„Nirgendwo sonst habe ich mein Gehör so geschult wie im Musikverein“

Quelle: privat

Uli Lettermann aus Olsberg-Bigge 

Er ist beides, Vollblut-Musiker wie Vollblut-Pädagoge: Mit seinem Saxophon-Quintett „Quintessence“ bringt der gebürtige Bigger Uli Lettermann rund um den Globus Klassik ganz neu interpretiert zu den Menschen. Die andere Zeit schult er als Dozent an der Paderborner Universität die Studierenden in Musiktheorie, Gehörbildung und Musikpädagogik. Seine Anfänge aber, die machte Uli Lettermann als junger Klarinettist im Musikverein Eintracht Olsberg.  

„Der Musikverein ist eine wichtige Ebene für mich gewesen. Nirgendwo sonst habe ich mein Gehör so geschult, wie dort“, sagt der begnadete Saxophonist. Damit ist er lange nicht allein. So sitzen immer wieder und auch zurzeit ein paar Studierende aus dem Sauerland in seinen Seminaren „und dies durch die Bank vielversprechende Talente“. Dann erzählt er ihnen gern von seiner Herkunft. „Ich trage das in die Welt, was mir wichtig ist. Immer, wenn ich spiele, transportiert sich damit auch ein bisschen Sauerland.“ Allerdings weit weg von Polka und Marsch. „Also ich habe wirklich schon lange keine Blasmusik mehr gespielt.“  

Der Künstler  

Klassik und Jazz – am liebsten frei und kombiniert – dafür brennt der Vater von drei volljährigen Söhnen. Er arrangiert die Stücke selbst, außerdem komponiert er schon seit Jahrzehnten. Im Sauerland gaben ihm seine musikbegeisterten Eltern die Werkzeuge für all dies mit. „Sie schickten mich weiter zum Klavierunterricht, auch, als ich viel lieber Fußball gespielt und kaum geübt habe. Und sie ließen mich klimpern, obwohl es meine Mutter manchmal tierisch genervt hat. Amüsant: Mein jüngster Sohn macht es heute genauso.“ Fand Uli Lettermann spannende Musikaufnahmen, spielte er so lange mit, bis er sie beherrschte. Erst auf der Klarinette, dann auf dem Sopransaxophon, das sein Lieblingsinstrument wurde, und mit dem er brilliert. Dies belegen eindrucksvoll zahlreiche Youtube-Aufnahmen, CDs, DVDs. 

Quelle: privat

Freiheit, neu denken, all dies ist „Quintessence“. Viel Bach, dann Beethoven, Vivaldi, Tschaikowski – für sein berühmtes Quintett hat sich Uli Lettermann an die größten Barock- und Klassikstücke getraut. Er hat sie neu arrangiert, verswingt und „entstaubt“, wie er sagt. Nach ihrem größten Auftritt im Bach-Jahr 2000 in Leipzig, erlebten die fünf Musiker, die in den 90ern in Paderborn starteten, ihren Durchbruch. „Wir standen mit Weltstars auf der Bühne und das Konzert wurde vom ZDF in 40 Länder übertragen. Das hat Türen geöffnet.“ Und zwar von Deutschland über Europa bis hin zu Tourneen durch die ganze Welt, von Amerika bis Südkorea. Zuletzt 2018 und 2019, vor der Pandemie, tourten sie pro Jahr für je 30 bis 40 Konzerte durch China. „Dort spielen wir hauptsächlich Beethovens Fünfte und füllen damit Mehrere-Tausender-Säle. Es ist unfassbar, was das auslöst. Jeder in China kennt die fünfte Sinfonie, sie gilt als der Inbegriff für Europäische Hochkultur. Die Menschen sind so dankbar und glücklich. Ich glaube, dass wir dieses Werk so interpretieren, macht gleichzeitig etwas mit ihnen. Sie sehen, dass auch ganz Altes verändert werden kann.“ 

Der Pädagoge 

Wie und vor allem wann konzertiert der Pädagoge? „In der vorlesungsfreien Zeit. Aber es war auch mal Spitz auf Knopf. Nach einem Konzert in Seoul hatten wir einen Nachtflug zurück, sind um fünf Uhr in der Frühe gelandet und um 9 Uhr war ich im Seminar. Das geht mal, wenn man jung ist und mit der Energie gut haushaltet.“ Und es geht, weil einfach alles genau so sein soll. „Ich bin froh, dass ich mein soziales Netz hier in Paderborn habe, aus dem ich rumfahren und in die ganze Welt reisen kann.“ Er ist eben auch mit Leib und Seele Musikpädagoge. Zwölf Jahre lang hat der 54-Jährige zunächst als Lehrer in Bielefeld und Paderborn die Fächer Musik und Deutsch unterrichtet. Auf die Anzeige zum Dozentenjob an der Uni stieß er zufällig, die Ausschreibung war wie auf ihn zugeschnitten. Er bekam die Stelle, für ihn „ein Sechser im Lotto“.  

Die ideale Kombi? 

Beides zu sein, Musiker und Pädagoge, ist das nicht auch mit Blick auf die soziale Sicherheit ideal? „Ich lebe den Studis ja vor, dass eine Kombination aus beiden Bereichen sehr ergiebig sein kann. Selbst mit einer halben Lehrerstelle kann gut überleben, wer halbwegs bescheiden ist. Was ich ihnen aber unbedingt vermittele, ist: Es funktioniert nicht, sich in der Schule als Musiker zu verwirklichen. Dort sollten sie vor allem Pädagoge sein und sich ihr musikalisches Ausdrucksbedürfnis außerhalb erfüllen.“  

Was für ein Vorbild! Da wollen alle im Seminar sicher gern viel mehr hören als den spröden Unterrichtsstoff, oder? „Ich spicke die Seminare immer mit Anekdötchen, weil ich glaube, es bringt was für die Studis. Wir haben viel Spaß miteinander. Aber ich achte drauf, dass ich mich nicht verzettele, dass die eigentliche Sache nicht zu kurz kommt.“ Also sind Künstler und Pädagoge immer gleichzeitig unterwegs? „Ja sicher, ich bin immer derselbe. Würde ich eine Art Maske aufsetzen, würden meine Schüler und Studenten das sofort merken. So funktioniert Unterrichten nicht. Ich bin überall Musiker und überall Vermittler. Es ist offensichtlich meins, dass ich Menschen, was ich tue, so gerne nahebringe, damit es sich mit ihrem Leben verbindet und etwas bei ihnen etwas auslöst. Wenn ich dazu beitragen kann, ist das doch wunderbar.“