Mit Hund Fenrir raus aus dem Schneckenhaus

Quelle: privat

Die pädagogische Beraterin Antje Kling aus Lennestadt-Theten arbeitet in ihrer pädagogischen Beratung mit Hund Fenrir und schenkt so Kindern mehr Selbstvertrauen.

Tim lebt seit einigen Monaten in der Wohngruppe für autistische Kinder und Jugendliche, ist am liebsten in seinem Zimmer, zieht sich in sein inneres Schneckenhaus zurück. An diesem Tag hat er eine Therapiestunde bei Betreuerin Antje Kling. Eigentlich möchte er seinen Lieblingsraum nicht verlassen – hier fühlt er sich wohl und sicher. Doch als er Antjes Büro betritt, begrüßt ihn nicht die Pädagogin.

Es blicken ihm zwei dunkle, freundliche Augen ins Gesicht. Eine feuchte Nase beschnuppert Tim vorsichtig. Das weiche, schwarzweiß-gefleckte Fell streift seine Haut. Das fühlt sich gut an. Das findet Fenrir, Antje Klings Mischlingshund, auch. Sie hat ihn heute mit ins Büro genommen. Ein schöner Zufall und ein großes Glück. Tim geht neugierig auf den freundlich mit dem Schwanz wedelnden Rüden zu. Streichelt ihn, spielt mit ihm. Diese Therapiestunde wird Tim wohl nie wieder vergessen. Drei Stunden bleibt er bei Antje und ihrem Hund, lässt sich auf ihn ein, lässt zu, dass das Tier ihn ein Stück weit aus seinem Schneckenhaus lockt. Antje ist fasziniert von der Wirkung, die Fenrir auf Tim hat.


Die Verbindung von Pädagogik und Natur

Schon immer haben Antje Tiere und die Natur begeistert. Dieser Tag, diese Stunden mit Fenrir und Tim, zeigen ihr eindrücklich, wie viel Tiere den Menschen geben können. „Das Erleben von Tieren hautnah und die Begegnung mit ihnen möchte ich allen Kindern ermöglichen“, erzählt die studierte Pädagogin. Und von nun arbeitet sie an ihrer Vision, die mit dem Start in die Selbstständigkeit als pädagogische Beraterin Anfang des Jahres an einen Meilenstein gelangt. Auf Instagram ist sie „empatierisch“ unterwegs. Eine Wortneuschöpfung die passenderweise aus „Empathie“ und „Tier“ erwachsen ist. Eine eigene Website ist in Planung.

Die 26-jährige gebürtige Weselerin ist schon als Kind oft in der Natur unterwegs, liebt den Wald und Tiere. Ihre weitere Leidenschaft ist die Pädagogik. 2014 beginnt sie ihr Pädagogikstudium in Siegen, welches sie drei Jahre später mit dem Bachelor abschließt. Sie möchte ihre Naturleidenschaft mit ihrem pädagogischen Beruf verbinden und absolviert 2019 die Ausbildung zur tiergestützten Therapeutin in Hückeswagen. Parallel arbeitet sie in einer Wohngruppe für autistische Menschen. Während dieser Zeit erfüllt sie sich einen Herzenswunsch und nimmt Fenrir, einen Australian Shepherd-Labrador-Akita-Mischling, bei sich zu Hause auf. Er kommt schließlich mit zu ihrem Arbeitsplatz, wo sie die Möglichkeiten tiergestützter Arbeit erleben kann.

Hund Fenrir verhilft seinen kleinen Klienten zu mehr Selbstvertrauen

„Es ist einfach schön zu sehen, wie die Kinder mit Fenrir umgehen. Kinder, die im normalen Alltag unausgeglichen und laut sind, lassen sich auf den Hund ein. Sie sprechen und spielen ganz ruhig mit ihm, merken, dass Fenrir auf ihr Verhalten reagiert und dieses spiegelt. Das trainiert das Selbstbewusstsein der Kinder. Sie lernen klare Regeln einzuhalten und spüren die Wirkung, die der Hund auf sie selbst hat. Das versuchen wir dann in den Alltag zu integrieren“, erklärt Antje.

Mittlerweile ist sie der Liebe wegen nach Lennestadt-Theten gezogen. Hier lebt sie mit Freund und Hund in einem Haus mit großem Garten. „Hier findet der Großteil der Arbeit statt, wobei ich natürlich auch mobil an unterschiedlichsten Orten berate. Im Garten kann Fenrir sich richtig austoben. Denn mein Hund ist selbstverständlich nicht immer ruhig. Wenn er draußen ist, muss er sich auspowern. Das mögen die Kinder sehr – auch, dass er manchmal nicht immer sofort gehorcht und ein wenig frech ist. Darin finden sie sich dann natürlich auch ein wenig wieder“, fügt die Thetenerin augenzwinkernd hinzu.

Fenrir ist ausgebildeter Therapiebegleithund, er lernte in seiner Ausbildung Grundgehorsam und den Umgang mit stressigen Situationen und lauten Geräuschen.

Ein Haustier ist eine Familienaufgabe

Zurzeit arbeitet die sympathische Beraterin in der ambulanten Familienhilfe in Freudenberg, wo Fenrir sie regelmäßig begleitet. „In manchen Familien sehe ich dabei leider keine artgerechte Tierhaltung. Einige Eltern kaufen beispielsweise Kaninchen, damit das Kind damit kuscheln kann, obwohl Kaninchen das eigentlich gar nicht mögen. Oder sie halten ihre Meerschweinchen in zu kleinen Ställen. Mir ist es bei meiner Arbeit wichtig, den Menschen zu zeigen, wie artgerechte Haltung aussieht. Jedes Tier hat andere Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Es sind Lebewesen, die auch als solche gesehen werden müssen, und nicht als Kuscheltiere. Ein Tier braucht viel Pflege und Sorge, deshalb sollte ein Haustier immer ein ‚Familientier‘ sein, um das sich alle Familienmitglieder kümmern“, betont die pädagogische Beraterin.

Geplante Projekte: Bauernhof AG und Beißprävention

Dieses Anliegen möchte sie auch in ihrer Selbstständigkeit in verschiedenen Projekten vermitteln. Antje erläutert: „Ein Projekt ist die Beißprävention, bei welcher Kinder lernen, richtig auf Hunde zuzugehen und wie sie sich ihnen gegenüber verhalten sollen. Dieses Projekt habe ich privat durchgeführt, ist aber in Zukunft natürlich auch in Kindergärten oder Grundschulen denkbar. Auch eine AG auf dem Bauernhof kann ich mir gut vorstellen, bei der die jungen Menschen mit der Landwirtschaft, den Tieren und den dort produzierten Lebensmitteln in Berührung kommen. Manche Kinder, auch Sauerländer Kinder, wissen nicht, woher die Milch kommt. Das Wissen möchte ich ihnen, gerne in Kooperation mit hiesigen Bauernhöfen, näherbringen. Bisher arbeite ich mit dem Begegnungshof Heinbach in Siegen zusammen.“

Ihre jungen Klientinnen und Klienten sind im Alter von fünf bis 16 Jahren. Sie suchen aus unterschiedlichsten Gründen ihre pädagogische Beratung auf: Sei es in den Projekten oder aber ganz individuell. „Mein Traum ist es, allen Kindern eine tiergestützte Beratung anbieten zu können. Die Wirkungen sind beeindruckend. Tiere tun den Kindern einfach gut. Und holen so manches schüchterne Kind aus seinem Schneckenhaus. So wie Tim aus dem Wohnhaus.“