Sauerländer Politiker äußern sich zum Corona-Evaluationsbericht

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Am Freitag vergangener Woche wurde der 160 Seiten lange Bericht des Sachverständigenausschusses nach § 5 Abs. 9 IFSG (Infektionsschutzgesetz) zur Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik veröffentlicht. Die Reaktionen aus den unterschiedlichen Lagern und Interessengruppen ließen nicht lange auf sich warten. Die WOLL-Redaktion hat die heimischen Bundes-Politiker aus dem HSK gefragt, wie sie den Bericht bewerten und welche Maßnahmen Sie für die nahe Zukunft sehen. Friedrich Merz (CDU), Dirk Wiese (SPD) und Julius Cronenberg (FDP) haben schriftlich die vier gestellten Fragen Stellung beantwortet.

Friedrich Merz, MdB (CDU): „Ganz offensichtlich waren aus der Rückschau betrachtet einige der getroffenen Entscheidungen unverhältnismässig.“

Der Direktkandidat für den Hochsauerland schreibt. Ich komme für heute erst zu einer vorläufigen Bewertung des Gutachtens, die ich wie folgt zusammenfassen möchte:  Leider fehlte für die Erstellung dieses Gutachtens eine durchgängig belastbare Datengrundlage. Dies heben die Gutachter selbst an verschiedenen Stellen des Gutachtens hervor. Ohne eine bessere Datengrundlage wird es uns auch in Zukunft nicht gelingen, die angemessenen Entscheidungen zu treffen.

Ganz offensichtlich waren aus der Rückschau betrachtet einige der getroffenen Entscheidungen unverhältnismässig. Daher sollten wir bei einer neuen Welle des Virus vor allem von erneuten Schulschließungen und Lockdowns in den Innenstädten absehen.  

Die eingeleiteten Ordnungsmaßnahmen gegen „Spaziergänger“ bleiben deshalb trotzdem rechtswirksam. Es steht nicht im Ermessen einzelner Kitiker der Coronamassnahmen, die angeordneten Massnahmen einseitig zu befolgen oder nicht zu befolgen. Es gibt kein allgemeines Widerstandsrecht gegen gesetzliche Schutzvorschriften. Im übrigen bestätigen die Gutachter grundsäztzlich die Sinnhaftigkeit der Masken auch für den Fall einer erneuten Welle der Infektion.

Die Kommunikation mit den Kritikern von gegebenenfalls notwendig werdenden erneuten Einschränkungen sollte in Zukunft – wie die Gutachter es vorschlagen – allerdings konstruktiver und ergebnisoffener erfolgen. Von diesem Grundsatz haben wir uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu Beginn des Jahres leiten lassen, als wir eine sofortige Impfpflicht abgelehnt haben. Und von diesem Grundsatz werden wir uns auch in Zukunft leiten lassen.“

Dirk Wiese, MdB (SPD): „Gleichwohl kann man festhalten, dass Corona polarisiert hat wie kaum ein anderes Thema zuvor.“

Dirk Wiese aus Brilon sitzt für die SPD im Deutschen Bundestag. Er antwortet auf unsere Fragen kurz und knapp:„Der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenausschuss und der Expertenrat der Bundesregierung ziehen nach zwei Pandemie-Jahren Bilanz zu den Maßnahmen, die in dieser Zeit zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens ergriffen wurden und geben einen Ausblick auf den kommenden Herbst und Winter. Als Ampel-Koalition sind wir in unserer kurzen Zeit bereits gute Wege gegangen und werden bei der Erarbeitung weiterer Schritte die Ergebnisse des Gutachtens in Absprache mit den Bundesländern berücksichtigen. Es ist aber klar, dass der beste Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf durch die Impfung gegeben ist und wir auch weiterhin darauf setzen, dass sich hoffentlich so viele Menschen wie möglich, impfen lassen werden. Gleichwohl kann man festhalten, dass Corona polarisiert hat wie kaum ein anderes Thema zuvor. Ich habe mich mit vielen Bürgerinnen und Bürgern hierzu sachlich ausgetauscht, sei es per E-Mail, telefonisch oder auch persönlich.“

Julius Cronenberg, MdB (FDP): „Dennoch hätte ich mir mehr Pragmatismus seitens der Behörden gewünscht.“

Etwas ausführlicher hat der FDP-Bundestagsabgeordnete Julius Cronenberg geantwortet.

WOLL: Wie bewerten Sie den Umgang mit Kritikern und Gegnern der Maßnahmen, einschl. der Impfung hier im HSK und in Schmallenberg und Eslohe?

Cronenberg: Eine kritische Haltung ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt, rechtfertigt aber nicht rechtswidriges Verhalten. Es ist wichtig, bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen genau hinzuschauen, ob Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit gegeben sind. Die Vertreter abweichender Meinung gehören nicht an den Pranger gestellt. Vielmehr ist die Politik verantwortlich für eine breite Akzeptanz. Deshalb war es ein schweres Versäumnis, nicht von Beginn der Maßnahmen an auf die Erhebung von Daten geachtet zu haben.

WOLL: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen „Spaziergänger“ aus Schmallenberg und Umgebung wegen Nichttragens eines „Mund-Nasen-Schutzes“?

Es ist verständlich, wenn Ordnungskräfte geltende Regeln durchsetzen, auch wenn niemand wissen konnte, ob die Regeln sinnvoll sind. Dennoch hätte ich mir mehr Pragmatismus seitens der Behörden gewünscht. Überzogene Sanktionen haben Skeptiker sicher nicht überzeugt, sondern Widerstände eher noch erhärtet.

WOLL: Was wollen Sie persönlich unternehmen, um den, durch die Maßnahmen entstandenen allgemein gesundheitlichen, sowie psychosozialen, psychischen und zwischenmenschlichen Schäden entgegenzuwirken?

Psychosoziale Schäden und signifikante Bildungsrückstände gehören genauso zu den bitteren Folgen der Pandemie wie Menschenleben oder Long-Covid. Deshalb ist die vorliegende Evaluation der Corona-Maßnahmen von sehr hoher Bedeutung. Schulschließungen und allgemeine Lockdowns wird es mit mir so nicht mehr geben.

WOLL: Welche konkreten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung fordern Sie persönlich für den Herbst, bzw. für die Zukunft?

Grundrechtseinschränkungen sind nur dann zu rechtfertigen, wenn die Überlastung des Gesundheitssystems droht. Das ist zur Zeit nicht der Fall. Kommt eine Variante, die so gefährlich ist wie Delta und so infektiös wie Omikron, ist der Gesetzgeber aufgerufen, wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen. Dazu können Maskenpflicht in Innenräumen, Home Office oder partielle Lockdowns in Hot-Spot-Gebieten zählen, ebenso wie aufsuchende Impfangebote und strenge Auflagen für Menschen, die in persönlichen Kontakt mit vulnerablen Gruppen treten. In jedem Fall müssen bei jeder Maßnahme so viele Daten erhoben werden wie möglich. Datenschutz darf dem Erkenntnisgewinn in der Pandemie-Bekämpfung nicht im Wege stehen.