Was macht eigentlich die Sekretärin eines Bürgermeisters?
WOLL wollte es genauer wissen und hat drei gebürtige Sauerländerinnen befragt: Gudrun Kobilke (64 Jahre), seit kurzem im Ruhestand und zuvor 40 Jahre lang Sekretärin des Bürgermeisters der Gemeinde Eslohe. Monika Prenzel (70 Jahre), ebenfalls im Ruhestand, war viele Jahre als Sekretärin des Bürgermeisters in der Stadtverwaltung Schmallenberg tätig. Dort arbeitet auch Anke Sibert (46). Sie war Nachfolgerin von Monika Prenzel im Sekretariat des Schmallenberger Bürgermeisters und ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt zuständig.
WOLL: Wie sah Ihr Ausbildungsweg aus, um im Vorzimmer des Bürgermeisters zu arbeiten?
Gudrun Kobilke: Ich bin geprüfte Sekretärin und habe mich zur Chefsekretärin weitergebildet. Beim Kreis habe ich zunächst als Stenotypistin angefangen und war dort vertretungsweise als Vorzimmerdame beim Oberkreisdirektor und beim Kreisdirektor eingesetzt. Nach viereinhalb Jahren bin ich nach Eslohe ins Vorzimmer des damaligen Gemeindedirektors gewechselt und habe meinen Traumberuf gefunden.
Monika Prenzel: Ich habe beim damaligen Amt Schmallenberg 1966 meine Lehre als Verwaltungsangestellte begonnen. Hier habe ich sieben Jahre gearbeitet, bis ich in Elternzeit gegangen bin. Zwischenzeitlich habe ich im städtischen Kindergarten als Helferin gearbeitet, bis ich beim Einwohnermeldeamt wieder eine Stelle bekommen habe. 2001 bin ich ins Büro des städtischen Bürgermeisters gewechselt. Zuvor hatte ich noch einen Lehrgang als geprüfte Sekretärin absolviert. Meine Ausbilderin für diesen Aufbaukurs war Gudrun Kobilke.
Anke Sibert: Ich bin gelernte Bürokauffrau. Ich habe im Anschluss an die Ausbildung im Schreibdienst bei der Stadtverwaltung angefangen. Die Aufgaben haben sich schnell geändert. Alles wurde auf PCs umgestellt. Das kam mir zugute, da ich nach der Ausbildung noch ein halbes Jahr in einem Computerladen gearbeitet hatte. Von daher kannte ich schon das neue Betriebssystem und die Programme. Nach einem Erziehungsurlaub bin ich wieder bei der Verwaltungeingestiegen, habe verschiedene Fortbildungen absolviert und war einige Jahre im Sozialamt im Bereich Buchhaltung tätig. Dann wurde die Stelle von Frau Prenzel ausgeschrieben.
„Aushängeschild für Verwaltung und den Bürgermeister“
WOLL: Was fällt Ihnen zum Wort „Bürgermeister“ ein?
Gudrun Kobilke: Da fallen mir die Namen „meiner“ Bürgermeister ein, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Als ich im Esloher Rathaus anfing, wurden der Gemeindedirektor und der ehrenamtliche Bürgermeister noch vom Rat gewählt. Zur Doppelspitze gehörten damals Bürgermeister Johannes Siepe und Gemeindedirektor Walter Habbel. 1999 wurde der bisherige ehrenamtliche Bürgermeister Reinhold Weber bei der Kommunalwahl von den Bürgerinnen und Bürgern direkt zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt. Er wurde 2009 von Stephan Kersting abgelöst, der sein Amt bis heute ausübt. Natürlich waren das unterschiedliche Charaktere, auf die man sich einstellen musste, aber ich kann sagen, dass mit allen Bürgermeistern ein menschlicher und respektvoller Umgang bestand.
Monika Prenzel: Ich habe mich sehr gefreut, als ich die Stelle im Vorzimmer bei Bürgermeister Halbe bekommen habe. Man hatte zwar diesen Lehrgang gemacht, aber das praktische Arbeiten ist ja doch etwas anderes. Wir waren auch zu zweit im Büro. Die Kollegin war in erster Linie für den Kämmerer zuständig, aber wir haben uns gegenseitig auch vertreten. Ich habe diese Arbeit sehr gerne gemacht.
WOLL: Und wie verlief der Start im Vorzimmer bei Ihnen, Frau Sibert?
Anke Sibert: Der Wechsel ins Vorzimmer des Bürgermeisters ist nicht nur ein örtlicher. Im Vorzimmer ist man eine Art Aushängeschild. Für die Verwaltung und den Bürgermeister. Und da ist man auch schon nervös am Anfang, bei Telefongesprächen zum Beispiel. Aber man konnte jederzeit, auch beim Bürgermeister selbst, nachfragen. Mir hat die Arbeit unheimlich viel Spaß gemacht. Auch weil es eine herausfordernde Tätigkeit ist.
