WOLL blickt zurück
Dem Andenken an Friedhelm Pape (1947-2021) gewidmet.
In einer lesenswerten Veröffentlichung hat Pastor Ulrich Stipp die Etappen des Kirchbaus in Oberkirchen anhand der Bauinschriften rekonstruiert. Zunächst wurde der bestehende sehr schadhafte Turm im Westen renoviert. Eiserne Maueranker an dessen Außenwänden datieren diese Arbeiten in das Jahr 1663. Von dem Bau des völlig neu errichteten Langhauses kündet die Jahreszahl 1665 in der Sandsteineinfassung des Hauptportals. Die Arbeiten im Chorbereich der Kirche sind 1666 durchgeführt worden, dies legt ein Inschriftstein über der heutigen Sakristeitür nahe. Die Sakristei selber ist aber erst in der Zeit um 1780 errichtet worden. Damit erhielt die Oberkirchener Pfarrkirche 120 Jahre nach Baubeginn ihre heute vertraute Gestalt.
Die Ausstattung des Innenraums der Kirche zog sich ebenfalls über viele Jahre hin. Der Hochaltar wurde 1668 aufgerichtet. Ihm folgte der Bau der Kanzel. Deren Rückwand zeigt das Wappen des Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683), des Erbauers der Oberkirchener Pfarrkirche, mit der Jahreszahl 1673. Der unterste Querbalken der Orgelempore enthält schließlich mit der Inschrift „ANNO MDCCV“ (1705) eine weitere Zeitangabe. Da die Orgel nachweislich erst im Jahr 1736 gebaut wurde, bezieht sich die Jahresangabe 1705 klar auf die Errichtung der Empore.
In dem Querbalken der Empore findet sich eine weitere Inschrift, die jedoch lediglich aus acht Großbuchstaben besteht: „L B P I O M F F“. Zeitgenossen im frühen 18. Jahrhundert mögen deren Bedeutung gekannt haben. Pfarrer Stipp: „Für uns Heutigen sind sie ein Rätsel. Es wäre schön, wenn man es lösen könnte.“
Hubertus Freiherr von Fürstenberg (Bruchhausen) und zwei seiner Cousins haben nun entscheidende Hinweise zur möglichen Lösung des Oberkirchener Buchstabenrätsels gegeben. Demnach handelt es sich bei der Folge von Großbuchstaben um ein sog. Akronym, das aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammengesetzt ist. Sie halten zwei Erklärungsvarianten für möglich.
Die erste lautet: „L egatum B oni P atroni I mpensum O berkircheno M agni F erdinandi F urstenberg“. In der Übersetzung: Nachlaß des guten Patrons und großen Ferdinand von Fürstenberg für Oberkirchen. Dies würde bedeuten, daß der Erbauer der Kirche, der Paderborner Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg, vor seinem Tod im Jahr 1683 verfügt hätte, daß späterhin aus seinem Nachlass der Bau der Empore zu finanzieren sei. Dies ist jedoch sehr unwahrscheinlich. In dem äußerst umfangreichen Testament des Fürstbischofs, in dem selbst kleinste Legate (Schenkungen), etwa die für seine Diener, notifiziert wurden, findet sich kein Hinweis für eine Zuwendung zugunsten der Kirche in Oberkirchen.
Die zweite Hypothese lautet dagegen: Die 8 Buchstaben stehen für die Aussage „L ibero B arone P atrono I mpensum O berkircheno M agno F erdinando F urstenberg“. In der Übersetzung: Von dem Freiherrn und Schutzherrn, dem großen Ferdinand von Fürstenberg, gestiftet für Oberkirchen. Damit wäre der Neffe und Alleinerbe des Fürstbischofs, der ebenfalls Ferdinand von Fürstenberg hieß und von 1661 bis 1718 lebte, der Stifter der Empore. Für den jungen Ferdinand als Stifter spricht vor allem, daß er 1705, als die Empore in der Kirche errichtet wurde, tatsächlich der Stuhl- und Gerichtsherr in Oberkirchen war.
(Der Autor dankt Josef Gelberg/Soest für Assistenz in lateinischen Fragen)