Neuer Stadtarchivar für Schmallenberg

Blick von außen und mit jugendlicher Neugier

Hinter hohen Bücherstapeln, hunderten von Zeitschriften und anderen Schriftstücken versteckt, sitzt an einem alten, von einer antiken Lampe nur unzureichend ausgeleuchteten Schreibtisch ein mit Nickelbrille versehener, etwas merkwürdig anmutender Mann. So oder ähnlich stellt sich vielleicht der eineoder andere Zeitgenosse einen Archivar oder Stadtarchivar vor. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Nachdem der bisherige Stadtarchivar Dr. Günter Schulte im Herbst in den Ruhestand getreten ist, sollte diese Position neu besetzt werden. Für die ausgeschriebene Stelle des Stadtarchivars für die Stadt Schmallenberg hatten sich zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber gemeldet. Ein junger Mann vom Niederrhein, Tjark- Ole Keske (24), wurde letztendlich ausgewählt. Beim Besuch im Schmalen Haus, dem historischen Stadtarchiv der Stadt Schmallenberg, hat uns der neue Stadtarchivar einen Einblick in seine Arbeit gegeben und seine Ideen und Pläne erläutert.

Tjark-Ole Keske hat sechs Jahre lang Geschichte in Bonn studiert und nach drei Jahren zunächst den Bachelor-Abschluss abgelegt. „Da lernt man zunächst alles. Antike, Mittelalter und Neuzeit. Danach habe ich mich für ein Masterstudium für allgemeine Geschichte entschieden, mit dem Schwerpunkt Mittelalter. Ich habe einiges an mittelalterlichen Veranstaltungen zum 11. und 12. Jahrhundert belegt. Darüber habe ich dann auch meine Masterarbeit geschrieben“, erzählt der junge Stadtarchivar zu Beginn unseres Gespräches. Neben der mittelalterlichen Geschichte hat Keske noch Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts studiert. Ein Faible für das Archivthema hat Tjark-Ole Keske ab dem dritten Semester als studentische Hilfskraft im Archiv der Konrad Adenauer- Stiftung bekommen. Neben der Arbeit im Parteiarchiv der CDU hat er im Laufe des Studiums weitere Praktika absolviert, so im rheinisch-westfälischen Wirtschaftsmuseum in Köln und im Stadtarchiv in Bornheim. Stadtarchivar Keske: „Diese sechs Wochen haben den Ausschlag gegeben, warum ich jetzt hier bin. Die Arbeit in einem Kommunalarchiv ist nochmal etwas anderes als in einem Partei- oder Wirtschaftsarchiv. Die Tätigkeit in Bornheim fand ich sehr schön und abwechslungsreich. In der klassischen Archivarbeit, der Arbeit mit den Quellen, dem Erhalten und dem Verzeichnen, gehe ich auf. Aber das ist im normalen Arbeitsalltag allerhöchstens 50 Prozent der Arbeitszeit. Der Rest ist das, was nebenher anfällt, was man vorher nicht auf dem Schirm hatte.“

Nicht im dunklen Keller eingesperrt

Die Arbeit im Stadtarchiv bringt es mit sich, dass man häufig Kontakt mit Ämtern hat. Fast jeden Tag kommen auch Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, die zum Beispiel etwas über ihre Vorfahren wissen möchten. Tjark-Ole Keske: „Es gibt Tage, da bekomme ich fünf, sechs Anfragen von Leuten. Oder sie kommen vorbei, um Daten und Informationen zu erhalten. Es gibt aber auch Tage ganz ohne Anfragen. Da habe ich mehr Zeit für die klassische Archivarbeit.“ Dr. Günter Schulte hat den Neuen im Stadtarchiv vor seinem Ausscheiden über Wochen begleitet und im wahrsten Sinne des Wortes in die Tiefen der Archivbestände eingeführt. „Ich muss Herrn Dr. Schulte ausdrücklich loben, denn er hat einen sehr guten Job gemacht, was die Altbestände von Anfang 1800 bis 2020 angeht. Er hat quasi alles erfasst und damit verfügbar gemacht. Es sind jetzt nur noch private Nachlässe zu erfassen und zu ordnen, wie das Archiv des Heimatforschers Lauber“, berichtet der neue Stadtarchivar sichtlich erfreut.

