Sauerländer Tango

Neuer Kopf für HSK Sinfonieorchester und Musikschule

Text: Hermann-J. Hoffe – Fotos: Klaus-Peter Kappest

Mit dem Wort „Tango“ bringen die meisten von uns sofort eine lateinamerikanische Musikrichtung in Verbindung. Und der ein oder andere nicht sonderlich tanzbegeisterte Sauerländer wird gleichzeitig an eher peinliche Situationen in der Tanzschule oder etwas steife und holprige Tanzschritte beim letzten Schützenfest erinnert. Einer, der mit dem Tango aufgewachsen ist und sich in allen Facetten dieser eigenwilligen und von vielen Kulturen geprägten Musik und dem extravaganten Tanz auskennt, lebt seit etwas mehr als einem Jahr bei uns. Marcos Kopf, 40 Jahre jung und Argentinier mit deutschen Wurzeln, ist Nachfolger von Georg Scheuerlein auf dem Posten des Leiters des HSK Sinfonie- und des Jugendsinfonieorchesters. Zudem fungiert Marcos Kopf, der mit der Musikerin Dorothea Bach verheiratet und Vater von zwei Kindern ist, als Stellvertreter der Musikschule Hochsauerlandkreis. Marcos Kopf ist, wenn man so will, im wahrsten Sinne des Wortes der neue Kopf für klassische Musik im Hochsauerlandkreis. WOLL-Redakteur Hermann-J. Hoffe hat sich mit ihm im Musikbildungs-zentrum Bad Fredeburg, mit gebührendem Abstand, zu einem sauerländisch inspirierten, musikalischen Interview getroffen. Mit einer überraschenden Frage beginnen wir das Gespräch.

WOLL: Die HSK-Toccata*, wann kommt die mal wieder hier zur Aufführung?
Marcos Kopf:
Das passiert bestimmt irgendwann.

*HSK-Toccata (https://www.youtube.com/watch?v=6oRlStMHRWw) ist ein Orgelstück des Schmallenberger Komponisten und Organisten Ulrich Schauerte, das anlässlich eines Jubiläums des Hochsauerlandkreises komponiert wurde und oft von der bekannten und in Paris lebenden Sauerländer Organistin Helga Schauerte, einer Schwester von Ulrich Schauerte, aufgeführt wird.

WOLL: Abgesehen von der klassischen Musik, wann bringt Musik den Argentinier Marcos Kopf auf Stühle und Bänke?
Marcos Kopf:
Ich tanze gerne und ich tanze sehr gerne Tango. Da bringt mich die Musik auf die Piste, wie man in Buenos Aires sagt. Man muss auf einer Fläche tanzen können, die nicht größer als ein Tisch ist. Dann ist man beim Tango gut dabei, denn die Tanzflächen sind immer sehr voll. Wenn ich Tango höre, dann möchte ich tanzen. Musik nimmt man am intensivsten durch Bewegung wahr. Erst wenn der Körper die Bewegung nachahmt, wird die Musik das, was sie ist. Immer wenn ich Musik höre, ist Bewegung im Kopf.

WOLL: Wie kam es dazu, dass Sie Orchesterleiter des HSK Sinfonie-orchesters wurden? Wie kommt ein Argentinier ins Sauerland?
Marcos Kopf:
Das sind zwei Fragen, die sehr heterogen sind. So etwas kann man natürlich nicht planen. Das passiert einfach. In meiner pädagogischen, musikalischen Ausbildung habe ich nichts ausgelassen. Ich habe alles gemacht, was möglich war und wo ich mich musikalisch einbringen konnte. Von Haus aus bin ich Pianist. Wie Sie wissen, wurde vor zwei Jahren plötzlich eine Stelle vakant, die bis dahin der unvergessliche und, wie ich meine, unersetzbare Georg Scheuerlein innehatte. Ich habe mich auf die vom Hochsauerlandkreis ausgeschriebene Stelle beworben. Das Sauerland kannte ich durch Freundschaften und natürlich durch den Sauerland Herbst schon ein wenig. Und hier hat es mir immer sehr gut gefallen.

