Sauerländer Botschaft

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Der WOLL-Blick aus Berlin

Kürzlich saßen wir am Tisch, mit einem der bekanntesten Hoteliers Deutschlands. Sein Haus war immerhin Austragungsort eines G7 Gipfels. Die Rede kam auf meine Heimat, das Sauerland. Kenn ich, sagte er, Berge und gutes Bier. Lübke und Merz. Ich zählte eifrig ein paar andere Goodies auf. Starke Wirtschaftsregion, und bis vor Corona jedenfalls kaum Arbeitslosigkeit. Der Weitgereiste nickte, das schien ihm alles nicht neu. „Die Küche dort ist auch sehr gut“, fuhr er fort, ich strahlte – ein Connaisseur. Doch dann der Spoiler: „In Saarlouis soll es ja jetzt ein Zwei-Sterne-Restaurant geben”, fuhr er fort. Das läge sicher an der Nähe zu Frankreich. Ich murmelte noch irgendetwas von den Niederlanden. Doch der Treffer saß, der Stern des Sauerlands war verglüht, bevor er strahlen konnte.

In Deutschland haben es Bundesländer naturgemäß leichter als die Regionen, von sich reden zu machen, durch starke Ministerpräsidenten und -Präsidentinnen. Und dann beim Auftritt in Berlin (und in Brüssel) – um in der Riege der anderen Imponierbauten mitzuspielen, gönnen sich unsere Länder dort stattliche Repräsentanzen. Die baden-württembergische Landesvertretung im Tiergarten nimmt es beispielsweise locker mit der benachbarten Botschaft von Indien auf.

Mit Spätzle und Trollinger wird dort regelmäßig zum „Schwabenabend“ geladen. Der geschützte Raum hinter den Mauern der Landesvertretung hat durchaus seine Berechtigung, denn die starke Präsenz des Ländles und seiner Bewohner kommt bei eingeborenen Berliner nicht immer gut an. Schwaben gelten in der gentrifizierungsaversen Stadt als Preistreiber, außerdem besetzen sie zum Unwillen eifersüchtiger Kiez-Nachbarn die schönsten Altbauwohnungen am Prenzlauer Berg und beschweren sich trotzdem über zu viel Partylärm vor der Haustür. Dennoch, Schwaben, ob daheim oder auch in der Bundespolitik, sind die Leistungsträger der Nation, man denke nur an an Cem Özdemir oder Wolfgang Schäuble. Aber: Das Sauerland ist ihnen dicht auf den Fersen. 

Nicht nur soll Friedrich Merz ein Schlüsselressort im Kabinett von Armin Laschet übernehmen, so es denn zustande kommt. Auch an anderer Stelle begehren Sauerländer Einlass in die Berliner Bannmeile der Macht. So hat sich noch vor der Wahl ein neuer Verein gegründet: „Sauerländer Botschaft”. Von und für Sauerländer in Berlin. Es gehe um Vertretung von Interessen, Vernetzung, besseren Austausch. Vielleicht sogar am festen Ort, bei heimischem Bier.

Dagegen regt sich nun Widerstand bei den Platzhirschen in der Region. Von Vertretern der IHKs und der Landkreise in Südwestfalen, auch von Wirtschaftsvereinigungen kommen kritische Töne: Man müsse die Kräfte bündeln, heißt es, sich nicht verzetteln. Die üblichen Machtspielchen eben, wer vertritt wen. Doch wem schadet es eigentlich, wenn das Sauerland es mit all den Schwaben und Rheinländern aufnimmt – die legendäre „ständige Vertretung“ des Rheinlands hat jetzt sogar eine Kneipe am BER – und zeigt, was es hat und was es kann? Oder auch: was nicht. Denn auch der Landrat von Olpe beklagt den großen Fachkräftemangel in der Region. Überall, auch in der Verwaltung. Das wäre doch was, wenn künftig Kollegen, sagen wir aus dem Roten Rathaus, umzögen in die Amtsstuben von Lennestadt, Meschede oder Brilon?

Aber im Ernst: Berliner Hochschulabsolventen, die weder in politische Stiftungen, die Wissenschaft, noch in Start Ups streben, kommen in der Hauptstadt kaum auf ihre Kosten. Hidden Champions gibt es dort, anders als im Sauerland oder drumherum, so gut wie keine. Und auch das Wohnen ist teuer. Warum also sollten Sauerländer “Botschafter” auch jenseits von NRW nicht die Werbetrommel schlagen für das, was mehr ist als nur der Lockruf der Wildnis: Da arbeiten, wo andere Urlaub machen! Nicht zwei, sondern fünf Sterne fürs Sauerland!