Mit der Renovierung der Kapelle blühte das Dorf auf

Oberense ein Dorf der erneuerbaren Energien, mit großem Oldtimerschatz und Goldprämie  

Ihrer Ausstrahlung kann man sich nicht entziehen: Gleich beim Eintritt ins Dorf richten sich die Blicke auf die St. Rochus-Kapelle mit ihrem auf dem Kapellen-Platz vorgelagerten Glockenturm. „Die Kapelle ist der Mittelpunkt von Oberense“, sagt Christian Schlösser, der Vorsitzende des Kapellenvereins. „Sie übt eine große Faszination aus.“ Aber nicht nur das kleine Gotteshaus trägt zur Identität des gut 250 Seelen zählenden Ortes bei: Oberense ist par excellence ein Dorf der erneuerbaren Energien und lockt mit einem sagenhaften Oldtimer-Schatz in „Schrottis Oldtimermuseum“.  

Oberense hat in der Tat eine Menge zu bieten. Darauf ist Christian Schlösser stolz. Wenn das Gespräch auf seinen Ort kommt, dann geht sein Herz auf. Natürlich gilt der besondere Stolz der Kapelle mit dem Barockaltar: „Die Rochus-Kapelle zieht an, man trifft sich hier, die Schützen feiern ihren Schützenfest-Abschluss und Wanderer sowie Radfahrer verweilen hier“, erklärt Schlösser. „Einmal in der Woche wird eine Messe gefeiert, auch andere Feierlichkeiten wie Taufen oder Silberhochzeiten finden hier statt.“  

Schlösser ist Geschäftsführer des Enser Versicherungs-Kontors (EVK), das rund 30 Arbeitsplätze unterhält und dessen Domizil sich in direkter Nähe der Kapelle befindet und mit dem Vorplatz eine Einheit bildet. Die Kapelle hat Schlösser immer im Blick und im Herzen. Er weiß viel zu erzählen. „Die 1729 von sieben Bauern errichtete Kapelle befand sich vor 50 Jahren in einem sehr verfallenen Zustand. Es bestand dringender Handlungsbedarf für das Gotteshaus und das Dorf.“ 1969 begannen die Dorfbewohner schrittweise mit der Renovierung der Kapelle. Der kleine Turm auf der Kapelle erhielt wieder eine kleine Glocke. Fahrt nahm die Renovierung 1993 durch die Gründung des Kapellenvereins auf, der das Grundstück vom Kreis Soest erwarb und als wichtiger „Motor“ im Gemeindeleben gilt.   

1999 errichteten die Dorfbewohner in Eigenleistung einen Glockenturm auf dem Vorplatz. Das war ein großer Moment: Endlich erhielt die Glocke, die der Ort 1947 als Ersatz für die im zweiten Weltkrieg eingeschmolzene St. Rochus-Glocke bekommen hatte, einen würdigen Platz. Für den Kapellenturm war sie zu schwer. Sie wurde bei der Einweihungsfeier als „Glocke des Friedens“ gesegnet. Drei Mal am Tag wird in Oberense wieder der “Engel des Herrn” geläutet. Die kleine Glocke im Kapellenturm beginnt mit einigen Schlägen, dann übernimmt die große Glocke im Glockenturm.  Der Bau des Glockenturms war wie ein Signal für eine regelrechte Sanierungswelle des Gotteshauses und des Vorplatzes. „Mit der Renovierung der Kapelle blühte das Dorf regelrecht auf“, so Schlösser, der bei Todesfällen gemeinsam mit Maria Kaup das Totengebet in der Kapelle spricht. 

2006 gewann Oberense beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ Gold auf Kreisebene, ein Jahr später Silber auf Landesebene. „Diese Auszeichnungen verliehen dem Dorf einen weiteren Schub und stärkten das Gemeinschaftsgefühl“, erzählt Schlösser. „Im letzten Jahr feierte das Dorf das 750-jährige Jubiläum, einen weiteren, großen Höhepunkt.“ Zum Jubiläum schaffte sich Oberense ein ortsbildprägendes Wappen an, das durch den Eintrag in die deutsche Wappenrolle geschützt ist.  

