelt, wie schnell es gerade auf den Straßen zu tödlichen Unfällen kommen kann und was so ein tödlicher Unfall mit den Hinterbliebenen aber auch mit den Einsatzkräften macht. Es werden Bilder von Unfällen gezeigt, die mit Musik untermalt sind, dabei kommt es öfter vor, dass Jugendliche den Raum verlassen und tief betroffen sind. In diesem Fall bieten die Notfallseelsorger vor Ort Gespräche und Begleitung für den Moment an.

Nicht so bekannt ist, dass die Notfallseelsorge bei akuter Notlage im Todesfall auch über die Leitstelle mit der Nummer 112 angefordert werden kann.

Die Notfallseelsorge im Kreis Olpe finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Damit werden notwendige Fortbildungen finanziert und Ausrüstung wie Dienstkleidung, Rucksäcke und Autoschilder angeschafft.