Mutter Hilde spielte „Im weißen Rössl“ – Sohn Bernd managte die „documenta“

„Klassik – Pop – et cetera“ im Deutschlandfunk. Bernd Leifeld kam mit einem Wäschekorb mit alten Schallplatten ins Studio. Die Sendung ging unter die Haut.

Quelle: DLF/Gnann

Die einmalige Theater- und Kunstkarriere des Bernd Leifeld aus Heggen

Seine Mutter Hilde war ein Theater-Talent. Sie spielte im Nachkriegs-Heggen u. a. in der Operette „Im weißen Rössl“ die Hauptrolle und wurde vom Publikum gefeiert. Es war die Zeit, als der „Theaterverein 1924 Heggen“ wegen der zerstörten Schützenhalle mit der Aufführung in den Saal der Gaststätte Albert Wilmes ausweichen musste. Weil dort aber „nur“ 200 Zuschauer Platz hatten, wurde an einem Tag gleich dreimal hintereinander gespielt. So groß war der Andrang. „Hilde hat das nichts ausgemacht. Im Gegenteil. Sie hat den tobenden Beifall jedes Mal genossen“, berichten Zeitzeugen noch heute und behaupten: „Von ihr hat er das Talent!“

Er – das ist Bernd Leifeld, geboren 1949 in Heggen im Kreis Olpe. Einzelkind. Seine Eltern: Heinz und Hilde Leifeld, die über viele Jahre eine Bäckerei und einen Lebensmittel-Laden im Dorf hatten. „Unsere Eltern waren befreundet“, erzählt Dr. Hubertus Sangermann (geb. 1948 – Jurist), ebenfalls Heggener, und erinnert sich bestens an seine Kindheit mit Bernd: „Er war der Puppenspieler hinter einer Gardine, und ich saß davor und musste klatschen – dass er zum Theater ging, war die logische Folge!“

War sie tatsächlich. Unterstützt vor allem von seiner Mutter Hilde, die von Anfang an großes Verständnis für die künstlerischen Berufsziele des Sohnes hatte. Nach dem Studium der Germanistik, Pädagogik und Theaterwissenschaften in Köln und Berlin arbeitete Leifeld zunächst als Dramaturg: bei den Wuppertaler Bühnen, den Ruhrfestspielen Recklinghausen und im Staatstheater Kassel, wo er schließlich zum Schauspieldirektor ernannt wurde. Er war Intendant des Landestheaters Württemberg-Hohenzollern in Tübingen und anschließend Schauspieldirektor des Theaters Basel.

Was danach passierte, war spektakulär: Leifeld wechselte die Seiten. Er wurde Geschäftsführer der documenta in Kassel, eine der weltweit größten internationalen Kunst-Ausstellungen, die der Kunst der Gegenwart alle fünf Jahre eine internationale Plattform bietet. Zufall oder Kalkül? Leifeld: „Es war Zufall, dass man für die Ausstellung einen neuen Geschäftsführer suchte, als mein Vertrag am Theater in Basel auslief. Die Tätigkeit als Intendant hat mir dabei sehr geholfen. Ich war immer schon ein ‚Brückenbauer‘ zwischen den Künstlern und dem Publikum, zwischen der Kunst und der Politik. Ich fühlte mich nicht als ‚Verwalter‘, sondern als ‚Ermöglicher‘ – eine wunderbare Aufgabe.“

Bernd Leifeld: „In diesem Gebäude in Kassel war mein Büro. Es handelt sich um das Museum Fridericianum, das erste öffentlich zugängliche Museum auf dem europäischen Kontinent (1779). Hier fand auch die erste documenta im Jahre 1955 statt.“Quelle: privat
Bernd Leifeld: „In diesem Gebäude in Kassel war mein Büro. Es handelt sich um das Museum Fridericianum, das erste öffentlich zugängliche Museum auf dem europäischen Kontinent (1779). Hier fand auch die erste documenta im Jahre 1955 statt.“

Dass ihm diese Rolle in fast 20 Jahren rundum gelungen ist, wurde von höchster Stelle gewürdigt: Hortensia Völckers, die künstlerische Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, sagte bei Leifelds Verabschiedung in den Ruhestand: „Der Künstler ist ein Solist, ist ein einsamer, ist ein schwacher und die Institution ist immer stark. Für Bernd war es eine Leitlinie, die Institution nicht zu übertreiben, sondern mit dem Künstler zu denken!“

Als er mit „großem Bahnhof“, tollen Dankesreden und langanhaltendem Beifall 2014 in Kassel verabschiedet wurde, saß mitten im Publikum auch seine Mutter Hilde, die eigens aus Heggen angereist war. Aufmerksam und voller Zufriedenheit lauschte sie den Lobeshymnen auf ihren Sohn. Als der schließlich selber das Mikrofon in die Hand nahm, überraschte er sie und seine Gäste mit den Worten: „Meine Mutter ist 93 – und sieht jetzt, wie ihr Sohn in Rente geht!“ Das löste bei den 300 Gästen einen Riesen-Lacher und großen Beifall aus. Doch der gehörte diesmal Mutter Hilde, die sich herzlich darüber freute.

