Museen im Sauerland

Quelle: Stefan Klink

KulturBahnhof Grevenbrück

Langweilig, verstaubt, alte Sachen für alte Leute. Ist das auch Ihre Assoziation mit einem Museum? Dass es auch anders sein kann – modern, digital vernetzt und zukunftsgerichtet – zeigt die Ausstellung „Fahrt Richtung Zukunft – Die Ruhr-Sieg-Strecke und der Wandel der Mobilität“. Das WOLL-Magazin möchte verschiedene Museen im Sauerland porträtieren, den Anfang macht der KulturBahnhof in Lennestadt-Grevenbrück.

Seit 2013 betreibt die Stadt Lennestadt den KulturBahnhof, in dem seit Oktober 2020 eine besondere, mobile Dauerausstellung Platz findet. Was ursprünglich als Außenstelle des Stadtmuseums mit Ausstellungen aus den hauseigenen Magazinbeständen gedacht war, entwickelte sich schnell zum beliebten Veranstaltungsort für ganz unterschiedliche Formate. Das 1862 erbaute Bahnhofsgebäude wurde bis in die 1980er Jahre genutzt und stand längere Zeit leer, bis sich die Stadt 2007 dazu entschloss, das historische Gebäude von der Deutschen Bahn zu kaufen und zu sanieren. Schon im Zuge der Umgestaltung, die bis 2013 dauerte und mit freigelegtem Mauerwerk anschaulich die verschiedenen historischen Bauphasen des Hauses zeigt, keimte die Idee auf, das Thema Bahn und besonders die Auswirkungen der Anbindung an das Schienennetz in einer eigenen Ausstellung darzustellen. Schließlich hatte sich das Gebiet um Lennestadt durch die Anbindung an die Ruhr-Sieg-Strecke 1861 grundlegend verändert – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich.Neben dem Ausstellungsbereich zogen auch Gastronomie, eine Niederlassung des Lennestädter Standesamtes sowie der hochwertige Steinway-Flügel in das denkmalgeschützte Gebäude ein. Diese Mischung macht seitdem aus dem KulturBahnhof einen beliebten Ort für Veranstaltungen, Konzerte, Kunstausstellungen oder Lesungen. Die erste große Ausstellung nach der Sanierung, „störig! Kleidung und Mode im Sauerland 1870-1970“ (2014) stellte zunächst das Thema Bekleidung im Sauerland in den Mittelpunkt und es sollte noch eine Weile dauern, bis die Bahn ihren gebührenden Platz bekam.

Eine Zeitreise mit der Bahn auf drei Etagen

Das Team der „Geschichtsmanufaktur“ aus Dortmund hat es sich in Absprache mit der Stadt Lennestadt zur Aufgabe gemacht, die Dauerausstellung zum Thema Bahn und Ruhr-Sieg-Strecke in besonderer Weise zu installieren.

2020 war die Ausstellung „Fahrt Richtung Zukunft – Die Ruhr-Sieg-Strecke und der Wandel der Mobilität“ startbereit, aufgrund der Corona-Pandemie konnte aber keine große Eröffnungsfeier veranstaltet werden. Nur eine Woche nach der Eröffnung, im November 2020, kam der Lockdown. Ab Juli 2021 konnte die Ausstellung wieder Fahrt aufnehmen und wurde bis zur nächsten Sonderausstellung an drei Tagen pro Woche für interessierte Besucher und Besucherinnen geöffnet.

Die Geschichte der Ruhr-Sieg-Bahn

Der Rundgang beginnt im Dachgeschoss, dem historischen Herzstück der Ausstellung. Hier begeben sich die Besucher und Besucherinnen auf eine Reise durch die Vergangenheit: das Sauerland um 1800, die Erbauung der Ruhr-Sieg-Bahnstrecke ab 1861, die beiden Weltkriege und schließlich die Bedeutung der Strecke bis in die nahe Zukunft, wenn der Intercity das Sauerland in kürzester Zeit mit der Nordsee verbindet.Die Transportwege um 1800 führten vor allem über Fernhandelswege, wie den Römerweg und die Heidenstraße, die sich in Grevenbrück kreuzten. Dies war die Zeit der Pferdefuhrwerke, wie ein Fuhrmannsbuch von 1851 oder ein Pferdekummet anschaulich belegen.

Bodenschätze wie Schwefelkies wurden so transportiert, die Pferdefuhrwerke waren aber beim Export nicht konkurrenzfähig, und die Bahnen im Siciliaschacht in Meggen hatten auch keinen Anschluss an das Schienennetz.

Nachdem sich viele Industrielle aus der Region für den Bau einer Eisenbahnstrecke eingesetzt hatten, erbaute die Bergisch-Märkische-Eisenbahngesellschaft zwischen 1845 und 1861 schließlich die Strecke zwischen Hagen und Siegen.