WOLL: Haben Sie denn vorher schon einmal im Hochsauerlandkreis
gespielt?
Marcos Kopf:
Nein. Nur einmal, vor über zehn Jahren etwa, hat mich eine vorzügliche Mahlzeit im Hotel Schütte in Schmallenberg-Oberkirchen dazu bewegt, für meine Freunde auf dem schönen Steinway-Flügel zu spielen. Eine schöne Erinnerung, ich hoffe, auch für alle …

WOLL: Was begeistert Sie an der Arbeit mit dem HSK Sinfonieorchester?
Marcos Kopf:
Schon bevor ich die neue Stelle angetreten habe, hat mir die Arbeit mit diesem besonderen Orchester gefallen. Darin von Person zu Person zu arbeiten, hat mich sofort fasziniert. Die Chemie hat von Anfang an gestimmt. Dieses Orchester ist ganz zeitgemäß aufgestellt. Es versucht das Unmögliche, nämlich aus vielen Orten dieses flächenmäßig großen Kreises Musiker dazu zu bringen, im Orchester zu spielen. Und es gelingt, Menschen, die sich nicht unbedingt entschieden haben, als professionelle Musiker zu arbeiten, mitzunehmen, so dass sie zusammen mit den professionellen Musikern spielen. Diese Art der gemischten Zusammenarbeit sehe ich als extremen Vorteil. Da spürt man jederzeit die Begeisterung für die Musik und das gemeinsame Ziel.

WOLL: So, wie Sie es schildern, möchte man dieses Orchester unbedingt hören. Aber ehrlich gesagt: Einem großen Teil der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass es ein HSK Sinfonieorchester und auch ein Jugendsinfonieorchester auf hohem Niveau gibt.
Marcos Kopf:
Das liegt vielleicht auch ein bisschen an dem Format. Die Orchester der Musikschule Hochsauerlandkreis sind Projektorchester. Das heißt, man probt über einen bestimmten Zeitraum das Programm und bringt es dann vor möglichst großer Kulisse einmal oder mehrmals zur Aufführung. Ich bin mit sehr viel Elan gestartet und hatte für dieses Jahr fünf große Projekte geplant. Die Corona-Krise hat natürlich auch unsere Pläne durcheinander gebracht. Die Projekte werden aber alle sobald wie möglich gestartet und hoffentlich dann vor großem Publikum zur Aufführung kommen.

WOLL: Sind Sie als Dirigent eher der ruhigere Typ oder unterstreichen Sie Ihre musikalische Begeisterung gerne durch dramatische Gestik und Körperhaltung? Welche Bedeutung hat der Taktstock?
Marcos Kopf:
Der Taktstock vermittelt. Hier zeigt sich vielleicht die Verbindung zum Tango. Tango tanzen, das ist nicht das Führen mit den Armen. Das ist wahrscheinlich das, was man als Anfänger falsch macht. Man versucht damit, jemanden in eine Richtung zu bringen. Aber jede Frau, die Sie so behandeln, wird nie wieder mit Ihnen tanzen. Wissen Sie, wenn man Tango tanzen will, dann reicht ein Blick. Man fragt nicht: Wollen Sie mit mir tanzen? Mit dem ersten Takt der Musik muss der Führende aus seiner Mitte heraus versuchen, seine Intentionen zu zeigen. Wenn das harmoniert, dann wird man das sehen. So ist das auch mit dem Taktstock. Ich kann zeigen, wann das Orchester oder der einzelne Musiker anfangen soll. Aber wenn das nicht wirklich überzeugt, wird das Orchester oder der Musiker nicht so anfangen, wie gewollt. Man spürt, dass wir nicht miteinander kommunizieren. Es ist also nicht der Taktstock, sondern das, was dazwischenliegt. Die Energie, die dann da ist. Deswegen glaube ich auch, dass hier die Grenzen des Digitalen sind. Ich brauche den direkten Kontakt und die nonverbale Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, von Person zur Person.

