Quelle: Bezirksregierung
In einem offenen Brief an Regierungspräsident Böckelühr nehmen mehrere Sauerländer Naturschutzvereine und Bürgerinitiativen Stellung zum nun vorliegenden Entwurf des Regionalplanes für die Kreise Siegen, Olpe und Märkischer Kreis.
Nachfolgend veröffentlichen wir hier den „Offenen Brief“ Sauerländer Naturschutzvereine und Bürgerinitiativen zu den Windenergiebereichen im Regionalplan.
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Böckelühr,
mit Verwunderung haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Regionalrat Arnsberg beschlossen hat, nur die Behörden, Kommunen und öffentlichen Stellen, die sich zu dem Entwurf geäußert haben, zu der Erörterung einzuladen. Doch was ist mit den Naturschutzvereinen, Bürgerinitiativen und Bürger und Bürgerinnen, die Einwendungen zum Thema Windenergie verfasst haben? Diese Einwendungen sind auch nicht in der Gesamtsynopse enthalten.
In dem Zeitraum, in dem damals Stellungnahmen zum Entwurf des Regionalplanes abgegeben werden konnten, wurden die Bürger/Bürgerinnen ausdrücklich zur Beteiligung an dem Entwicklungsprozess des neuen Regionalplanes aufgerufen, auch von ihrer Behörde. Und nun scheint es so, als wenn all diese Einwendungen „unter den Tisch“ fallen würden. Es gibt kein Gesetz, dass den Ausschluss der Privatpersonen vorgibt, es ist alleine vom Regionalrat bewusst so gewollt! Wir sehen dies als Form der Entdemokratisierung – Transparenz und Bürgerfreundlichkeit sollten anders aussehen! Gerade bei einer Landesregierung unter Beteiligung der „Grünen-Fraktion“, die doch immer wieder betonen, wie wichtig Demokratie ist, können wir dieses Vorgehen nicht nachvollziehen.
Angesichts der inzwischen bis zu 300 m hohen Anlagen mit 20.000 bis 30.000 qm Überstreichungsfläche und der sehr großen Anlagenzahl fordern wir eine umfassende Beteiligung und öffentliche Anhörungen aller Personen, Vereine und Bürgerinitiativen.
Unserer Ansicht nach sollten im Rahmen der Regionalplanung prioritär verpflichtend 30%-Schutzgebiete u.a. gemäß EU-Vorgabe (Green-Deal von 2020) wie auch zusätzlich durch den Vertrag mit dem IPBES von Montreal COP 15 vom 19.12.22 ausgewiesen werden, bevor Standorte für Windenergieanlagen in Betracht kommen und konkretisiert werden.
Siehe https://www.bmuv.de/pressemitteilung/montreal-moment-fuer-die-natur – Frau Lemke vom 19.12. 2022 m.w.N.
Im Lichte dieser internationalen Verpflichtungen sollten wird unsere Landschaftsschutzgebiete effektiv unter Schutz stellen und nicht für die Errichtung jeglicher Form von Industrieanlagen öffnen. Mit einer Fläche von 3.830 km² bietet der Naturpark Sauerland Rothaargebirge ausreichend Waldflächen, die unter einen besonderen Schutz gestellt werden können und die Zielvorgabe des Weltbiodiversitätsrates realisierbar machen. Die landwirtschaftlichen Flächen sollten hier explizit ausgeschlossen werden, damit sie weiterhin als lokale und sichere Lebensmittelversorgung zur Verfügung stehen. Somit leisten auch sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit, in dem lange Transportwege vermieden werden.
Dies erstreckt sich auch auf die neue zusätzliche “Gemeindeöffnungsklausel” gem. § 245e Abs. 5 BauGB, durch die erst recht Nachbar- und Artenschutz in beispielloser Weise missachtet und Art 20a GG mit Verfassungsrang entgegen steht. Denn die relevanten Flächen auszuweisen hat sich Deutschland gem. des Vertrags von Montreal vom 19.12.22 bis 2030 verpflichtet.