Der Bau der Eisenbahnstrecke war ein Wendepunkt in der Region, die sich dadurch nachhaltig verändern sollte: Arbeitsplätze entstanden, Wohnraum wurde für die zahlreichen zugezogenen Arbeiterfamilien benötigt und die bis dato landwirtschaftlich geprägte Gegend bekam ein industrielles Gesicht. Gerade Altenhundem bildete sich als Knotenpunkt heraus, weil sich hier später viele Bahnverbindungen, beispielsweise Richtung Attendorn, Olpe, Birkelbach und Schmallenberg, kreuzten.Es wurden Arbeiter im Bergbau und beim Bau der Eisenbahn benötigt, durch den Zuwachs an Familien und den wachsenden Wohlstand zudem auch mehr Kaufleute, Lehrer und Personal bei der Bahn.Diese einschneidende Veränderung brachte aber auch Nachteile mit sich: Es gab viele konfessionelle Auseinandersetzungen – denn die neu Zugezogenen waren eher protestantisch geprägt. Außerdem wurden ganze Berufsstände nach und nach verdrängt, wie der Fuhrmann, der Wagenbauer oder der Köhler.

Erster und Zweiter Weltkrieg

In den beiden Weltkriegen mussten Frauen oftmals die ursprünglichen Männerberufe übernehmen, zum Beispiel als Zugbegleiterinnen. Die Züge wurden hauptsächlich dafür eingesetzt, Soldaten an die Front und Verletzte zurück in die Heimat zu transportieren. Da viele Männer im Krieg waren, fehlte es an Arbeitskraft und zudem an Material, um die Strecken instand zu halten. Außerdem wurden Züge und Bahnstrecken oftmals bombardiert, um sie als strategisch wichtige Verkehrsmittel auszuschalten.

Spätestens ab den 1940er Jahren wurde das Auto vermehrt zur Konkurrenz für den Schienenverkehr – und ist es bis heute. Viele Relikte aus den Anfängen der Eisenbahn sind heute abgerissen, andere, wie beispielsweise das Aquädukt in Herrntrop oder das Viadukt in Kirchhundem, können über Wanderwege erreicht und besichtigt werden. Manche Strecken wurden umgestaltet und haben eine neue Nutzung bekommen, wie der Fledermaustunnel am Sauerland-Radring in Eslohe.

Was hat sich in den letzten Jahren in der Museumslandschaft der Stadt Lennestadt getan?

Die Ausstellungen im KulturBahnhof und auch im Stadtmuseum sind variabler geworden und es wird versucht, vermehrt die jüngere Generation anzusprechen. Große Chancen bieten dabei die sozialen Medien. In der Nutzung von verschiedenen Plattformen wie etwa Facebook, auf denen sich Jugendliche bewegen, steckt großes Marketingpotential, das momentan seitens der Stadt Lennestadt als Betreiber des Stadtmuseums schon teilweise genutzt wird, aber unbedingt noch ausbaufähig ist.Zudem gibt es erste Ideensammlungen für die Entwicklung einer webbasierten Anwendung für historische Orte in Lennestadt: eine Art historische Entdeckungstour mit virtueller Unterstützung per Smartphone und VR-Brille.

Ist es schwieriger geworden, Besucher und Besucherinnen zu akquirieren?

Bestimmt ist es schwieriger geworden, vor allem jüngere Menschen aus der digitalen Welt mit einem Überangebot an Informationen und Reizen von einem vorrangig analogen Museum zu überzeugen. Aber gerade die vermehrt eingebundenen digitalen und interaktiven Elemente bei der Ausstellungsgestaltung bieten sowohl im KulturBahnhof als auch künftig im Stadtmuseum die Chance, vor allem jüngere Menschen zu erreichen.

Die Wechselausstellungen im Untergeschoss des KulturBahnhofs zeigen, dass das Besucheraufkommen sehr stark vom Thema abhängt. Vor allem, wenn die Menschen einen persönlichen oder regionalen Bezug zu den Ausstellungsthemen haben und sich selbst mit den gezeigten Dingen, Fotografien oder Kunstwerken identifizieren können, ist der Andrang sehr groß.

Wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus?

Die einzelnen Stockwerke im KulturBahnhof sind mit einem Aufzug zu erreichen, die Ausstellung ist deshalb auch für Gehbehinderte oder Rollstuhlfahrer geeignet. Für blinde und hörgeschädigte Besucher und Besucherinnen gibt es bisher noch keine speziellen Angebote. Solche Angebote sind aber zukünftig planbar – eine Nachrüstung kann zum Beispiel über Förderprogramme umgesetzt werden. Das Stadtmuseum wird bei der Sanierung komplett barrierefrei und behindertengerecht ausgebaut.

Bahnhof der Ideen – digital und interaktiv

Im ersten Obergeschoss der Ausstellung stehen aktuelle Fragen rund um das Thema Mobilität im Fokus. An vier digitalen Stationen können die Besucher und Besucherinnen aktiv mitgestalten, wobei die Themenschwerpunkte „In Bewegung setzen“ und „Immer schneller“ eher informativen Charakter haben, während „Wege zur Arbeit“ und „Die ideale Stadt“ zusätzlich interaktiv sind. Die Besucher und Besucherinnen können eigene Ideen einbringen, wie sie ihre Stadt gestalten würden und was sie sich für ihr eigenes Wohnumfeld wünschen. Die an diesen Stationen eingegebenen Daten werden direkt an die Stadt Lennestadt gesendet, dort ausgewertet und können so in zukünftige Stadt- und Verkehrsplanungen mit einbezogen werden.

