Revival nach Corona

Der WOLL-Blick aus Berlin

Von Jutta Falke-Ischinger – Foto: Hermann-J. Hoffe
Jutta Falke-Ischinger

Wenn Sie jetzt wetten müssten: Wird die Welt nach Corona (Impfstoff!) eine andere sein – oder wird das Pendel wieder zurückschlagen zu dem, was vor der Krise war?

Bei der Digitalisierung wäre das schade, denn soviel Online wie in Zeiten von Corona gab‘s noch nie: In Berlin laden Stiftungen und Unternehmenszentralen zu virtuellen Konferenzen, Verbandsvertreter schicken Invites zu digitalen Meet-ups oder zum virtuellen Tag der offenen Tür. Vorträge und Podcasts zu New Work oder der gender-gerechten Verteilung von Haushaltsaufgaben sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Krisentalk auf allen Kanälen.

Fernreisen und Inlandsflüge waren schon vor Corona in die Kritik geraten. Das Virus verschafft dem Klima nun eine kleine CO2-Verschnaufpause – einerseits. Andererseits erlebt der zuvor verteufelte Individualverkehr fröhliche Urstände. In Berlin wurde vor Corona alles getan, um KFZs zugunsten von Bus und Bahn aus dem Stadtbild zu verbannen. Inzwischen gelten auch dort U- und S-Bahn als Virenschleudern erster Klasse. Wer ein Auto hat, der fährt!

Auf dem Land brach die Liebe zum Auto ja nie wirklich ab. Statt aber das Streckennetz der Bahn auszubauen und den Güterverkehr mehr auf die Schiene zu bringen, investiert die öffentliche Hand dort in den Straßenbau. Die Großbaustelle in Bad Fredeburg schneidet eine mehrere Kilometer lange und 100 m breite Schneise der Verwüstung durch Wälder, Felder und Wiesen. Die Idee, den Ortskern zu entlasten (den Kommentar kann ich mir als alte Fredeburgerin nicht verkneifen), kommt spät und ist allein noch kein Rezept für die Wiederbelebung des einst blühenden Städtchens. Die Entscheidung der Stadtoberen für die falschen Kliniken hat dort schon lange das Sterben von Gastronomie und Einzelhandel befördert.

Doch vielleicht erlebt auch der Fredeburger Fremdenverkehr ein Corona-indiziertes Revival. Denn wer ist schon bereit, Reiselust auf virtuelles Browsen zu beschränken? Wer aus den Ballungsräumen von Rhein und Ruhr stammt und Flüge wie Grenzübertritte scheut, für den liegt Fredeburg tatsächlich nah. Vorausgesetzt, die Umgehungsstraße führt den Besucher nicht gleich weiträumig am Ort vorbei …

Aber im Ernst: Die Stimmung in Deutschland ist angespannt. Die Sorgen der Menschen und der Betriebe werden durch die sozialen Medien potenziert. Der Ton wird schriller, das Vertrauen in staatliches Handeln geringer. Jeder Trend erzeugt das Gegenteil desselben. Wer hier Recht hat, die Vorsichtigen unter den Länderchefs und Virologen oder die Forschen, wird so schnell niemand beantworten können. Eines wird erhalten bleiben: die neue Gewissheit, dass nichts sicher ist, was gestern noch galt.

Man kann sich nicht darauf verlassen, dass andere, die Bundeskanzlerin oder der Ministerpräsident, Vorgaben machen, die die Zukunft retten.

Jedes Unternehmen, jede Familie, jeder Einzelne ist auf sich selbst zurückgeworfen, auf seine Strategie für die Krise – und das Danach. Selbst wenn es staatliche Hilfen gibt – die Hauptverantwortung für die Zukunft kann nicht delegiert werden. Sie muss von jedem und jeder täglich neu errungen werden: mit Phantasie, Flexibilität und Beharrlichkeit: Yes we can!