Sauerländer Bräuche: Willkommen, du Bratarsch! -Krempen oder Krempäsen

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aus „Voll die Bräuche, woll!“ von Michael Martin

Wo? In Plettenberg-Böddinghausen
Wann? Bei der Aufnahme in den Gesangsverein oder in die Dorfgemeinschaft

Um in den Böddinghauser Männerchor aufgenommen zu werden, muss man ein lupenreiner Einheimischer, auf Sauerländisch: ein Poahlbürger sein. Was macht man aber, wenn ein Neubürger oder einer, der von woanders wechkommt, gerne mitsingen und aktiver Sangesbruder werden will? Dann muss man ihn eben möglichst schnell und unkompliziert zum Poahlbürger machen, entschied der Chor. Aber nicht heimlich, still und leise, sondern öffentlich, laut und am besten mit einem schicken Ritual. Nur welchem? Überall auf der Welt fanden die Böddinghauser alte Riten, mit denen Novizen in Gruppen oder soziale Gemeinschaften aufgenommen werden. Da gab es beispielsweise in England den Ritterschlag, bei den Seefahrern die Äquatortaufe oder bei den Plettenberger Jäustern die obligatorische Mutprobe. Das half dem Chor aber nicht entscheidend weiter, denn Ritter gab es in Böddinghausen nur als Schokolade im Konsum, der Äquator war zu weit weg und eine piefige Mutprobe sollte es nun doch nicht sein. Also schaute man sich im Sauerland um, suchte nach regionalen Anregungen und fand sie endlich bei den Schnadegängern (siehe Seite 60 nach Layout prüfen!!). Den Neubürger mit dem Arsch dreimal auf einen Grenzstein oder Grenzpfahl setzen, das klang gut. Sofort wollte sich ein Suchtrupp auf den Weg machen, um die örtlichen Grenzsteine zu finden. Da die Berge jedoch an diesem Tag besonders hoch waren und es gerade zu plästern begann, überlegte man sich eine Lösung, bei der man als Sänger nicht aus der Puste kommt oder sich einen Halskatarrh holen könnte.

Zwölf Pils später war das Krempen oder Krempäsen erfunden. Dabei muss der neue Sangesbruder sich nach vorne beugen und erhält drei Schläge mit einem großen Gummihammer auf den Hintern. Damit es keine blauen Flecken gibt, hält ein Adjutant eine schmiedeeiserne Bratpfanne schützend vor den Allerwertesten. Warum eine Bratpfanne? Weil echte Sauerländer alle einen Bratarsch haben, vermute ich. Zum Abschluss gibt’s dann noch einen Schnaps als Schmerzmittel. Das Ganze fand so großen Anklang bei den Einheimischen, dass mittlerweile auch nichtsingende Neubürger beim alljährlichen Dorffest des Böddinghauser Männerchors durch zünftiges Krempen zu Poahlbürgern gemacht werden. Beziehungsweise zu echten Krempäs, um es korrekt auszudrücken. Jeder Krempäs darf im Dorf fortan geduzt werden: Willkommen in Böddinghausen, du Bratarsch!