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Musik zwischen Kirche und Schützenhalle
Michael Beckmann, der am 20. Juli 1961 in Heggen geboren ist, trägt das Sauerland im Herzen. Seine ersten Takte lernte er im Pfarrheim bei Onkel Willi. Aus dieser Dorfkulisse wuchs ein Musiker, der später mit den Rainbirds eine erfolgreiche deutsche Rock-Popband gründete, Filmmusik für namhafte Regisseure schrieb und dennoch immer wieder heimkehrt.
Wenn Michael Beckmann nach Heggen zurückkehrt, hört er zuerst die Glocken. „Ich fahre immer erstmal eine Runde durchs Dorf“, sagt er, und man sieht ihn förmlich die Kurve über die Vogelstange nehmen, die alten Bäckereien passieren und nachspüren, was vom Dorf von früher noch da ist. Mit diesem Ritual öffnet sich das Tor zu einer Jugend, in der Kirche und Schützenfest den Takt vorgaben.
Wo alles anfing
Die Geräusche seiner Jugend waren kein Stadtrauschen, sondern Blasmusik und Prozessionen, Karneval in der Halle, Schwätzchen auf der Straße und das Nebeneinander von Kirche und Schützenfest. Die ersten musikalischen Schritte fanden nämlich nicht in Clubs, sondern im Pfarrheim statt. Sein Onkel Willi, bekannt als „Orgel-Willi“ war Kirchenorganist, Chorleiter und Musiklehrer und hatte ein Zimmer, in dem der junge Michael stundenlang „klimpern“ durfte. So spielte er Klavier, bevor er je einen Bass in der Hand hatte und aus diesen Nachmittagen entstand etwas, was ihn später zum Bass und auf die großen Bühnen bringen sollte. Noch heute versucht er diese entspannte Stimmung für seine Kompositionen zu nutzen.
Dorfkultur als Lehrmeister
Doch das Sauerland lehrte ihn nicht nur Melodien, sondern auch eine Haltung: Fleiß, Bodenständigkeit, Familiensinn und Zusammenhalt. In einem Dorf, in dem man sich „auf der Straße zurief und sein Schwätzchen hielt“, lernt ein Musiker schnell, wie man mit Menschen umgeht. Er bildete in der Band ein Bindeglied nach außen und redete mit jedem, da er im Sauerland bereits gelernt hatte, dass man sich mit anderen arrangieren muss – sowohl im Dorf als auch in den großen Städten dieser Welt. Auch brachte er eine gewisse Fitness mit, die er als Sauerländer Musiker durch Wanderschaften mit seinem schweren Basskoffer erlangt hatte. Eine besondere Eigenschaft, die er den Sauerländern außerdem zuschreibt ist die Trinkfreudigkeit sowie das Feiern-Können – denn das kann tatsächlich nicht jeder.
Michael Beckmann beschreibt die Wirkung dieser Werte klar – der tägliche Einsatz, Bereitschaft, am Wochenende noch auf dem Bau zu helfen, das Prinzip „nicht auf der Tasche zu liegen“, all das verknüpft sich mit seiner musikalischen Disziplin. „Ich habe jeden Tag fünf, sechs Stunden Bass geübt“, erinnert er sich, eine Erinnerung, die zeigt, wie sehr Herkunft und Handwerk bei ihm zusammen spielen.
Vom Sauerland nach West-Berlin: Der große Sprung
Nach Stationen in Düsseldorf und Jahren mit Musik verschlug es ihn nach West-Berlin, wo er dann 1986 mit Katharina Franck und Wolfgang Blum die Rainbirds gründete. Der Durchbruch mit der Band kam schnell und so hatten sie 1987 bereits einen Plattenvertrag. Berlin war damals ein „Riesendorf“, in dem Netzwerke und Talentscouts Musik auf die Landkarte hoben. Drei außergewöhnliche Menschen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und sich durch ihre Unterschiedlichkeiten ergänzten. Michael Beckmann brachte so seine ungestüme und energetische Sauerländer Art mit in die Band.
Das Musikerleben lernte Beckmann aber auch auf zwei unterschiedliche Weisen kennen. Zunächst als Band-Musiker im Gespräch mit Publikum und Bandkollegen und später dann als Filmkomponist. Ein eher einsamer Beruf, der „kreative Dienstleistung“ verlangt. Während die Bühne sofortige Resonanz bringt, sitzt der Komponist oft monatelang allein am Bildschirm, schneidet nach, passt an und erlebt, wie aus einem fertigen Film eine Sekunde entfernt werden kann, die die Musik wieder neu fordert. Genau diese Kontraste haben seine Arbeit reicher gemacht. Zur Filmmusik kam er, als er Vater geworden ist und nicht immer nur unterwegs sein wollte. Zufällig bekam er seinen ersten Filmjob, lernte wie Filmmusik funktioniert und lernte diese immer mehr zu schätzen. So schrieb er unter anderem Musik für die „Fack ju Göhte“-Filme, für „Macho Man“ und für die ARD-Fernsehreihe „Meine Mutter…“. Letztere sorgte vor allem in seiner Heimat Heggen, bei seiner Mutter und weiteren Verwandten, für Freude.
Was noch kommt
Trotz aller Wege, die er gegangen ist, bleibt das Sauerland seine Richtschnur. Jetzt, Jahrzehnte später, plant Beckmann für das anstehende Rainbirds-Jubiläum Heimspiele in Attendorn und vielleicht auch in Heggen, um die Verbindung zur Heimat wieder sichtbar zu machen. Die Band möchte nochmal ihre Geschichte erzählen, alte Platten neu herausbringen und ihre Musik für alle erlebbar machen. Die Erinnerungen sollen die Liebe zur Musik und neue und alte Zuhörer zusammenbringen. Parallel entstehen weitere Projekte, die mehr als Nostalgie sind: ein Podcast über seine Zeit in West-Berlin in den 80ern, ein Konzept für ein Altersheim für Musiker, ein Buch über das eigene verrückte Leben und eine ausführliche Interrail-Fahrt.
Am Ende klingt die Bilanz schlicht und ehrlich: Das Sauerland sitzt im Herzen – nicht als Postkarte, sondern als Kompassnadel. Kirche und Schützenhalle lieferten die Takte, Pfarrheim und Kneipe die Übungsräume und wer Michael Beckmann heute in Heggen begegnet, kann erfahren, wie sehr eine Region eine ganze Künstlerkarriere prägen kann. Und vielleicht ist er irgendwann nicht mehr der Einzige, der auf Autofahrten den „Sauerland-Song“ mitsummt.


