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„Der konjunkturelle Aufholprozess der letzten Monate ist nahezu zum Erliegen gekommen. Die zweite Infektionswelle und der harte Lockdown sind für viele Unternehmen ein harter Rückschlag. Die Hoffnung auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung ist zunächst verflogen, die Unsicherheit wächst wieder. Die Pandemie hat die Wirtschaft weiter im Würgegriff.“
Mit diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der im Januar durchgeführten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 572 Unternehmen mit mehr als 40.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten. Der Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung – steigt um 8 Punkte auf einen Wert von 100, bleibt jedoch deutlich unter dem Mittelwert der letzten 20 Jahre (105). Der Lagesaldo verbessert sich um 12 Punkte. Die negativen und positiven Einschätzungen halten sich die Waage. Die Erwartungen sind ebenfalls etwas optimistischer als im Herbst. Der Saldowert steigt um 5 Punkte. Felix G. Hensel: „Selten zuvor war die wirtschaftliche Situation innerhalb der und zwischen den Branchen derart unterschiedlich. In der Industrie, dem Großhandel und bei den Dienstleistern läuft es besser als in den vergangenen Monaten.
Die insgesamt ordentlichen Werte in Teilen der Industrie machen zwar Mut. In den Lockdown-geplagten Wirtschaftsbereichen, dem Gastgewerbe, dem Einzelhandel sowie der Kultur- und Event-Branche, ist die Stimmung indessen äußerst gereizt, ja fast schon düster. Sorge bereitet uns die weiterhin angespannte Finanzlage. Bei einigen Unternehmen ist ein quälendes Sterben auf Raten zu befürchten.“ 28 % der Unternehmen berichten von einem Rückgang ihres Eigenkapitals, 18 % haben mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Problematisch zudem: Im Vergleich zum Herbst hat sich die Finanzlage der Unternehmen nicht verbessert.
Derzeit wollen 14 % der Unternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe ihr Personal aufstocken, 25 % planen einen Personalabbau. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Das ist besser als im Herbst, aber alles andere als gut. Auch die Investitionsneigung ist übersichtlich. 28 % gehen von geringeren Investitionen aus, nur 20 % wollen mehr investieren. Das macht uns schon sehr nachdenklich. Gut, dass zumindest in Teilen der Industrie die positiven Meldungen wieder auf dem Vormarsch sind.“ Der Lagesaldo steigt um 30 Punkte. 29 % der Firmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage als gut, 24 % als schlecht. Im Herbst meldeten noch 41 % eine schlechte Geschäftslage. 28 % der Industrieunternehmen sehen optimistisch in die Zukunft, 20 % sind pessimistisch. Im Vergleich hierzu blickten im Herbst noch 31 % der Unternehmen sorgenvoll auf die kommenden Monate.
Die heimische Industrie arbeitet sich weiter aus der Krise heraus, ist jedoch noch deutlich vom Vorkrisenniveau entfernt. Hinzu kommt: Jedes vierte industrielle Unternehmen befindet sich weiterhin in schwierigem Fahrwasser. Insbesondere bei den Unternehmen der Metallerzeugung und des Maschinen- und Anlagenbaus überwiegen die negativen Lageeinschätzungen. Das sei für unsere Region problematisch, da diese beiden Wirtschaftszweige mit einem Umsatzanteil von 40 % und einem Beschäftigtenanteil von 34 % zu den Schlüsselbranchen der heimischen Industrie zählen, verdeutlicht Klaus Gräbener. „Dort, wo bei uns vor allem die Musik spielt, muss es bald wieder besser werden; ansonsten kann man sich an drei Fingern ausrechnen, was das für den Wirtschaftsstandort und die Beschäftigung bedeutet. Wer meint, mit Kurzarbeit allein ließe sich das Problem gewissermaßen aussitzen, hat den Ernst der Lage nicht hinreichend erfasst.“ Mut mache jedoch, dass auch in diesen Industriezweigen der Optimismus auf zukünftig bessere Geschäfte überwiege und die Auftragseingänge wieder anzögen.