Einig sind sich Einwohner auch in Sachen Energie: Oberense ist ein Dorf erneuerbarer Energien jeglicher Form. Schlösser umschreibt es so: „Hier findet man erneuerbare Energien ohne Ende.“ Der EVK-Chef geht seit Jahren mit gutem Beispiel voran. Er baut derzeit am Schlotweg eine öffentliche Hochleistungs-Ladestation für E-Autos, die die Fahrzeugbatterien schnell und direkt mit Gleichstrom lädt. Es ist ein DC-Lader für 150 KW-Leistung. Auch sein Unternehmen hat sich diesem Trend verschrieben: EVK gilt als ein weithin führender Versicherungsmakler für erneuerbare Energien. Das EVK-Domizil, ein altes Fachwerkhaus, wurde in vier Schritten unter Berücksichtigung baubiologischer und energiefreundlicher Verfahren renoviert. Es verkörpert auch ein Stück Heimat.   

Geheimtipp nicht nur für Motorfreunde 

Das gilt auch für „Schrottis Oldtimer-Museum“ nebenan, ein Geheimtipp nicht nur für Motorfreunde. Es beherbergt einen wahren Schatz an motorisierten und nichtmotorisierten Zweirädern. Errichtet wurde es von Michael Nacke, einem Sonderschullehrer für Blinde und Sehbehinderte und Motorrad-Liebhaber voller Leidenschaft. Die Motorschätze sind in einer Scheune untergebracht, die zum Haus seiner Frau Andrea gehört und früher ein kleiner Selbstversorgungsbetrieb, ein kleiner Bauernhof, war. „Wir haben die Scheune mit den Stallungen renoviert. Die Dorfbewohner haben mitgeholfen, das hat mich stark beeindruckt“, sagt Nacke. Zu Recht stolz ist er auf das neugebaute Scheunentor und auf seine Werkstatt, einen ehemaligen Schweinestall.  

Michael Nacke: „Ich habe immer geschraubt“ 

In der Werkstatt ist Nacke so oft wie möglich anzutreffen: „Ich habe immer geschraubt. Ich bin ein Zweirad-Liebhaber, hatte aber früher wenig Geld, um mir Zweiräder zu kaufen. Daher musste ich schrauben und schrauben. Mit Hilfe guter Werkstatt-Handbücher und per Internet habe ich mir das angeeignet.“ Begonnen hat er damit vor rund 20 Jahren, immer auf der Suche nach alten Zweirädern. Er wurde fündig und reichlich belohnt. Inzwischen besitzt er 23 motorisierte Zweiräder und sechs Fahrräder, das älteste Fahrrad stammt aus dem Jahr 1934. Besonders stolz ist der 52-Jährige auf ein Familien-Erbstück, die Yamaha TZ 500 mit Drei-Zylinder-Motor von Rudi Kurth aus der Schweiz: „Das ist eine echte Rennmaschine, die nur Vollgas fährt. Sie ist ein echtes Highlight.“ Ein „besonders Stück“ mit großer Geschichte ist auch die Miele 98, Modell H3 Herren von 1938. „Sie ist ein Vorläufer des Mofas. Neben den Herren gab es auch das Damen-Modell.“ Im Volksmund wurden dieses Modell „Hebammen-Flitzer“ genannt.  

Im Obergeschoss der Scheune wartet ein weiteres Highlight: Dort hat Nacke, der auch Jugendwart des MSC Werl ist, eine Modellautorennbahn aufgebaut. Auch sie ist ein wahrer Schatz und eine Augenweide. Die Besucher des Museums verweilen hier zum Schluss der Führungen.  „Miele-Michel“ oder „Schrotti“, wie er genannt wird, nimmt keinen Eintritt, die Besucher errichten einen kleinen Obolus. Was sagt eigentlich seine Frau Andrea zu seinem Hobby? „Andrea findet das gut. Sie hat immer einen ausgeglichenen Mann“, so Nacke. „Immer, wenn ich Stress habe, verziehe ich mich ins Museum, in die Werksstatt, schraube, zerlege und baue zusammen.“