Sauerländer Sterne-Hoteliers schreiben offenen Brief an Bundeskanzlerin und Ministerpräsdident

Offener Brief

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Es muss schon eine besondere Situation eingetreten sein, wenn sich Menschen aus dem Sauerland und besonders Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Land der tausende Berge in einem offenen Brief an die Regierenden in unserem Land wenden. Diese besondere Situation scheint jetzt vorzuliegen. Inhaberinnen und Inhaber der Aushängeschilder Sauerländer Hotellerie und Gastronomie wenden sich in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin in Berlin und den Ministerpräsidenten in Düsseldorf. In einer Presseinformation wurde dieser Brief von der Hotelkooperation „Sterne im Sauerland“, die auch hinter der Initiative „Aufstehen Gastgeber – Für die Zukunft von Gastgewerbe und Tourismus“ steht, öffentlich gemacht. WOLL teilt hier den Inhalt des Briefes mit:

Offener Brief an Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Herrn Ministerpräsident Armin Laschet (Per E-Mail ) – CC an Landesminister und Mitglieder des Bundes- und Landtages NRW Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel 

Sauerland, 29. April 2021 

Appell für ein konkretes Eröffnungsdatum spätestens am 1. Juli 2021 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, 

was hat uns der aktuelle Lockdown gebracht? 

Die finanziellen Mittel schwinden, Mitarbeitende wechseln in andere Branchen, dem Nachwuchs fehlt das Lernen in der Praxis. Die Türen der Hotels, Restaurants und Ferienwohnungen/-häuser sind schon viele Monate geschlossen. Doch wozu? Es ist wohl nicht mehr zu übersehen, dass der aktuelle Lockdown nicht die erhoffte Wirkung zeigt. Das „Fahren auf Sicht“ und die ständig neuen Maßnahmen bleiben seit Monaten erfolglos. Die Infektionszahlen sind trotz allem weiter gestiegen oder zumindest nicht nennenswert gesunken. Eine Verlängerung der Maßnahmen, so wie sie jetzt sind, ist nicht mehr zu erklären. Das bestätigt auch der beigefügte Bericht von Prof. Dr. Thomas Mansky, Leiter des Fachgebiets Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen der Technischen Universität Berlin. 

Natürlich sehen wir, dass die Lage kritisch ist. Und auch für uns steht die Gesundheit der Menschen an erster Stelle. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, warum laufende Modellprojekte nicht weitergeführt werden dürfen, obwohl sie wertvolle Erkenntnisse liefern. Hier hätte es mit Blick auf das IfSG Ausnahmen geben müssen – zum Vorteil aller. Modellprojekte wie in Tübingen oder Augustusburg werden wissenschaftlich begleitet und geben Raum zum Ausprobieren und zur Entwicklung von Maßnahmen, die uns zu mehr Normalität zurückführen. 

Und das ist dringend nötig, denn: Wir müssen lernen MIT dem Virus zu leben! 

Dafür müssen nach dem Trial-and-Error-Prinzip die Maßnahmen getestet und stetig optimiert werden. Diese Meinung vertritt auch der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, Dr. Hendrik Streek. Mit dem Voranschreiten der Impfkampagne muss konkret über allmähliche Lockerungen nachgedacht werden, um eine Perspektive zu schaffen.

Doch stattdessen verlieren wir immer mehr wertvolle Zeit! 

Die fehlende Perspektive für einen Re-Start ist eine hohe Belastung für alle Betroffenen und Unternehmer*innen. Die Politik verliert durch ihre wenig planvolle Pandemie-Bekämpfung mehr und mehr an Vertrauen. Die Maßnahmen sind nicht mehr nachvollziehbar: 

Ein Hotel mit freistehenden Ferienhütten beherbergt – in Absprache mit Stadt und Ordnungsamt und im Rahmen der aktuell geltenden Regeln – zwischen 8 Uhr morgens und 20 Uhr abends Gäste, inklusive kontaktloser Lieferung von Essen. Wieso ist dies erlaubt, die touristische Übernachtung jedoch verboten? Es zeigt deutlich, wie widersprüchlich und wenig durchdacht die Regeln sind. 

Das RKI hat schon längst bestätigt, dass von Beherbergungen und Gastronomie kaum ein Risiko ausgeht: Das Infektionsrisiko in Innenräumen mit Schutzkonzepten und in Hotels wird als niedrig, in der Gastronomie als moderat beschrieben. Beherbergung und Gastronomie haben schließlich schon lange umfangreiche Schutzkonzepte und von Haus aus ohnehin einen hohen Hygiene-Standard. 

Die Politik argumentiert damit, dass die Mobilität der Menschen eingeschränkt werden müsse. Doch wir fragen uns: Warum dürfen Handwerker und Bauarbeiter durch Deutschland und auf Baustellen fahren, auf denen Schutzkonzepte zudem oft nur schwer umsetzbar/kontrollierbar sind? Warum dürfen Menschen mit dem Flugzeug in den Urlaub ins Ausland fliegen, aber ein Kölner nicht ins Sauerland fahren? Warum darf ein Businesshotel unbegrenzt Gäste aufnehmen, Freizeithotels jedoch nicht einen einzigen? Gerade Businessgäste bleiben in der Regel nur eine Nacht, während es bei Urlaubsgästen oft mehrere Nächte sind, was eine geringere Reisetätigkeit mit sich bringt. 