Wie das ist, wenn er nun so plötzlich über 70 ist und auf sein eigenes Leben zurückblickt? – Antwort Leifeld: „Noch kann ich es nicht realisieren, dass ich ‚plötzlich‘ zur zweiten Risikogruppe in der Corona-Zeit gehöre. Dabei war ich immer der Jüngste: mit fünf Jahren in der Schule, mit 17 Abitur gemacht, mit 34 jüngster Theaterintendant Deutschlands.“

Als Jugendlicher schnupperte er zum ersten Mal Theaterluft in der Schützenhalle in Finnentrop: beim Gastspiel des Landestheaters Castrop-Rauxel mit Romeo und Julia. „Angela Winkler, heute ein Superstar des Theaters und des deutschen Films, war die Julia. Toll!“ – so schwärmt er noch heute.

An seine Jugendzeit denkt er sehr gerne zurück: „Ich erinnere mich vor allem an meine Fußball-Zeit beim SV 1928 Heggen und den Gewinn der Jugend-Kreismeisterschaft!“ Denn Leifeld war ein richtig guter Torwart und wurde dafür auch belohnt: 1965 durfte er mit der Olper Kreisauswahl an der Englandreise mit Spielen in Leeds, Sheffield und Hull teilnehmen, „ein großes Erlebnis, da wir die Vorspiele der Premier League-Begegnungen bestreiten konnten.“

Der Hessische Verdienstorden für den Kulturmanager Leifeld aus Heggen. Überreicht vom Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Volker Bouffier.Quelle: privat
Der Hessische Verdienstorden für den Kulturmanager Leifeld aus Heggen. Überreicht vom Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Volker Bouffier.


Wie wirkt die Fußball-Bundesliga in Corona-Zeiten auf ihn? „Seltsam fremd. Erst die Live-Zuschauer machen aus den technischen Abläufen ein Spiel – es ist wie beim Theater: Probe statt Vorstellung! Ich freue mich auf normale Zeiten.“

Der Theater-Mann und Kulturmanager ist bekennender „Schalke“-Fan und reiht sich damit in die eine Hälfte der Sauerländer ein. Mit der anderen, den „Borussen“, hat er nichts am Hut, obwohl das nicht so ganz stimmt. Denn einer seiner prominentesten Theater-Entdeckungen ist bekennender BVB-Fan und hat eine Dauerkarte im Dortmunder Stadion: Dietmar Bär, bekannt geworden in der Rolle als „Freddy Schenk“ im Kölner Tatort, wurde von Leifeld direkt von der Bochumer Schauspielschule nach Tübingen engagiert und begann dort seine Schauspielkarriere, wo der Sauerländer Theaterintendant war.

Und was macht der Kulturmanager Leifeld im Ruhestand? Er ist immer noch sehr gefragt. Kürzlich lud ihn der Deutschlandfunk als Gastmoderator und „Herr der Künste“ in seine Sendung „Klassik-Pop-et cetera“ ein. Es ist der Radio-Klassiker in Deutschland mit jeweils rund 500.000 Zuhörern und Zuhörerinnen am Samstagvormittag. Leifeld: „Ich hatte das große Vergnügen, die einstündige Sendung mit meiner Lieblingsmusik aus Klassik, Pop, Jazz und griechischer Musik zusammenzustellen und anhand der Musik meine Biographie zu erzählen. Von „When the Music’s Over“ von The Doors bis Udo Lindenberg „Das Leben“. Dazu sein O-Ton aus der Sendung:

„2015 konnte ich zusammen mit meiner inzwischen verstorbenen Frau Ekaterini (Koukiari-Leifeld 1955–2016) ein Live-Konzert mit Udo Lindenberg im Berliner Olympiastadion erleben. Der Song „Das Leben“ über den Tod seines Bruders war im monatelangen Sterbeprozess meiner Frau für uns beide ein Mutmacher voller Energie und Motivation für das Leben: Nimm dir das Leben und lass es nicht mehr los…“

Das ging vielen unter die Haut. Christoph Schmitz, Chef für Musikjournalismus beim Deutschlandfunk in Köln: „Für jeden eine Lebensbereicherung, wenn man solch eine Sendung erleben darf. Da schaut man mit einem Menschen- und Kulturfreund auf eine weite Lebenslandschaft.“

Bernd Leifeld lebt in seiner Wahlheimat Kassel und engagiert sich dort ehrenamtlich:

„Ich bin Vorsitzender der Freunde und Förderer des Kasseler Bürgerpreises Das Glas der Vernunft“, antwortet er nicht ohne Stolz. „Denn dieser Preis wird jährlich an Personen oder Institutionen vergeben, die mit ihrem Wirken den Idealen der Aufklärung – Überwindung ideologischer Schranken, Vernunft und Toleranz gegenüber Andersdenkenden – in besonderer Weise dienen.“

Bei Leifelds Verabschiedung in den Ruhestand: „Meine Mutter ist 93 – und sieht jetzt, wie ihr Sohn in Rente geht!“ Da musste auch Mama Hilde im Publikum lachen.Quelle: privat
Bei Leifelds Verabschiedung in den Ruhestand: „Meine Mutter ist 93 – und sieht jetzt, wie ihr Sohn in Rente geht!“ Da musste auch Mama Hilde im Publikum lachen.

Frage an Leifeld, an was er denn glaube? Antwort: „An die Kraft der Vernunft!“

Und wie hält er sich fit? „Neuerdings fahre ich sogar freiwillig mit dem E-Bike durch die nordhessischen Wälder, und im Sommer geht es längst Bigge, Lenne und Ruhr mit einem Abstecher in die alte Heimat.

Was ist das Schönste an der alten Heimat, an Heggen? – „Was nicht?“