IHK-Konjunkturexperte Stephan Häger: „Jedes vierte Industrieunternehmen meldet derzeit einen hohen Auftragsbestand. Im Herbst war es nur jedes Achte. Die Exporterwartungen steigen deutlich. Mit Blick auf das künftige Exportgeschäft zeigt sich die Industrie erleichtert über das in letzter Sekunde geschlossene Brexit-Abkommen, auch wenn der Handel noch nicht ohne Reibungsverluste verläuft. Zudem wächst nach dem Regierungswechsel in den USA die Hoffnung auf mehr Verlässlichkeit bei den internationalen Handelsbeziehungen.“
Der Bausektor kommt weiterhin außerordentlich gut durch die Corona-Krise. Knapp 98 % der befragten Baubetriebe geben eine gute oder befriedigende Geschäftslage an, nur etwa 2 % eine schlechte. Felix G. Hensel: „Vor allem im Wohnungsbau läuft es gut. Die Auslastung ist bei den meisten Unternehmen sehr ordentlich. Aber auch hier gilt: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Die Auftragspolster sind in Teilen nicht mehr so stark ausgeprägt. Auch kommen nicht alle Bausparten gleichermaßen gut durch die Krise. Insbesondere dem Wirtschaftsbau macht die negative Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu schaffen.“ Nur noch 40 % der Baubetriebe berichten von einem hohen Auftragsbestand. Daher überwiegen die pessimistischen Zukunftsaussichten. 34 % erwarten in den kommenden Monaten schlechtere Geschäfte, 8 % bessere. Zwei Fünftel rechnen mit einem Umsatzrückgang.
Der seit Anfang November geltende Lockdown hat den Einzelhandel und das Gastgewerbe in der umsatzstärksten Phase des Jahres massiv getroffen. Die Lageeinschätzungen stürzen auf historische Tiefststände. Zwei Drittel der Einzelhändler bewerten ihre Lage als schlecht. Im Gastgewerbe sind es sogar neun von zehn Unternehmen. Stephan Häger: „Die Stimmung sowohl im Einzelhandel als auch im Gastgewerbe ist in weiten Teilen perspektivlos und resignativ. Etlichen Händlern, Dienstleistern und Gastronomen fehlt eine staatliche Exit-Strategie aus dem Lockdown.“ Allerdings sehen auch 21 % der Händler ihre Geschäftslage als befriedigend an und 12 % berichten von guten Geschäften. Dabei zählen insbesondere der Onlinehandel, aber auch der Einzelhandel mit Lebensmitteln oder Drogeriewaren zu den Gewinnern. Der stationäre Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen oder Lederwaren, der die innerstädtischen Einkaufstandorte in besonderem Maße prägt, leidet dagegen erheblich. Klaus Gräbener: „Staatliche Hilfen, die nicht ankommen, verdienen ihren Namen nicht. Ankündigungen, denen keine Taten folgen, lösen kein Problem, steigern jedoch das Frustpotenzial. Schließlich berichten jeder zweite Gastronom und jeder dritte Einzelhändler von Liquiditätsengpässen. Einen Eigenkapitalrückgang melden 61 % der Gastronomen und 42 % der Einzelhändler. Mehr muss man eigentlich nicht mehr dazu sagen.“
Die Stimmung im Großhandel verharrt in etwa auf dem Herbstniveau. Während die Lagebeurteilung steigt, trüben sich die Zukunftserwartungen ein. 36 % der Großhändler bewerten ihre Lage als gut, 21 % als schlecht. Insbesondere der produktionsnahe Großhandel bewertet seine Lage deutlich besser als im Herbst. Der Saldowert steigt dort um 20 Punkte. Beim konsumnahen Großhandel steigt der Lagesaldo um 7 Punkte. Bei den Erwartungen überwiegen im Vergleich zum Herbst die pessimistischen Einschätzungen. Stephan Häger: „Etwa 40 % der Großhändler gehen in den kommenden Monaten von schlechteren Geschäften aus. Während beim konsumnahen Großhandel die Geschäftserwartungen deutlich positiv sind, überwiegen beim produktionsnahen Großhandel die negativen Einschätzungen.“
Auch die Dienstleistungsbranche tritt seit dem Herbst auf der Stelle. 28 % der Unternehmen melden eine gute Geschäftslage, 32 % eine schlechte. Der Lagesaldo sinkt leicht um 3 Punkte. Bei den Erwartungen überwiegen erstmals seit fast zwei Jahren wieder die optimistischen Einschätzungen. 30 % gehen von zukünftig besseren Geschäften aus, 26 % von schlechteren. Insgesamt ist der Aufholprozess der Dienstleister zum Stillstand gekommen. Insbesondere die Lageeinschätzung ist noch deutlich vom Vorkrisenniveau entfernt. Positiv ist, dass zwei von fünf Dienstleistern wieder mit steigenden Umsätzen rechnen.