WOLL: Beruf ist das eine, was macht man in der Freitzeit?
Anke Sibert: Ich habe immer Sport gemacht und ein Faible für Technik gehabt.
Monika Prenzel: Ich bin gerne gewandert und Ski gefahren.
Gudrun Kobilke: Bis zu meinem 40. Lebensjahr war ich in der Jugendarbeit der evangelischen Kirche stark engagiert, später auch in der Erwachsenenarbeit. Bis ich 55 Jahre alt war, habe ich mich sehr intensiv ehrenamtlich beschäftigt. Für andere Hobbys blieb keine Zeit. Heute ist der Garten mein Hobby geworden.
WOLL: Wie weit geht die berufliche Aufgabe mit in den privaten Bereich hinein?
Gudrun Kobilke: Es kam vor, dass ich im privaten Bereich auf Berufliches angesprochen wurde. Da war viel Fingerspitzengefühl gefragt. Das Gegenüber musste ernstgenommen werden, gleichzeitig musste man entscheiden, welche Informationen weitergegeben werden durften. Aber das ist eigentlich auch das Interessante an dem Beruf.
Hauptsache: ruhig bleiben
WOLL: Menschen ärgern sich über etwas und greifen zum Telefon. Die landen nicht direkt beim Bürgermeister, sondern bei Ihnen. Wie gehen Sie mit „Bollerköppen“ um?
Gudrun Kobilke: Dank meiner ruhigen Art ist es mir oft gelungen, mit dem Anrufer auf sachlicher Ebene zu kommunizieren. Dazu gehört aber auch Verbindlichkeit, damit der Anrufer sicher sein kann, dass sich jemand um sein Anliegen kümmert und er nicht abgewimmelt wird.
WOLL: Haben Sie auch so eine Situation erlebt, Frau Prenzel?
Monika Prenzel: Das war ganz gravierend, als der Orkan Kyrill unsere Wälder und Ortschaften verwüstete. Herr Halbe war schon auf einem Außentermin und jeder wollte natürlich den Bürgermeister sprechen, weil beispielsweise der Strom ausgefallen war. Da musste man schon versuchen, die Ruhe zu bewahren.
Anke Sibert: Im Normalfall bekommt man die Leute dazu, sich zu beruhigen. Oft kennt man sie auch persönlich. Wichtig ist der schon angesprochene Punkt der Verbindlichkeit. Dann sind die Leute eigentlich beruhigt. Also auch, wenn der Bürgermeister nicht da ist und nicht sofort zu sprechen ist.
Verschwiegenheit ist wichtig
WOLL: Welche Eigenschaften muss eine Gemeindesekretärin, außer Ruhe und Verbindlichkeit, noch haben? Gudrun Kobilke: Man sollte ein freundliches Auftreten haben. Das ist selbstverständlich. Und Verschwiegenheit ist eine der wichtigsten Eigenschaften.
WOLL: Ist es schwierig, verschwiegen zu sein?
Anke Sibert: Für mich nicht. Es gibt Menschen, die sehr mitteilungsbedürftig sind. Als Vertraute des Bürgermeisters hat man ein Wissen, welches die Kolleginnen und Kollegen nicht haben. Es kann schwierig sein, freundlich mitzuteilen, dass es nichts zu sagen gibt. Als Sekretärin sitzt man zwischen den Stühlen und ist auf die Hilfe anderer angewiesen. Wenn man als „Kneifzange“ verschrien ist, bekommt man im Bedarfsfall keine Unterstützung.
WOLL: Jetzt sprechen wir die ganze Zeit über Bürgermeister. Dachten sie schon mal, dass es besser wäre, eine Frau an dieser Stelle zu haben?
Anke Sibert: Ich muss ehrlich sagen, ich sehe auf dieser Position in erster Linie die Person, nicht den Mann oder die Frau.
Ereignisse, die in Erinnerung bleiben
WOLL: Gibt es einmalige und herausragende Ereignisse, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Gudrun Kobilke: Innerhalb von 40 Jahren gibt es viele herausragende Ereignisse. Eines war für mich die Gründung der Partnerschaft mit der Stadt Kisbér in Ungarn auf Vermittlung von Cszilla Freifrau von Böselager, bei einer Feierstunde anlässlich des erstmalig am 3. Oktober gefeierten Tages der Deutschen Einheit. Als Partnerschaftsbeauftragte begleitete ich viele unterschiedliche Begegnungen und interessante Veranstaltungen. Dadurch war ich mit vielen anderen an der Entwicklung der Partnerschaft beteiligt.
WOLL: Frau Prenzel, welches war Ihr großes Ereignis?
