Mit Menschlichkeit und Lebenserfahrung

Quelle: Michael Walkenbach

Die Bedeutung der Schöffen für die Arbeit der Gerichte

Das Schöffenwesen hat eine lange Tradition und kommt bei Strafverfahren an deutschen Amts- und Landgerichten zum Einsatz. Es gibt mehr als 60.000 Schöffen (von altdt. Seffino, der Anordnende), also Laienrichter, die die Berufsrichter ehrenamtlich bei einer Verhandlung ergänzen.

Warum Laien am Gericht?


Die zu Schöffen ernannten Bürger können mit ihrer Lebenserfahrung und ihrem juristisch unbefangenen Sachverstand die Lebenssituationen der Angeklagten einschätzen und während der Verhandlungen deren Mimik und Gestik manchmal sogar besser wahrnehmen als der Richter, der die Verhandlung leitet und dadurch ein Stück weit gebunden ist. In jeder öffentlichen Verhandlung von Strafverfahren ist die Anwesenheit von Schöffen Pflicht, soweit die Zuständigkeit des Schöffengerichts bei einem Amtsgericht oder der Strafkammern eines Landgerichts gegeben ist, nicht so bei Zivilverfahren an Amtsgerichten. Die Anwesenheit von Schöffen trägt zur gegenseitigen Kontrolle von Richtern und Schöffen und damit zu unabhängigen Urteilen bei, wobei die ergänzende Beratung und gegenseitige Unterstützung von Laien- und Berufsrichtern von großer Bedeutung sind. Um zudem eine permanente Unparteilichkeit zu gewährleisten, gibt es einen stetigen Wechsel in der verfahrensbezogenen Besetzung aus dem Kreis der gewählten Laienrichter, aber immer dem Prinzip des gesetzlichen Richters folgend.

Was sind die Aufgaben von Schöffen?

Die Schöffen nehmen an der strafrechtlichen Hauptverhandlung teil und sind gleichberechtigt mit dem Berufsrichter, der die Verhandlungen leitet und alleine vor- und nachbereitet. Bei Verhandlungen an einem Amtsgericht nehmen jeweils ein Berufsrichter und zwei Schöffen teil, die über das Strafmaß von einer Geldstrafe bis hin zur Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren mitbeurteilen dürfen, bei Strafverfahren an einem Landgericht gibt es unterschiedliche Konstellationen von Berufs- und Laienrichtern, die über ein Strafmaß von Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren oder lebenslänglich entscheiden.

Bis zu zwei Jahren kann ein Einzelrichter am Amtsgericht ohne Beisein von Schöffen verhängen.

Wer kann wie Schöffe werden?

Alle fünf Jahre sind Städte und Kreise in der Pflicht, eine Liste mit Bürgern aufzustellen, die als Schöffen in Frage kommen. Dabei gibt das jeweilige Landgericht vor, wie viele Schöffen an welchen Gerichten benötigt werden, wobei zwischen Jugend- und Erwachsenenschöffen unterschieden wird.

Interessierte Bürger können sich zudem auch unter bestimmten Vorgaben aktiv für das Ehrenamt bewerben, dazu zählen etwa Altersbeschränkungen, gesundheitliche oder sprachliche Voraussetzungen.

Welche Möglichkeiten und Herausforderungen bietet das Amt?

Laienrichter haben die Chance, an der Arbeit der Justiz und aktiv an Gerichtsverfahren teilzunehmen, sich dabei für ihre Mitmenschen einzusetzen, mit ihrer unbefangenen Beratung mit den Berufsrichtern zu einem gerechten Urteil in einem Strafverfahren beizutragen und damit das demokratische Prinzip zu bewahren. Dabei müssen sich Schöffen stets ihrer enormen Verantwortung bewusst sein, die sie bei ihrer Einschätzung und späteren Urteilsverkündung mittragen. Ziel ist in jeder Verhandlung die Einzelfallgerechtigkeit.

Margaret Demmer – eine Schöffin erzählt

Die 70-Jährige ist seit zehn Jahren als Laienrichterin am Amtsgericht in Olpe tätig und vertritt damit uns („das Volk“), in dessen Namen die Urteile gesprochen werden.