Eine interaktive Videoinstallation mit dem Titel „Bewegung und Wandel“ ergänzt die Ausstellungsebene mit vier Kurzfilmen zu den Themen Materialität beim Eisenbahnbau sowie anschließend eingeblendeten historischen Bauplänen des Bahnhofsgebäudes. Die Besucher und Besucherinnen können die Filme über eine auf dem Boden projizierte fantastische Landkarte aktivieren. Diese künstlerisch-wissenschaftliche Installation verbindet die historischen Begebenheiten sehr eindrucksvoll mit modernster Technik.

Alle Arbeitsstationen können bei Bedarf hinter Stellwänden verborgen werden, wenn der Raum für eine andere Ausstellung benötigt wird, wie es beispielsweise von November bis Januar bei der Ausstellung zum Werk des heimischen Malers Reinhold Bicher der Fall war.

Gibt es spezielle Angebote für Familien oder Schulklassen?

Momentan ist die Ausstellung so konzipiert, dass sie ein generationenübergreifendes Publikum anspricht, besondere Angebote für Familien und Schulklassen gibt es noch nicht. Dazu werden aktuell externe Partner gesucht, die spezielle museumspädagogische Programme erarbeiten. Wenn diese Programme ausgearbeitet sind, kann der KulturBahnhof außerschulischer Lernort werden und sich zum Beispiel der Initiative „Südwestfalen macht Schule“ anschließen. Hier können sich Schulklassen oder Kitagruppen kostenfrei den Museumsbus des Kreises Olpe mieten, um zu den einzelnen Lernorten zu fahren.

Was macht die Dauerausstellung „Fahrt Richtung Zukunft“ im KulturBahnhof einzigartig?

An der gesamten Ruhr-Sieg-Strecke gibt es keine vergleichbare Ausstellung, die das Thema dauerhaft aufgreift, und die Videoinstallation sowie die interaktiven Mitmachstationen machen das Museum vor allem für jüngere Besucher und Besucherinnen attraktiv.Besonders sind zudem die Umnutzung eines historischen, denkmalgeschützten Gebäudes und die zukunftsgerichtete Ausstellung.Die Stadt Lennestadt versteht den KulturBahnhof als Teil einer vielseitigen Region. Er ist angebunden an den Kulturweg in Grevenbrück sowie an den Sauerland-Radweg und bietet gleichzeitig gute Gastronomie im gleichen Gebäude. Das sind allesamt Pluspunkte, die einen Besuch im KulturBahnhof sowohl für Einheimische als auch für Touristen reizvoll machen.

Bahnhofsgeschichten

Im Erdgeschoss des Museums zeigen ausgewählte Exponate das Leben an Bahnhöfen, als diese noch das belebte Zentrum eines Ortes darstellten und für die Reisenden das Tor zu einer anderen Welt öffneten. Von den ursprünglich vierzehn Haltestellen an der Ruhr-Sieg-Strecke hatten nicht alle ein eigenes Bahnhofsgebäude. Die dynamische Ausstellung erzählt anhand von Exponaten, wie dem beliebten Sparkasten, individuellen Postkarten und Schalterklappen mit Anweisungen für den Umgang mit unzufriedenen Fahrgästen („Ruhig bleiben!“), Bahnhofsgeschichten aus Finnentrop, Grevenbrück, Meggen und Altenhundem. Die Ausstellungsstücke befinden sich in mobilen Koffervitrinen, die bei Bedarf weggeräumt werden können, um Platz zu machen für andere Veranstaltungen des KulturBahnhofs.

Die Zeitreise in einem historischen Gebäude, das Geschichte mit allen Sinnen erlebbar macht, mit gleichzeitig zukunftsgerichteten Fragestellungen zur Mobilität und der idealen Stadt machen die Ausstellung im KulturBahnhof zu einem ganz besonderen Erlebnis.

Das WOLL-Magazin bedankt sich ganz herzlich bei Antonia Krihl (M. A. Internationale kulturhistorische Studien) der Stadt Lennestadt für die eindrucksvolle Museumsführung und die spannende Zeitreise.

Ab Ende Februar 2022 ist die Ausstellung immer sonntags von 14-18 Uhr geöffnet. Nach vorheriger Terminabsprache können Gruppen die Ausstellung auch an anderen Tagen besichtigen – ein Besuch ist dann über eine individuelle Führung möglich. Informationen zur Dauerausstellung im KulturBahnhof finden sich unter www.kulturbahnhof-lennestadt.de

Stadtmuseum im Umbau

Das Museum der Stadt Lennestadt ist seit 1993 im alten Amtsgericht von Grevenbrück untergebracht und wird zurzeit mit Hilfe des Förderpaketes „Heimat-Zeugnis“ des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG) kernsaniert, modernisiert und neu konzipiert. Deshalb ist es voraussichtlich noch bis Ende 2022 geschlossen. Aktuelle Informationen zur Situation im Museum finden sich unter www.museum-lennestadt.de