Parkinson mit Tischtennis die Stirn bieten

Quelle: Andy Koch

Weltmeistertitel für Andy Koch und Thorsten Wottrich vom TTC Wenden

Das Parkinson-Syndrom, umgangssprachlich als „Schüttel-Lähmung“ bekannt, gehört neben Alzheimer zu einer der häufigsten Erkrankungen des Zentralnervensystems. Dabei sterben bestimmte, dopaminproduzierende Nervenzellen ab. Bewegungsstörungen, verlangsamte Bewegungen, steife Muskeln und Muskelzittern sind die möglichen Folgen. Mit einer Diagnose werden die Betroffenen vor die Herausforderung gestellt, den Alltag mit dieser Krankheit zu bewältigen, so wie Andy Koch und Thorsten Wottrich. Beide leiden an der Nervenkrankheit. Tischtennis hilft ihnen dabei, weiterhin ein aktives Leben zu führen. Die schnellste Rückschlagsportart der Welt im Kampf gegen Parkinson? Unbedingt!

Bei Thorsten Wottrich aus Marienheide wurde vor 17 Jahren Parkinson diagnostiziert. Doch aufgeben war für den heute 56-Jährigen keine Option. „Nach dieser Diagnose wollte ich mich nicht hängen lassen und aktiv bleiben“, berichtet er von seiner Motivation, der Krankheit nicht die Kontrolle über sein Leben zu überlassen. „Ich habe lange aktiv Handball gespielt und suchte eine neue Sportart, die meiner neuen Situation entgegenkommt.“ Zufällig stieß er in einem Zeitungsartikel auf die positiven Effekte von Tischtennis auf die Reaktionsfähigkeit und besuchte erstmals das Training des Tischtennisclubs (TTC) Wenden, der seit 2023 eine Trainingsgruppe für Menschen mit Parkinson anbietet. Dort trainiert er mit Andy Koch, einem langjährigen Freund, den er beim Parkinson-Stammtisch in Olpe kennenlernte.

Gründung des Stützpunktes Wenden

Der Elektroingenieur Andy Koch gründete den Stützpunkt Wenden als Teil des Selbsthilfenetzwerks PingPongParkinson, das etwa 250 Stützpunkte in ganz Deutschland mit über 2.500 Mitgliedern umfasst. „Ich stieß zufällig auf eine Anzeige von Anett Otto, die dazu aufrief, trotz Parkinson am Tischtennistraining teilzunehmen“, erinnert sich der 53-Jährige. Nach einem längeren Telefonat mit ihr und der damaligen Landesleiterin Silke Kind gründete er den Stützpunkt Wenden. „Eigentlich nur, weil der nächstgelegene Stützpunkt für mich zu weit entfernt war, um dort zweimal pro Woche zu trainieren“, erzählt Andy von den Anfängen der besonderen, von ihm ins Leben gerufenen Trainingsgruppe des TTC Wenden. Was zunächst aus einem praktischen Bedürfnis entstand, entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte: Wer konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass damit der Grundstein für ein integratives Miteinander und den Gewinn zahlreicher Meisterschaften gelegt wurde?

Training im Verein: gelebte Inklusion

Im Tischtennisclub Wenden trainieren von den 100 Mitgliedern des Vereins etwa 50 Mitglieder in sechs Herrenmannschaften und zwei Jugendmannschaften, darunter acht Sportlerinnen und Sportler mit Parkinson. Das Training steht dabei ganz im Zeichen der Gemeinschaft und Vielfalt. „Das Training für Parkinsonerkrankte unterscheidet sich kaum vom regulären Training. Zwei Spieler spielen sich den Ball zu, man versucht etwas Sicherheit in sein Spiel zu bekommen und fordert sich auch mal zu einem Match heraus. Der Unterschied liegt vor allem in der Geschwindigkeit der Bewegungen der Spieler. Es geht alles etwas langsamer vonstatten und das Bälle holen, Aufschlagen und die Ballwechsel sind beschwerlicher“, erläutert Andy. Dabei trainieren die Erkrankten nicht nur unter sich, sondern auch in gemischten Gruppen, was die Verbundenheit im Verein stärkt. „Wir haben eine starke Gemeinschaft, in der alle herzlich aufgenommen und unterstützt werden. Niemand wird ausgegrenzt“, freut sich Thorsten Wottrich über die gelebte Inklusion und die sportliche Solidarität im Verein. „Es ist unglaublich berührend, wie sich alle mit uns über unsere Titel gefreut haben.“

Quelle: Andy Koch

Weltmeisterlich an der Platte

Im Frühjahr letzten Jahres krönte Andy gemeinsam mit Andrea Müllner seine sportliche Laufbahn mit dem Titel der Deutschen Meisterschaft im Mixed, Thorsten und Anett wurden Dritter. Andy und Thorsten konnten im Herbst sogar den Weltmeistertitel im Herrendoppel erringen. Gemeinsam mit Anett Otto aus ihrem Verein und 300 Erkrankten aus 24 Nationen machten sie sich im Oktober auf den Weg nach Lasko in Slowenien. Die Weltmeisterschaft wird in verschiedenen Klassen ausgetragen, die sowohl die Tischtennis-Erfahrung als auch die Schwere der Erkrankung berücksichtigt. Dabei spielen in Klasse 1 die fortgeschrittensten Spieler mit wenig Symptomen und in Klasse 3 die Anfänger mit schweren Symptomen. In dieser Klasse traten Andy, Thorsten und Anett an. Sie kehren mit insgesamt fünf Medaillen zurück nach Hause. „Die Stimmung bei einem solchen Turnier ist entspannt und familiär. Viele Teilnehmer kennen sich aus vergangenen Wettkämpfen und man fiebert bei jedem mit. Bis zum Viertelfinale sind wir selbst Schiedsrichter, nur im Halbfinale und Finale kommen neutrale Referees zum Einsatz. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, dort zu spielen, und dass ich mit Thorsten dann den Titel holen konnte … unbeschreiblich“, freut sich der dreifache Familienvater über diese besondere Auszeichnung und betont: „Unsere Familien sind unser Rückhalt. Sie unterstützen uns, wo immer es notwendig ist. Dafür sind wir unglaublich dankbar.“

Tischtennis als Mobilmacher

Doch auch ohne Titelambitionen bietet diese Sportart eine tolle Möglichkeit, aktiv zu werden und Gemeinschaft zu erleben „Wir möchten die Leute von der Couch holen und sie motivieren, aktiv am Leben teilzunehmen. Auch mit Parkinson sollte man sich nicht zu Hause verstecken und Bewegung in sein Leben bringen.“ Thorsten weiß um die Vorzüge seines Sportes: Laut verschiedener Studien wird die Reaktionsfähigkeit gesteigert, die sich auch im Alltag bezahlt macht. Thorsten ergänzt: „Zudem gibt es auffällige Verbesserungen beim Sprechen, Schreiben, Aufstehen und Gehen sowie in Bezug auf Gesichtsausdruck, Körperhaltung, und Langsamkeit der Bewegungen. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.“ Andy betont: „Unser Ziel ist es, den Mitspielerinnen und Mitspielern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.“

Ob mit oder ohne Parkinson – es lohnt sich, aufzustehen, zum Tischtennisschläger zu greifen und all die Vorzüge, die diesen Sport auszeichnen, zu erleben.

Quelle: WOLL Magazin