Schmallenberger Sauerland kennenlernen

„Ich konnte zunächst mit der Region, dem Sauerland, nicht so viel anfangen. Vor dem Vorstellungsgespräch habe ich mich schlau gemacht. Was es hier gibt? Was man so machen kann? Wie ist die Geschichte? Aber so richtig hat dieser Lernprozess erst mit der Arbeit hier angefangen“, erzählt Tjark-Ole Keske. Interessant und äußerst spannend findet der Stadtarchivar, dass er die Arbeit, die er 39 Stunden in der Woche macht, mit dem Leben, das man nebenbei noch hat, wunderbar verknüpfen kann. Keske: „Vor allen Dingen, weil Schmallenberg sehr vielfältig ist. Ich denke hier vor allem an die 83 Ortsteile. Man denkt, Schmallenberg sei eine Stadt. Dann kommt man hierhin und es sind 83 Ortsteile, die alle eine unterschiedliche Geschichte haben und sich sehr stark voneinander unterscheiden, was Mentalität oder Geschichte angeht. Das ist schon sehr spannend.“

Mit den Heimatvereinen und den Ortsheimatpflegern steht der neue Stadtarchivar schon in Kontakt. „Ende August haben wir uns mit den Ortsheimatpflegern in Bad Fredeburg zum Gedanken- und Meinungsaustausch getroffen. Was ist wo los? Was könnte noch gemacht werden und was sollte man in Zukunft machen?“, erzählt der neue Archivar.

Vom Niederrhein ins Sauerland – und hierbleiben

Tjark-Ole Keske sieht seinen ersten Job als Stadtarchivar nicht nur als erste Arbeitsstelle, er will bleiben. „Ich habe mich ganz bewusst für diese Stelle in Schmallenberg entschieden. Alles, was ich, seitdem ich hier lebe, angefangen und mitbekommen habe, hat mich in der Hinsicht bestärkt. Die Kolleginnen und Kollegen, das Arbeitsumfeld, die Arbeit, die man hier hat, überzeugen mich total. Es ist fantastisch hier. Zum einen die Stadt selbst, zum anderen die schöne Natur, die Berge, das Wandern, und dass man hier, wenn man möchte, seine Ruhe hat.“

Die Entscheidung für Schmallenberg liegt neben der landschaftlichen Schönheit vor allem an der für einen Stadtarchivar vielfältigen Arbeit. Keske: „Zum Ende meines Studiums habe ich mich natürlich gefragt: Wo möchte ich mal arbeiten? Mir ging es dabei vor allem darum, nicht in einem großen Archiv zu arbeiten, wie einem Bundes- oder wie einem Landesarchiv. Oder in einem anderen Archiv, wo man mit zehn, fünfzehn Leuten in einem großen Büro sitzt und alle irgendwie das Gleiche machen. Ich wollte dort arbeiten, wo ich einen Unterschied mache, wo ich wirklich gebraucht werde. Und das ist hier der Fall. Weil ich quasi Einzelkämpfer bin und deswegen überall mit anpacken muss und anpacken will.“ Wenn man dem jungen Stadtarchivar vom Niederrhein, der jetzt im bergigen Sauerland seine erste Stelle angetreten hat, zuhört, bekommt man den Eindruck: Hier hat jemand seinen Traumjob gefunden. Und es gibt sogar etwas, das seinen Heimatort Kempen, die Studentenstadt Bonn und Schmallenberg verbindet. Das ist die kurkölnische geschichtliche Gemeinsamkeit.

Für die kommenden Jahre hat sich Tjark- Ole Keske unter anderem vorgenommen, das Stadtarchiv Schmallenberg präsenter zu machen. „Es ist ja nicht nur die Aufgabe des Archivs, zu sammeln und zu verwahren, sondern auch, die gesammelten Stücke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ Hierzu wird es ab dieser WOLL-Ausgabe gehören, jeweils einen Beitrag aus dem Archiv der Öffentlichkeit vorzustellen. Stadtarchivar Keske: „Wenn man den Leuten etwas vorstellt und zeigt, was man machen kann, dann weckt das hoffentlich bei einigen die Lust, sich mit der eigenen oder der Geschichte des Ortes zu beschäftigen.“

Da fällt einem schnell noch das Zitat eines früheren Bundeskanzlers ein:

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ (Helmut Kohl)