Quelle: Familie Hogeveen
Niederländer Dr. Hans Hoogeveen über seine Tätigkeit und die Erholung im Sauerland
Hoogeveen befasst sich mit großen und weltweiten Herausforderungen. Doch immer gerne ist er mit der Familie in seiner Ferienwohnung in Schanze im Sauerland, wo er sich inspirieren lässt. Im Gespräch mit dem WOLL-Magazin ging es um das Sauerland, über Schanze und Umgebung und seine Arbeit bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO.
WOLL: Wie sind Sie mit Ihrer Familie im Sauerland, genauer gesagt in Schanze gelandet?
Hans Hoogeveen: Udo Jürgens hat es in dem schönen Lied „Zeig mir den Platz an der Sonne …“ treffend formuliert. Das symbolisiert für mich und meine Familie Schanze. Wir sind tatsächlich zufällig in Schanze gelandet. Wir lieben die Berge und sind im Sommer immer über die Sauerlandroute nach Österreich gefahren. Meiner Frau gefiel die Aussicht von der A45 auf das Sauerland. Sie wollte gerne einmal nach links abbiegen. Deshalb buchte sie für uns ein Wochenende in Grafschaft. Das Schild „Skihütte“ in der Mitte von Grafschaft führte uns ganz schnell nach Schanze. Seitdem sind wir jedes Jahr wiedergekommen, sowohl nach Schanze als auch zur Skihütte. Unser Haus mit einer wunderschönen Aussicht über Wiesen, Wälder und Berge wurde uns praktisch in den Schoß gelegt und ist zu einem echten Zuhause geworden. Das ist es für unseren, inzwischen erwachsenen Sohn Martijn – der hier den nötigen Freiraum hat um seine Hobbys zu entwickeln – und für uns selbst. In Schanze finden wir Ruhe, Frieden und Natur, einen Ort, an dem man ganz zu sich selbst kommen kann, und wo man sich auch wieder inspirieren lässt.
WOLL: Warum finden Sie es wichtig, sich immer wieder inspirieren zu lassen?
Hans Hoogeveen: Diese Inspiration kann ich für meine Arbeit gut nutzen. Im Juni 2021 bin ich von den 194 UNMitgliedsstaaten der FAO zum Präsidenten des Rates der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gewählt worden. Dies ist der Exekutiv-Rat der FAO, in dem alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Davor war ich fünf Jahre lang Botschafter der Niederlande bei den UN-Organisationen (FAO, WFP und IFAD) in Rom und neun Jahre lang Generaldirektor für Landwirtschaft und Natur (stellvertretender Minister) im Ministerium für Wirtschaft/Landwirtschaft, Lebensmittelqualität und Naturschutz in den Niederlanden. In meiner jetzigen Position befasse ich mich mit den größten Herausforderungen, denen wir weltweit gegenüberstehen: Klimawandel, Hunger und Unterernährung. Alleine als Folge von COVID-19 ist die Zahl der Hungernden im vergangenen Jahr um mehr als 160 Millionen Menschen gestiegen. Die Menschen machen Urlaub im Weltraum, während gleichzeitig mehr als 800 Millionen Menschen weltweit hungern müssen. Drei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicheren, gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln. Gleichzeitig sind mehr als 2 Milliarden Menschen übergewichtig. Mehr als 150 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden an Unterernährung und Wachstumsstörungen. Gleichzeitig verlieren und verschwenden wir jedes Jahr mehr als ein Drittel der von uns produzierten Lebensmittel. Das hat einen Wert von 1 Trillion Dollar. Die Widersprüche sind also sehr groß. Die FAO versucht, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden.
WOLL: Was genau machen Sie bei der FAO?
Hans Hoogeveen: Meine tägliche Arbeit besteht darin, die wichtigen Entscheidungen vorzubereiten und mit den 194 UN-Mitgliedsstaaten der FAO zu verhandeln. Dazu gehören Fragen der Ernährungssicherheit, der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, der nachhaltigen Fischerei und der genetischen Ressourcen. Die Standards für die Lebensmittelsicherheit werden zum Beispiel von der FAO in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt. Außerdem bereite ich Initiativen vor oder bin an solchen beteiligt, wie zum Beispiel die Einrichtung einer ‚Global Facility‘ mit der Weltbank zur Förderung von Unternehmensinvestitionen in verschiedenen Entwicklungsländern, um Lebensmittelverluste zu verringern. Die Investitionen zielen auf bessere Erntetechniken, besseres Verpackungsmaterial und bessere Lagermöglichkeiten ab. Außerdem entwickeln wir ein globales System zur finanziellen Unterstützung von Landwirten, die klimafreundlich
produzieren (Carbon Credit System). Landwirte sind wichtig
WOLL: Wie wichtig sind die Landwirte? Jetzt und in Zukunft?
Hans Hoogeveen: Meine erste Bemerkung: Schanze ist nicht nur ein großartiger Ort um seine Batterien aufzuladen, Schanze zeigt uns auch, wozu und wie man das tut. Wir kaufen unser Fleisch bei der Metzgerei in Schmallenberg. Das Fleisch kommt aus der Region und der Metzger weiß genau von welchem Hof es stammt. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch gut für unser Klima. Ich sehe auch immer mehr Landwirte, die der Natur und der nachhaltigen Waldbewirtschaftung mehr Aufmerksamkeit schenken und damit einen wichtigen Beitrag zu unserer Artenvielfalt leisten. Zweitens: wir müssen uns bewusst machen, dass wir im Jahr 2050 mehr als 10 Milliarden Menschen ernähren müssen. Das bedeutet, dass wir unsere Landwirtschaft und unsere Lebensmittelsysteme weiter nachhaltig gestalten müssen. Das fängt schon beim Landwirt an. In den Niederlanden und vor allem im Sauerland habe ich gesehen, wie wichtig unsere Landwirte für diese Aufgabe sind und wie gut sie ihre Arbeit machen. Schließlich stehen sie am Anfang der Nahrungskette. Und leider bekommen sie dafür nicht immer den Preis und die Wertschätzung, die sie verdienen. Dass man im Sauerland mit eigenen Augen sehen kann, dass Nachhaltigkeit, Regionalität und saisonale Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen, ist inspirierend!
WOLL: Und wie sieht Ihre Wertschätzung für das Höhendorf Schanze aus, wenn Sie mit der Familie die Zeit in der Ferienwohnung genießen?
Hans Hoogeveen: Was gibt es Schöneres, als zum Beispiel nach intensiven Verhandlungen, in der Schanzer Sonne oder im Schnee ein Weizenbier, einen Schanzengeist oder ein Glas Wein in der Skihütte zu trinken? Dabei den spielenden Kindern auf der Wiese zusehen, die reine Luft und die Natur auf sich wirken lassen und die herzliche Gastfreundschaft von Sandra und Michael zu genießen.