In den letzten Jahren sind durch die Windindustrie und die von ihr veranlassten und weitgehend durchgewunkenen zahllosen Zielabweichungsverfahren Schutzgebietsflächen in NRW drastisch vermindert worden. Hingegen müssen angesichts der 30%-Flächen-Verpflichtung die verbliebenen Schutzgebiete im aktuellen Zustand substanziell erhalten bleiben, um überhaupt noch ausreichende Flächen im Sinne des Vertrags von Montreal bis 2030 ausweisen zu können. Aufgrund der inzwischen durch die Wind-Industrie bereits beschränkten Flächen (gem. FAZ vom 13.02.19 – https://edition.faz.net/faz-edition/wirtschaft/2019-02-14/3bb67f3953f3a19df03d6c445499a201/?GEPC=s5 lagen gemäß Angaben des Bundesamt für Naturschutz bereits 2019 ca. 25% aller Windanlagenstandorte in Schutzgebieten!) ist die vorherige Ausweisung der 30%Schutzflächen flächenmäßig (quantitativ und qualitativ) im Sinne der internationalen Verpflichtungen Deutschlands alternativlos.
Gemäß FAZ vom 21.09.23 hat Deutschland seine Pflichten bei der Ausweisung von Schutzgebieten schon bisher nicht ausreichend erfüllt. Der EuGH gab deshalb einer Klage aus Brüssel 2023 in Teilen recht.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen unterstrich in seiner PM vom 19.04.24:
Der Zustand vieler Ökosysteme in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten weiter verschlechtert. Ergänzend zum Schutz der verbliebenen Natur sollte stärker als bisher der Zustand geschädigter Ökosysteme verbessert werden. Dazu gehört es, sowohl die bestehenden Schutzgebiete aufzuwerten als auch mehr landwirtschaftliche Flächen und Wälder naturnäher und zukunftsfähiger zu bewirtschaften
https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020_2024/2024_04_PM_Renaturierung.html?nn=400658, siehe auch FAZ am 19.12.22:
Gemäß Bericht der FAZ vom 25.04.24 fehlt sogar das Geld zur verpflichtenden Rettung der Biodiversität („Das Geld für die Biodiversität reicht nicht“), während die Windprojektierer mit Überrenditen und nun Ihnen bekannten und daraus folgenden Pachtexzessen Geld in Milliardenhöhe verbrennen und sogar die Schutzgebiete rücksichtslos verramscht und ausverkauft werden. Deshalb ist der Erhalt der Schutzgebiete und die Sicherstellung der 30%-Ausweisungspflichten von Montreal das Minimum, das wir von Ihnen neben der demokratischen Beteiligung einfordern.
Das heißt konkret, dass die erst kürzlich erfolgte Öffnung großflächiger und pauschaler Schutzgebiete, wie Landschaftsschutzgebiete, Naturparks usw. analog zum Beschluss des BVerfG vom 24.03.21 verfassungswidrig sein dürfte und nicht mehr angewendet werden darf, um dieses 30%-Flächenziel noch zu erreichen bzw. bis 2030 pflichtgemäß zu sichern. Das ist ggfls. durch das BVerfG gem. Art 20a GG und seiner hierzu bekannten Rechtsprechung zu überprüfen.
Da die Ziele des Artenschutzes als Garant unserer Lebensgrundlagen höherrangig sind als die Klimaziele, sind wegen der Grundlagenfunktion der Arten und der Biodiversität für das menschliche Leben diese Ziele von „überragendem globalen Überlebens-Interesse“, wohingegen die Klimaziele durch Windanlagen in § 2 EEG „nur“ von „überragendem öffentlichen Interesse“ sind, zumal eine Anpassung an das Klima von wachsender Bedeutung ist und der Erhalt unserer Lebensgrundlagen schon denklogisch vorgehen muss.
Im Lichte dieser dramatisch zunehmenden Verluste unserer Lebensgrundlagen ist die fast völlige Abschaffung der öffentlichen Anhörungen und Beteiligungen eine historisch beispiellose Entdemokratisierung und eine parallele historische Entrechtlichung im Hinblick auf die zahllosen Gesetzesänderungen zugunsten einer Industrielobby und zum Nachteil von Mensch und Natur. Zudem gibt es keine Gasmangellage mehr, so dass die Voraussetzungen der sog. NotfallVO und dessen einschränkenden Folgen für Mensch und Natur umgehend zu beenden sind, was unsere selbstverständliche Beteiligung unterstreicht.
Wir bitten um zeitnahe Entscheidung im Hinblick auf die erbetene Teilnahme am Erörterungstermin.
Mit freundlichen Grüßen