Bachumer baut sich seinen Schäferwagen selbst
Schäferkarren zählen zu den ältesten Fahrzeugen der Menschheit. Sie wurden gebaut, damit die Hirten auch in der Nacht in der Nähe ihrer Herde bleiben konnten. In Bachum hat Stefan Kemper einen Schäferwagen nachgebaut. Ohne Planskizze, aber mit viel Herzblut. Sein Urgroßvater Heinerich war Schäfer. Da fließt wohl immer noch Schäferblut durch seine Adern.
Im Garten von Stefan Kemper steht ein Schäferkarren. Ein schmuckes Teil. Der Einachser hat das typische Rundbogendach. Über ein Zwei-Stufen-Treppchen gelangt man ins Innere. Und das ist genauso gemütlich, wie es das Äußere verspricht. Zwei Seitenbänke, eine Querbank, überall kuschelige Schaffelle. Ein kleiner, schwarzer Gussofen sorgt auch im Winter für angenehme Wärme. „Man muss die Temperatur natürlich immer wieder regulieren und stochern, sonst wird es zu warm im Schäferkarren“, erzählt Stefan Kemper, der das letzte Silvesterfest hier mit seiner Familie und den Ex-Nachbarn verbracht hat. Stilechter kann man als Urenkel eines Schäfers kaum feiern.
Ja, Stefan Kemper Urgroßvater war Schäfer. Zunächst auf dem Hof Ebel in Vosswinkel. Später baute er das Haus, das seit 1848 auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt. Er kauft nach und nach Land und Tiere hinzu – Kühe und Schweine – und aus der Schäferei wurde ein Bauernhof. Auf diesem Bauernhof wurde Stefan Kemper mit seinen Geschwistern groß.
Aus Langeweile erwächst Kreativität
Heute ist der 60-Jährige, der zwölf Jahre lang Schützenoberst der St. Isidor-Schützenbruderschaft war, Maschinenbau-Schlosser. Einer, der eigentlich immer gut beschäftigt ist, aber Im letzten Winter – wie viele andere auch – sehr viel Zeit hatte. Zu viel Zeit – wie er fand, deshalb wurde ihm langweilig. Dann kam ein Gedanke wieder in ihm hoch, den er schon länger in sich trug: “ So ein Schäferwagen ist ja auch etwas Schönes. Man könnte sich oben am Wald hinstellen und dann einen Rundgang machen, mal ein Bier trinken…“ Gedacht, getan. Schließlich hat Stefan Kemper ausreichend Platz in seiner Scheune, eine gutausgestattete Werkstatt ebenfalls. Ein altes Fahrgestell hatte er geerbt.
„Und dann habe ich mir überlegt, wie machte ich es das denn am besten.“ Und so ging er ans Werk: „Zunächst mit U-Eisen, ein Rahmen wurde untendrunter geschraubt und dann die kamen die Bretter für den Fußboden.“ Eine Zeichnung für den Bau gab es nicht: „Ich hatte alles nur Kopf.“ Und der ließ ihm meist nur noch wenig Ruhe: „Kurz vor dem Einschlafen habe ich dann immer überlegt: Wie mache ich es denn am besten?“
„Ganz einfach nach dem Kopf gebaut“
Die beiden Seitenteile ließen sich noch relativ leicht bauen, ein paar alte Fenster holte er sich vom Fensterbauer. Dann kam das Schwierigste, denn seine Frau Andrea meinte, ein Schäferwagen müsse auch ein Rundbogendach haben. „Wie kriegst du das denn hin?“ überlegt er. „Denn ich bin ja eigentlich Maschinenbau-Elektriker und kein Schreiner.“
Er begann also eine Dachlatte in vier dünne Streifen aufzuschneiden, leimte sie als Paket zusammen. Anschließend baute er sich eine Schablone und bog die Bretter mit einer Schraubzwinge drumherum. Jeden Nachmittag ein Rundbogen. „Ja und so bekommt man auch ein Rundbogendach hin“, erklärt er.
Und wie er das hingekriegt hat. Kempers Schäferwagen ist zum Schmuckstück geworden – von innen und außen. Mit einfachen Brettern, die er „natürlich ein bisschen gehobelt hat“. Mit Liebe zum Detail – „Jede Loipe außen ist mit einer Heckleiste versehen und immer in der Mitte geschraubt, damit das nicht reißt. Und mit dem Tipp an Nachahmer: “ Man muss nur Stück für Stück überlegen, wie machst du es denn am besten.“
Der Schäferwagen wird ab und an mal mit dem Trecker an den Waldrand gefahren. Ansonsten steht er für gemütliche Stunden und auch für Kindergeburtstage auf der Wiese hinterm Haus. Vom 2,30 x 1,90 m großen Wagen aus hat man einen herrlichen Blick auf Bachum und auf die Pferde, die auf der Wiese vorm Haus grasen. Was die Idylle perfekt machen würde, wären nur noch … Schafe. Daran hat Stefan Kemper auch schon gedacht. Platz ist da, eine Scheune ebenfalls. Nicht zuletzt schwärmt auch seine Frau von Schafen. Sicherlich werden die schon bald auf Kempers Wiese stehen. Stefan Kemper, da fließt wohl immer noch Schäferblut durch seine Adern.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Schäferkarren (Schlupfkarren) so niedrig, dass sie nur auf Knien begangen werden konnten. Erst ab dem 19. Jahrhundert konnte man darin auch stehen. Aus den Schäferwagen entstanden die Wagen der Schausteller und Zirkusleute.