Monika Prenzel: 2007 ist der SauerlandRadring eröffnet worden. Da war Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Schmallenberg und ist mit Herrn Halbe auf dieser Strecke bis Dorlar geradelt. Zusammen mit einem Kollegen hatte ich die Organisation von Begrü.ung und Umtrunk übernommen. Es hat reibungslos funktioniert. Aber im Vorfeld war man schon sehr nervös. Anke Sibert: Und letztendlich sind es genau diese Ereignisse, die am meisten in Erinnerung bleiben. Ich denke da an das 775-jährige Stadtjubiläum und die Aktion „WDR 2 für eine Stadt“. Bei Letzterem blieb uns sehr wenig Zeit für die Organisation. Viel Aufregung vorher, und dann doch ein perfektes Ende hinzukriegen, das bleibt einem positiv im Gedächtnis.
WOLL: Das hauptamtliche Bürgermeisteramt ist eine politische Sache. Muss man als Sekretärin dieselbe politische Richtung vertreten?
Gudrun Kobilke: Man muss kein Parteimitglied sein.
WOLL: Die Aufgaben einer Gemeindesekretärin haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Frau Kobilke wurde noch als Stenotypistin ausgebildet. Wie ist das bei den anderen?
Anke Sibert: Das habe ich gar nicht mehr gelernt.
Monika Prenzel: Ich habe Steno gelernt und es für Telefonnachrichten, oder zur Mitschrift von Telefongesprächen genutzt.
WOLL: Ist das heute noch so, dass der Bürgermeister auf Band diktiert?
Anke Sibert: Der Bürgermeister kann inzwischen ins Mikrofon diktieren und sieht den Text direkt vor sich. Im Sekretariat wird die Datei „schön“ gemacht und formatiert. Vor ein paar Jahren war es mit der Spracherkennung noch schwierig, aber jetzt kann man das quasi eins zu eins übernehmen. Es besteht immer noch die Möglichkeit, eine Audiodatei zu erzeugen, aber nicht mehr auf einer Kassette in so einer rauschigen Qualität. Die Digitalisierung kommt mit großen Schritten.
WOLL: Was wird auf die Mitarbeiterin im Bürgermeistervorzimmer in Zukunft zukommen?
Gudrun Kobilke: Die Digitalisierung wird natürlich voranschreiten, Stichwort „digitale Akte“. Die E-Rechnung sollte letztes Jahr eingeführt werden, aber durch Corona ist das verschoben worden. Daran arbeitet man jetzt verstärkt. Ich halte esfür sehr wichtig, sich ständig fortzubilden, um am Puls der Zeit zu bleiben.
Anke Sibert: Der digitale E-Aktenplan und das Dokumentenmanagementsystem sind in Vorbereitung. Mit unserem Bürgerportal sind wir gut aufgestellt. Wir haben über 60 Online-Anträge, die auch online gestellt werden können. Ich wünsche mir das papierlose Büro. Auch im Vorzimmer haben wir Vieles digitalisiert. Wenn Telefonate reinkommen, habe ich ein Headset und trage die Aufgaben direkt bei Outlook ein. Informationen oder E-Mails kann man anhängen. So hat man alles direkt zusammen. Wenn jemand nicht da ist, wissen alle Kolleginnen, was passiert ist, und können alles gleich nachvollziehen.
Gudrun Kobilke: Durch Corona wurde die Video-Konferenz selbstverständlich. Innerhalb des Rathauses wurden Besprechungen per Video-Konferenz durchgeführt. Monika Prenzel: Ich denke schon, dass die Digitalisierung mittlerweile einen großen Raum einnimmt. Das fing mit der E-Mail an. Und die ist ja heute gang und gäbe. Nicht nur Beruf, sondern Berufung.
WOLL: Stichwort Augen auf bei der Berufswahl. Denken Sie, dass Sie sich richtig entschieden haben?
Gudrun Kubilke: Auf jeden Fall. Ich finde es schön, dass bei unserem Gespräch klar geworden ist, dass wir alle drei den Beruf mit Herzblut ausgefüllt haben. Ich kann wirklich auf eine schöne und sehr interessante Zeit zurückblicken.
Monika Prenzel: Das kann ich nur unterstreichen. Es war eine spannende und schöne Arbeit. Mir war es auch immer wichtig, einen Job zu haben, wo man mit Menschen zusammenarbeitet, das habe ich ja eigentlich in allen Bereichen gemacht. Ob im Kindergarten oder in der Stadtverwaltung.
Anke Sibert: Ich habe schon als Kind mit Schreibblock und Telefon auf der Treppe gesessen und gewartet, dass es klingelt. Ich hatte eine Kinderpost mit Stempeln, damit konnte ich mich stundenlang beschäftigen. Als ich mich für die Stelle beworben habe, hat meine Mutter gesagt: „Das wundert mich nicht.“ Neben allem, was der Arbeitsplatz einem gibt, möchte ich auch die Kolleginnen und Kollegen nicht vergessen. Wenn es mal schnell gehen musste, waren sie es, die mich immer hilfsbereit unterstützt haben. Solch ein gutes Miteinander ist wichtig, damit man sich am Arbeitsplatz wohlfühlen kann.
WOLL: Vielen Dank für den Einblick in Ihr Berufsleben.