WOLL: Neben der Orchesterleitung gehört es zu Ihren Aufgaben als stellvertretender Schulleiter der HSK Musikschule, ein großes Angebot für die Musikbegeisterten im HSK bereitzustellen. Sagen Sie unseren Lesern bitte, was die HSK Musikschule hier bietet?
Marcos Kopf:
Die Arbeit der Musikschule beginnt mit dem allerersten Anfang, der elementaren Musikpädagogik, und begleitet Menschen ein Leben lang. Wir führen Kinder im Kindergartenalter an das Musizieren heran, setzen das Landesprogramm JeKits in Grundschulen um und kooperieren mit weiterführenden Schulen, mit Vereinen und Kultureinrichtungen des Kreises. Wir bieten Unterricht stilübergreifend in allen Instrumentalfächern und Gesang an. Die „Kronen“ der Musikschularbeit sind die vielen Ensembles, Orchester und Chöre, die das gemeinsame Musizieren aller Musikbegeisterten ermöglichen. Es ist in jedem Fall für alle etwas dabei, denn wir sind davon überzeugt, dass Musik ein Grundbedürfnis der Menschen und eine unersetzbare Stütze in der eigenen Persönlichkeitsentwicklung ist … und das ganz unabhängig von der eigenen Begabung.

WOLL: Wie sehen Sie die Musiklandschaft im Hochsauerlandkreis
generell?
Marcos Kopf:
Ich habe mich sehr gefreut zu erleben, welch Bedeutung die kulturelle, in diesem Fall die große musikalische Arbeit im Hochsauerlandkreis hat. Ich denke, dass gerade diese Wertschätzung aus dieser Region einen vorzüglichen Ort macht, in dem man gerne lebt. Natürlich sehe ich auch viele Möglichkeiten, weitere Projekte anzustoßen, aber gerade dies macht es hier im Hochsauerland so spannend.

WOLL: Gibt es in der Musiklandschaft HSK Besonderheiten, die es in anderen Regionen so nicht gibt?
Marcos Kopf:
Ich finde es sehr beeindruckend, wie viele Menschen im Hochsauerland Musik machen, in der Musikschule, in Vereinen, Chören, Orchestern, Schulen. Eine große Besonderheit sehe ich auch im Musikbildungszentrum in Bad Fredeburg als Ort der Begegnung für all diese Menschen. Das ist ganz klar das Ergebnis einer ausgelebten Vision.

WOLL: Was hat sich von Ihren Vorstellungen und Ideen in Sachen Musik schon erfüllt, was wollen Sie in nächster Zeit anpacken und was haben Sie vielleicht wieder verworfen?
Marcos Kopf:
Der kreative Prozess impliziert das Entwickeln und Verwerfen von Ideen als dialektisches Spannungsfeld. Bisher musste ich vor allem an der Tempo-Schraube eher etwas herunterdrehen. Leider musste ich nun sehr oft auch auf den Pause-Knopf drücken. Ich habe in der Kürze der Zeit aber weniger verworfen als vielmehr angepasst. Schöne Höhepunkte gab es bereits: Ich denke hier zum Beispiel an das Neujahrskonzert des Sinfonieorchesters in Brilon, übrigens unter dem Motto „Tanzt!“. Ich denke auch an etliche gemeinsame Konzerte der Kinderorchester, Grundschulkinder und Kammerorchester, die auch eine neue Farbe in die musikalische Arbeit gebracht haben.

WOLL: Sehen Sie Chancen für eine spezielle Sauerländer Musikkultur, so wie zum Beispiel die „Kölsche Musik“?
Marcos Kopf:
Dies ist allgemein in Deutschland eine große und wichtige Herausforderung. Ich selber genieße lebendige Folkloremusik, auch wenn sie mit anderen Musikrichtungen zu einem neuen Ergebnis vermischt wird. Insofern sehe ich hierbei immer eine Chance für einen Neuanfang.

WOLL: Welche Konzertreihen oder Musikfestivals möchten Sie in diesem Sommer gerne einmal besuchen?
Marcos Kopf:
Ich würde sehr gerne zum Kunstfest nach Weimar fahren. Die alte Wahlheimat zieht immer wieder.

WOLL: Für das Gespräch mit Musik bedanken wir uns ganz herzlich. Ihnen eine gute Hand für die Musiklandschaft Hochsauerlandkreis.