
Martin Nowag begeistert Kinder mit Schießbude, Karussell und Süßigkeiten
Kirmes, Sauerländer Schützenfeste und Weihnachtsmärkte: Unser Vergnügen ist Martin Nowags Geschäft. Der 67-jährige Wittener sorgt mit seiner Familie auf vielen Festplätzen im Sauerland und Umgebung für Süßes, Spielzeug, Karussellfahrten sowie Schieß- und Wurfangebote. WOLL hat mit ihm auf dem Schützenfest in Serkenrode gesprochen.
WOLL: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Schausteller zu werden?
Martin Nowag: Ich wurde in die Branche hineingeboren. Schon mein Opa war Schausteller in Schlesien. Er besaß damals bereits ein Kettenkarussell, Ballwurf- und Schießbude. Nach dem Krieg hat mein Vater als Vertriebener in Deutschland weitergemacht. Ob Schützenfest in Bracht, Ennest, Biekhofen, Dünschede, Listerscheid oder Balve – wir hatten immer gut zu tun.
WOLL: Wie lange sind Sie schon Schausteller auf dem Schützenfest in Serkenrode? Was ist das Besondere hier und wo können wir Sie noch antreffen?
Martin Nowag: In Serkenrode sind wir seit den 60er Jahren jedes Jahr. Ich fühle mich hier beinahe heimisch. Ich kann mich noch an alte Zeiten erinnern, mit Musik der Beatles und den Rolling Stones beim Autoscooter. Die Zusammenarbeit mit dem Schützenverein ist sehr gut. Außerdem bin ich derzeit auf mehreren Schützenfesten im Balver und Mendener Raum unterwegs sowie in Lennestadt und Holthausen/Huxel.
WOLL: Die Schützenfestsaison geht etwa von Mai bis September. Was machen Sie in den kälteren Monaten?
Martin Nowag: Unser letztes Schützenfest ist Mitte August. Dann folgen die Dorfkirmes in Niederfischbach, unser Heimspiel, die Zwiebelkirmes in Witten, und die Kirmes in Hattingen und Castrop-Rauxel. Im Oktober ist immer etwas Leerlauf. Im November schmücken wir dann die Wagen für die Weihnachtsmärkte. Wir brauchen eine ganze Woche dafür. Bis zum 23. Dezember besuchen wir die Märkte. Im Januar und Februar machen wir eine längere Pause, die dann auch sein darf. Mitte März starten wir mit der Kirmes in Witten-Annen, am Bochumer Stadion, in der Castroper Straße und bei der Frühjahrskirmes in Castrop-Rauxel.
WOLL: Was ist das Besondere an den Sauerländer Schützenfesten?
Martin Nowag: Schützenfeste sind wie Urlaub. Als ich noch jünger war, waren wir mit zwei Familien unterwegs. Da haben wir als Kinder und Jugendliche viel Blödsinn gemacht. In Biekhofen haben wir mal die Musiker mit Wasserpistolen nassgespritzt. Die haben Bier zurückgeschüttet. Es war immer lustig. Als junger Erwachsener war ich in einem kleinen Motorradclub in Witten. Meine Kumpels sind oft zu den Festen gekommen und haben nachts beim Abbauen geholfen. Da sind sogar Beziehungen mit Sauerländerinnen entstanden.
WOLL: Wie lief diese Art zu leben in der Schulzeit ab? Von der Schulpflicht sind ja auch reisende Schaustellerkinder nicht ausgenommen.
Martin Nowag: Mein Vater hat in dieser Zeit immer versucht, uns bei Verwandten unterzubringen. Meistens hat es geklappt. Dann haben wir bei Onkel oder Tante gewohnt und mussten nicht so oft die Schule wechseln. In einem Jahr hat sich aber niemand gefunden, sodass ich mitgereist bin und an 32 verschiedenen Schulen war. Es gab ein Schulbuch, in dem die Lehrer eingetragen haben, dass wir da waren und was wir gemacht haben. Eine sehr beliebte Aufgabe war: Schreibt einen Aufsatz über das Schützenfest. Den hatte ich immer schon vorher fertig. Aber in diesem einen Jahr wäre ich fast sitzengeblieben.
WOLL: Wie ist die finanzielle Lage als Schausteller heutzutage? Was ist Ihre Motivation?
Martin Nowag: Es funktioniert nur als Familienbetrieb. Die Schützenvereine kommen uns bei den kleineren Veranstaltungen immer entgegen. Sie brauchen uns für die Unterhaltung, vor allem für die Kinder und Jugendlichen. Autoscooter lohnen sich auf den Schützenfesten oft nicht mehr. Das war früher anders. Vielleicht ändert es sich das ja nochmal, je nach Nachwuchs und Freude am Schützenfest. Generell ist Schausteller sein viel Idealismus. Es macht Spaß, aber man muss dort hineingeboren sein.
WOLL: Welche größeren Ausgaben und Verpflichtungen hat man als Schausteller? Können Sie Karussells selbst warten und reparieren?
Martin Nowag: Kleine Reparaturen können wir selbst erledigen, ansonsten gibt es extra Werkstätten für Karussells, zum Beispiel in Castrop-Rauxel. Die bauen sogar noch Kinderkarussells. Unser Fliegerkarussell wurde 1980 in Frankreich gebaut. Es ist ein echter Oldtimer und hat damals 120.000 DM gekostet. Es muss alle zwei Jahre zum TÜV und zusätzlich werden alle fünf Jahre die Luftkessel geprüft. Außerdem kommen die Abnahmen unserer Fahrzeuge für den Straßenverkehr hinzu. Das sind die Ausgaben, die man neben dem normalen Einkauf hat.
WOLL: Wie haben Sie denn die Coronazeit verbracht, so ganz ohne Feste?
Martin Nowag: Die Coronajahre waren schwer. Wir hatten zwar finanzielle Unterstützung vom Staat, mit der wir auskommen konnten, aber es saß uns immer die Frage im Nacken: Wann geht es weiter? Das ging an die Nerven. Ich habe in der Zeit zu viele gebrannte Mandeln gegessen und mir Diabetes eingehandelt. Als Übergangslösung hatten wir während der Epidemie einen Süßigkeitenstand im Naherholungsgebiet in Witten am Hohenstein. Dort ist ein Streichelzoo, der Familien anzieht. Mein Bruder steht dort als Rentner heute noch mit einem Stand. Er reist nicht mehr. Sein Sohn hingegen fährt mit seinen Fahrgeschäften und Buden durch ganz Deutschland.
WOLL: Und wie geht es mit Ihrem Familiengeschäft in Zukunft weiter?
Martin Nowag: Mein 40-jähriger Sohn macht, so hoffe ich, weiter. Seine Tochter bekommt aber leider bisher nur an den Wochenenden ein wenig vom Schaustellerleben mit.
WOLL: Vielen Dank für die Einblicke in das Schaustellerleben!