Pittjes – ein Nachtwächter lebt Attendorn

heimatverbunden – authentisch – erfrischend ehrlich

Er ist bekannt wie ein altes Zirkuspferd, schließlich war und ist er in vielen Vereinen engagiert, war Schützenkönig, Prinz Karneval und jahrelanges Ratsmitglied. Sein Spitzname hat sich im Laufe der Jahre regelrecht zu einer Marke etabliert und seine Begeisterung und Heimatverbundenheit gibt Pittjes, alias Peter Höffer, bei seinen Stadtführungen an die Gäste weiter.

Der Schalk sitzt mit am Tisch und nach drei Sätzen kann Pittjes seine Sauerländer Herkunft nicht mehr verleugnen. Will er auch gar nicht. Peter Höffer ist in Attendorn geboren, aufgewachsen und fest verwurzelt. So fest, dass er schon nach vier Tagen Urlaub Heimweh bekommt. Wer steckt hinter Pittjes? Was macht Attendorn so liebenswert und warum ist die Heimatgeschichte wichtig?

WOLL: Was mögen Sie an Attendorn?
Pittjes:
Hier funktioniert das Miteinander, damals wie heute. Ich mag die Gemeinschaft, das Vereinsleben, die verschiedenen Brauchtümer, wie das Osterfeuer und Semmelsegnen, Karneval und Schützenfest. Das Schöne ist, dass die Traditionen einfach von Generation zu Generation weitergegeben werden, man wächst als Kind quasi da rein und macht einfach mit. Aber auch Zugezogene sind herzlich willkommen, an allen Brauchtümern teilzunehmen, Nachwuchsprobleme gibt es hier nicht. Attendorn hat viel zu bieten: Brauchtum, Wirtschaft und Natur – dreimalig einmalig eben.

WOLL: Gibt es etwas, das Ihnen an Ihrer Stadt nicht so sehr gefällt?
Pittjes:
Sicherlich gibt es das ein oder andere, was ich nicht so prickelnd finde. Ein Beispiel ist der Karneval. Heute wird anders gefeiert, es ist lauter und viele sind nicht mehr bereit, zuzuhören. Der Wortbeitrag gerät ins Hintertreffen und das macht mich traurig.

WOLL: Woher kommt das Interesse an der Stadtgeschichte und wie sind Sie Stadtführer geworden?
Pittjes:
In der Schule hat unser Lehrer Boos sehr anschaulich Heimatkunde unterrichtet und quasi alle Fächer immer irgendwie mit der Stadtgeschichte verknüpft. Ich denke, dass mich das geprägt und damals schon mein Interesse an der Heimatgeschichte geweckt hat.

Nach 25 Jahren als Werkzeugmacher habe ich 1994 die Stelle als Hausmeister und Kustos (Hüter der Schätze) im Südsauerlandmuseum angetreten. Damit habe ich meine Begeisterung für die Geschichte mit meinem Beruf verbunden. Hauptsächlich war ich für die Technik sowie den Auf- und Abbau von Ausstellungen zuständig, habe aber auch selber Führungen angeboten, bis ich vor knapp zwei Jahren in Rente gegangen bin. Mit der Zeit habe ich mir so mehr und mehr Wissen angeeignet.

Vor fünf Jahren habe ich die Nachtwächterführungen von meinem Vorgänger Dieter Auert übernommen, der dieses Amt viele Jahre bekleidet hat. Und seit einigen Jahren ist auch Andrea Striesberg als Marktfrau Hulda unterwegs.


WOLL: Warum ist es wichtig, sich mit der Geschichte der eigenen Stadt auseinanderzusetzen?
Pittjes:
Ich finde es wichtig, zu wissen, wo man lebt. Aber auch für Touristen ist es interessant, etwas über die Stadtgeschichte von Attendorn zu erfahren. Wir können aus der Geschichte lernen und viele Dinge zukünftig besser machen. Ich selber habe schon viele Führungen in anderen Städten mitgemacht, man kann nur dazulernen.

WOLL: Wird Ihnen das nie langweilig, schließlich wiederholen sich ja Orte und Erzählungen bei den Führungen zwangsläufig?
Pittjes:
Nein, langweilig wird es nie, da die Gruppen immer sehr verschieden und daher auch die Fragen und Reaktionen immer andere sind. Am liebsten habe ich lebhafte Gruppen und Schulklassen. Und jedes Mal auf Neue muss ich mich zuerst rantasten und abwägen, was ich wie erzählen kann oder besser nicht. Mit den Jahren entwickelt man schon eine gute Menschenkenntnis, aber es kam auch schon vor, dass mein Gefoppe nicht gut ankam: Dass die Attendorner eine gewisse Zuneigung zu unserer geliebten Kreisstadt Olpe haben, ist ja bekannt. Das Muloppen gehört nun mal dazu. Nur sollte man vorsichtig sein, denn nicht jeder versteht es, auf hohem Niveau zu foppen.
WOLL: Was müssen Sie als Stadtführer können und welche Fehler sollten Sie vermeiden?
Pittjes:
Ich darf die Gäste nicht mit Jahreszahlen überfrachten, dann schalten sie irgendwann ab. Als Stadtführer muss ich mich genau positionieren, mit dem Bauwerk im Rücken und zu den Menschen sprechen. Außerdem muss ich immer auf die Gäste, ihre Fragen, Wünsche und Ansprüche eingehen. Die Präsentation ist die eine Sache, das Rüstzeug ist aber das Fachwissen, das man sich zwingend vorher aneignen muss.

Die Begeisterung von seiner Heimat wird bei der Stadtführung sofort deutlich. In wenigen Augenblicken hat Pittjes die Teilnehmer in seinen Bann gezogen und vermittelt mit großem Enthusiasmus – kurzweilig und mit Anekdoten und Vertellekes gespickt – die Stadtgeschichte von Attendorn, immer wieder unterbrochen von Bekannten, die ihn im Vorbeigehen grüßen oder muloppen. Ein altes Zirkuspferd eben.