Und Kontaktmöglichkeiten, die in öffentlichen Räumen nicht stattfinden dürfen, finden im privaten Umfeld statt – ob es nun ein Treffen mit Freunden/Familie ist oder die Übernachtung auf dem Sofa. 

Es fehlt an Offenheit für andere Lösungen! 

Die aktuellen Maßnahmen werden an Inzidenzzahlen festgemacht. Das Arbeiten mit diesen und dem daraus resultierenden Schließen oder Öffnen je nach Erreichen von Ober- bzw. Untergrenzen darf nicht so weitergehen. Eine Öffnung muss eine Öffnung bleiben. Es ist für alle – Unternehmen und Gäste/Kunden – unzumutbar, einen Betrieb wochenweise hoch- oder runterzufahren. 

Wenn also der kritische Punkt von einer Öffnung die Mobilität ist, könnte diese eingeschränkt werden, indem in Freizeithotels und Ferienwohnungen/-häusern zunächst nur mit einem Mindestaufenthalt von beispielsweise fünf bis sieben Nächten gebucht werden darf. Mit einer konsequenten Teststrategie und den bewährten Hygienekonzepten ist so ein sicherer Urlaub möglich. Um den Radius einzuschränken, könnte das Reisen außerdem zunächst auf das eigene Bundesland begrenzt werden. Seite 3 von 4 

Wir brauchen ein konkretes Ziel: Ende des Lockdowns zur Mitte des Jahres 2021! 

Da die aktuellen Maßnahmen des IfSG bis zum 30. Juni 2021 gelten, fordern wir als spätesten Termin den 1. Juli 2021 als verbindlichen und konkreten Öffnungstermin für alle Bereiche zu definieren. Bis zu diesem Tag – einem Zeitfenster von gut 8 Wochen – müssen alle Beteiligten ihre Hausaufgaben gemacht haben, u.a.: 

  • • Politik: Impfen und Testen forcieren, digitale Nachverfolgung sicherstellen und entsprechende Ausstattung der Gesundheitsämter, sichere Konzepte für Schulunterricht/Studium 
  • • Betriebe: Hygienekonzepte optimieren und erweitern, Entwicklung und Umsetzung der Teststrategie für Mitarbeitende und Gäste/Kunden 
  • • Mitbürger: strikte Einhaltung der Regeln, um aktiv zu einer Senkung der Infektionszahlen beizutragen 

Wenn ein konkreter Termin gesetzt ist, ab dem eine Rückkehr zu einem verantwortungsvollen Alltag – wie schon geschehen im vergangenen Sommer – garantiert ist, wird das einen gesunden Druck aufbauen und alle Betroffenen motivieren, bis zu diesem Zeitpunkt die Basis für Öffnungen zu schaffen und sich mehr denn je an die aktuellen Vorgaben zu halten. Modellprojekte wie in Tübingen oder Augustusburg sollten unter allen Umständen in der Zwischenzeit weiterlaufen, um weitere wichtige Erkenntnisse zu sammeln. Auch sollte die Freigabe von weiteren Modellprojekten in Erwägung gezogen werden. 

Ziel in den kommenden Wochen bis zum 1. Juli muss sein, mindestens den Status des vergangenen Sommers zu erreichen. Aus dieser Zeit gibt es Konzepte für den Re-Start, die sich bewährt haben und leicht angepasst wieder angewandt werden können. Der Sommerurlaub ist für viele Gastgeberbetriebe ein letzter Rettungsanker, was auch das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt bestätigt. Bleibt es beim Lockdown ist eine Insolvenzwelle garantiert. 

Deshalb: geben Sie uns mit spätestens 1. Juli eine konkrete Eröffnungsperspektive! 

Nicht nur für uns Unternehmer*innen und unsere Mitarbeitenden, sondern auch für die Menschen. Denn: unsere Branche ist systemrelevant! Menschen brauchen Erholung und soziale Kontakte für ihr seelisches Gleichgewicht. Arbeitnehmer haben gesetzliche Urlaubstage, um sich körperlich und geistig zu erholen, damit sie wieder fit für die Arbeit sind. Die Angebote der Gastgeberbranche sind hierfür unerlässlich. Die Zukunft der Branche und die große Vielfalt an touristischen Angeboten steht auf dem Spiel, wenn uns nicht endlich eine Perspektive gegeben wird! 

An dieser Stelle erlauben wir uns einen Hinweis auf Österreich, das Mitte Mai in Rahmen von festgelegten Corona- und Hygiene-Maßnahmen das touristische Leben wieder hochfahren wird. Mehr Informationen finden Sie im Internet unter https://www.sichere-gastfreundschaft.at/#lp-pom-block-2452

Wir appellieren inständig an Sie, die „Fahrt auf Sicht“ zu beenden und unverzüglich den Weg frei zu geben für eine dauerhafte Öffnung der vom Lockdown betroffenen Unternehmen spätestens zum 1. Juli 2021! 

Mit großem Interesse erwarten wir Ihre Stellungnahme und stehen für Fragen und persönliche Gespräche jederzeit zur Verfügung. 

Im Namen der Initiative 

Andreas Deimann Ralf Blümer Elke Stahlmecke 

Hotel Deimann Bergdorf Liebesgrün Die Sterne im Sauerland