Ein junger Mann ist wegen Besitzes einer großen Menge Haschisch angeklagt. Mitgenommen und unglücklich sieht er aus. Er hat das Rauschgift zu Hause gehortet. Er konsumiere es selbst, so der Angeklagte. Er mache derzeit eine sehr schwierige Zeit durch. „An diesen Fall des Mannes in einer offensichtlichen Lebenskrise erinnere ich mich noch gut. Der Richter, der andere Schöffe und ich haben diskutiert, ob die Strafe aufgrund seiner Situation milde ausfallen solle oder ob eine härtere Strafe mit hoffentlich pädagogischer Wirkung angemessen sei. Gar nicht so einfach“, erinnert sich Margaret Demmer an diesen öffentlich verhandelten Fall.

Quelle: Silke Meier

Von menschlichen Beweg- und Abgründen

„Ich bin schon immer an Menschen, ihren Entwicklungen, ihren Beweg- und Abgründen interessiert“, beschreibt Margaret Demmer ihren Antrieb das Schöffenamt auszuüben. „Mir ist es wichtig, Verantwortung zu tragen und die Gesellschaft mitzugestalten.“ Sie ist ausgebildete Gymnasiallehrerin und wurde 2004 als Schöffin vorgeschlagen. „Ich wurde ausgewählt und zu einer Schulung eingeladen, bei der ich alles Wichtige über das Laienrichteramt lernte. Anfang des Jahres teilte mir das Amtsgericht dann zehn unterschiedliche Verhandlungstermine mit, an denen ich gemeinsam mit einem anderen Schöffen teilnehmen sollte. Von 2004 bis 2018 war ich als Hilfsschöffin (Vertretung, wenn ein Hauptschöffe ausfällt) tätig und seit 2019 bin ich Hauptschöffin.“

Wie läuft ein Verfahren vor dem Schöffengericht ab?

Am Tag der Verhandlung werden die beiden Schöffen vom Berufsrichter kurz über den zu verhandelnden Sachverhalt informiert. „Während der Verhandlung, bei der wir Schöffen auch Fragen stellen dürfen, herrscht eine fast feierliche Atmosphäre. Alles läuft ritualisiert und geordnet ab. Das beeindruckte schon so manchen Angeklagten“, beschreibt die Schöffin den Ablauf. „Anschließend ziehen sich der Richter und die beiden Schöffen zurück. Der Richter erläutert sorgfältig und klar den juristischen Sachverhalt, auf dessen Grundlage wir drei über einen Freispruch oder das mögliche Strafmaß diskutieren. Am Schluss stimmen wir darüber ab, wobei jeder das gleiche Stimmrecht hat.“ So kann es also auch einmal sein, dass die Schöffen den Berufsrichter überstimmen. „In der Regel sind wir uns am Schluss aber einig. Der Richter spricht dann das Urteil und erläutert es dem Angeklagten.“

Entscheidender Einfluss der Schöffen

„Die Entscheidungen der Schöffen können maßgeblichen Einfluss auf das Leben der Angeklagten haben. Deshalb muss dieses Amt verantwortungsvoll ausgeübt werden“, bekräftigt Margaret Demmer die Bedeutung der Schöffenarbeit. „Die Schöffen, die in der Regel zwischen 25 und 70 Jahre alt sind, vertreten das Volk bei diesen Gerichtsverhandlungen. Sie sollten keine juristische Vorbildung aufweisen, sie sollten offen und interessiert sein, keine vorgefassten Meinungen haben und den vorliegenden Fall genau in den Blick nehmen. Gerichtsurteile sind mehr als nur Paragrafen und juristische Auslegungen. Es geht immer um Menschen und Schicksale. Diese Lebensnähe und Menschlichkeit sollen wir Schöffen mit unserer Lebenserfahrung, gesundem Menschenverstand und unserem unverstellten Blick in das Urteil einbringen.“

So auch im Prozess, in dem es um den Haschischbesitz des bis dahin unbescholtenen Mannes ging. „Wir waren uns einig und haben Milde walten lassen, da der Angeklagte seine Beweggründe glaubhaft erläutern konnte.“ Und was, wenn es doch ein abgebrühter Dealer mit schauspielerischem Talent war? „Dann wird ihn die Polizei früher oder später doch erwischen und es wird neu verhandelt.“ Ob die Schöffen dann wieder Milde walten lassen würden …? Wie würden Sie entscheiden?

Selbstverständlich können auch Frauen das Amt von Schöffinnen und Richterinnen ausüben; im Text wurde lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die jeweils weibliche Form verzichtet.

Weitere Infos zu Voraussetzungen und Aufgaben im Schöffenwesen unter:

https://www.justiz.nrw/BS/formulare/Vordruck_124_gen_11_2017.pdf