„Schlau sind sie alle wie die Dohlen“

Quelle: Georg Giannakis

Dietmar Lange, Ortsvorsteher von Warstein 

Wer sich mit Heimatgeschichte beschäftigt, erfährt so manch „Unterhaltsames, Spannendes und Anekdotisches“ aus der Geschichte Warsteins. Das verspricht der Ortsvorsteher der Stadt Warstein, Dietmar Lange. Und wer nicht schon vorher vergnügt war, ist das spätestens nach einem seiner unterhaltsamen Vorträge oder nach einem anregenden Gespräch mit ihm.  

„Geschichte“ dürfte für die meisten Bürger Assoziationen zu mühsamem Zahlenauswendiglernen, verstaubten Ereignissen und komplizierten Zusammenhängen hervorrufen. Das musste in der Schule einfach ausgestanden werden, und damit hat es sich. Historiker, wie die Geschichtskundigen heißen, haben es schwer, in der Laienmenge Interesse hervorzurufen, von einigen spektakulären historischen Funden oder neuen Erkenntnissen einmal abgesehen. Genau da setzt Dietmar Lange ein: „Menschen sind in ihrer Heimat immer direkt von der Geschichte, ihrer Geschichte betroffen. Sie können sich dem nicht entziehen, und wer sich darauf einlässt, gewinnt Einblicke in seine Identität, Verständnis für seine Regional- und Lokalgeschichte, für seine Heimat und manchmal sogar amüsantes Detailwissen.“ 

Der Sauerländer aus unterschiedlicher Sicht 

„Nehmen wir einmal zwei Beschreibungen des Sauerländers aus dem 19. Jh. und vergleichen sie: 

In den „Westfälischen Skizzen“ in der Zeitschrift „Deutsches Museum“ von R. Prutz heißt es 1854 „Man mag nun vom Paderborn´schen, Waldeckschen oder Hessischen ins Sauerland kommen, gleich bemerkt man einen gefälligen Menschen. Der Sauerländer, auch der ärmere, besitzt der Regel nach einen Anstrich von Bildung, weiß sich zu benehmen und hat eine immer flügge Rede. Schlau sind sie alle wie die Dohlen, praktische Köpfe…“  

Aus einer nur einige Jahrzehnte früher entstandenen Beschreibung heißt es hingegen in der Sicht auf das Herzogtum Westfalen aus der Sicht eines Preußen 1797: „Städte und Dörfer sind durchaus schlecht gebaut. Die Einwohner sind im Ganzen armselig und liederlich (leichtlebig). Die Religion ist durchaus katholisch. Aufklärung und Geisteskultur gehören hier nicht zuhause.(…) Auffallend bei der herrschenden Armut und Dummheit ist der Hang des Volkes zu Vergnügungen und Lustbarkeiten. An den Sonn- und Festtagen wimmelt es in den Wirts- und Bierhäusern von Betrunkenen und Schwärmern.“ 

Das sollen ein und dieselben Menschen sein? Wie passt der katholische, in Maßen gebildete, anständige und gefällige Mensch zu dem armseligen, leichtlebigen Schwärmer? Andere Sichtweisen, andere Vorlieben? 

„Kleine Bonbons“ bei der Recherche 

„Geschichte konstituiert sich nicht ausschließlich aus den großen Ereignissen, sondern findet überall da statt, wo Menschen zusammen sind und ihren Alltag Revue passieren lassen. Nicht selten entstehen und entstanden dabei Lieder oder Gedichte über die engere und weitere Heimat, so beispielsweise, wie Lange berichtet, von „Herrlichen Städten im Wästertal“ (Warstein) oder von Hirschberg, das mit den Worten „die Perle wirst genannt“ besungen wird. Besonders originell erscheint dabei wohl gar ein Gedicht über Suttrop, in dem es heißt: „Auch Schätze birgt die Heimat mein, es ist der rote Eisenstein, wie auch Kristalle selt´ner Art, birgt unser Boden rauh und hart. (…) So hört mich jetzt und schaut mich an, bei uns gefällt es jedermann. Gibt´s in der Welt auch Saus und Braus, ich gehe nie aus Suttrop raus.“  

Volkstümliche Zeugnisse einer stimmigen Alltagskultur, die die Menschen in ihrer heimatlichen Hingezogenheit schildert und ernst nimmt. Und das sind manchmal für den Historiker die „kleinen Bonbons“ bei der historischen Recherche. Auch wenn oft nach Niederschriften, Protokollen und Statistiken gefragt wird, manchmal blitzen diese kleinen amüsanten Kostproben von einst durch, die zum Schmunzeln und Amüsieren aufrufen.  

Geschichte – ein zeitintensives, sehr bereicherndes Hobby 

„Da bleibt eigentlich nicht mehr viel Zeit für weitere Hobbys, obwohl man meine Reiseleidenschaft vielleicht noch anführen müsste“, so Dietmar Lange. „Pilger- und Studienfahrten leite ich gern europaweit und manchmal auch zwei Mal pro Jahr. Das Interesse steigt wieder an: 2019 waren wir mit 114 Warsteiner Pilgern in Rom, ein unvergessliches Erlebnis, das Geschichts- und Kunstinteresse mit geistlichen Akzenten vereint und in einer fröhlichen Gemeinschaft gelebt wurde.“  

Quelle: Georg Giannakis

Die „Königin der Instrumente“ lässt ihn nicht los 

„Ob man mein Orgelspiel als Hobby bezeichnen kann, mag ich nicht beurteilen: Ich spiele schon mein Leben lang, habe es mir selber beigebracht, wobei ich immer in der Alten Kirche in Warstein üben durfte. Zu unserer Hochzeit 1988 bekam ich „Eine Stunde Orgelspiel im Dom von Passau“ geschenkt. Dort habe ich mich sogar ganz mutig in das Gästebuch der großen Orgelspieler eingetragen. Im Petersdom durfte ich die Orgel spielen und am 03.10.1990 habe ich tatsächlich in Wurzen (Partnerstadt in Sachsen) an der Orgel gesessen. Die Königin der Instrumente lässt mich nicht los, und das ist gut so.“ 

Zum Abschluss formuliert Dietmar Lange für alle Mitbürger, besonders natürlich für seine Warsteiner: „Pflegt unsere Lokalgeschichte, nehmt sie wahr als unsere Identität, die uns geprägt hat und stets bereichert. 

Helmut Kohl vertrat einst die Meinung: ‚Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten‘. Das gilt doch besonders auch für die Regional- und Heimatgeschichte.