Mit der Betonung auf „Genehmigung“

Genehmigung

Quelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Eine Glosse zu den überaus denkwürdigen Umständen, un­ter denen der HSK am 13.7.2021, gut 36 Stunden vor Inkrafttreten des neuen 1.000 m-Gesetzes, einen positiven Bauvorbescheid für das Wind­­energiekraftwerk „Auf der Sange“ bei Eslohe erlassen hat.

Wer auf der Bundesstraße 7 von Brilon nach Marsberg fährt, dem ist es vergönnt, einen Blick in unsere Zukunft zu werfen. Denn wenn bis 2030, wie der Koalitionsvertrag es vorsieht, 80% des Energiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland aus er­neuerbaren Energien gedeckt werden sollen, müssen in den näch­­sten acht Jahren Tausende Wind­räder neu gebaut werden. Um dieses ehrgeizige Vor­ha­ben um­zusetzen, ist eine Beschleunigung der Ge­neh­mi­gungsverfahren und eine Neujustierung des Ar­ten­­schut­zes geplant. Gerade Letzteres wird von den Ver­tre­tern einer ehemaligen Umweltschutzpartei seit eini­gen Jahren immer lauter und rücksichtsloser vor­ge­tra­gen: wenn der Klimawandel nicht ge­bremst wer­de, so das grüne Narrativ, dann würden manche ge­schütz­­te Arten voll­stän­dig aussterben; das Ein­zel­tier dürfe also dem Ausbau der erneuerbaren Ener­gien nicht im Wege stehen, weil Klima­schutz der beste Artenschutz sei. Es wird zum Kollateralschaden, der für die Erhaltung seiner Art not­wen­dig ist. Der Zy­nis­mus dieser Argu­men­tation könnte größer kaum sein; sie ist aber auch sachlich frag­wür­dig, da wir nicht wissen, ob der Rot­milan oder der Schwarzstorch nicht doch mit einer im Jah­res­mittel um zwei Grad höheren Temperatur ganz gut zurecht­kä­men. Könnte man das Einzeltier fragen, ob es lie­ber schwit­zen oder von Windrädern geschreddert werden möchte, so würde es sich, so unsere Ver­mutung, wohl mei­stens für das Schwitzen entscheiden. Wie auch immer: der Wille der Politik zum extensiven Ausbau der Wind­­ener­gie ist in nahezu allen Parteien vorhanden, Geld ist genug da, und man muss keine pro­phe­ti­schen Kräfte ha­ben, um zu sehen, dass es bald überall im Sauer­land so aus­se­hen wird wie zwi­schen Brilon und Mars­berg.

Über Geschmack darf man bekanntlich nicht streiten, deshalb soll es im folgenden auch nicht um die Ästhetik mo­der­ner Energiegewinnung gehen, zumal Kohle- oder Atomkraftwerke auch nicht besonders schön aus­sehen; dass sie für dieselbe Strommenge deutlich weniger Raum benötigen als Windkraftwerke und schon deshalb ihre Ansicht dem Betrachter weniger häufig aufdrängen, lässt sich freilich nicht leugnen. Auch die be­kannten Probleme der Windenergie möchten wir hier nicht diskutieren, zumal für die grund­sätz­liche Erkenntnis, dass selbst eine Verdreifachung der Windräder kein einziges Watt mehr an Strom er­zeugt, wenn der Wind nicht weht, keine komplizierten Rechenoperationen von­nö­ten sind: dass dreimal null null ist, weiß jede rheini­sche Frohnatur. Eben­falls kein Ge­heimnis ist, dass die berüchtigte Speicher­pro­ble­matik für den Flatter­strom bis heu­te nicht gelöst ist und in den nächsten Jahrzehnten nicht gelöst wer­den kann. War­um man für Windräder unbedingt den CO-Speicher Wald zubetonieren und noch mehr Flächen ver­siegeln muss, leuchtet auch nicht ein: das nächste Starkregenereignis, so heißt es immer, sei dank des Klima­wandels nicht fern; aber wohin wird in Zukunft der Regen abfließen, wenn die ver­dich­te­ten Wald­böden das Wasser nicht mehr aufnehmen kön­nen? Zu den Tücken der Wind­ener­gie zählen schließ­lich auch die Lieferketten der kostbaren Roh­stoffe: neben brasilianischem Eisenerz für die Türme und Tropenhölzern für die Rotor­blätter werden für die modernen Wind­rad­gi­gan­ten große Mengen Sel­te­ner Er­den benötigt, die vor allem in China und Af­gha­nistan gefördert werden, Staaten, die sich bisher nicht durch ge­stei­ger­tes Umweltbewusstsein her­vor­getan haben. Seltene Erden gibt es daher leider nicht zum ökologischen Nulltarif: der „Misereor“-Bericht von 2018 („Rohstoffe für die Energie­wen­de“), der der Wind­energie grund­sätzlich eher positiv gegen­über­steht, weist dar­auf hin, dass für die För­derung einer Tonne Sel­te­ner Erden 2.000 Tonnen Gift­müll an­fallen, durch die ganze Landstriche verseucht werden. Zum Glück ist China weit genug weg, um unser grünes Gewissen nicht zu belasten …

All das und vieles mehr, das sich gegen den ungehemmten Ausbau der Windenergie vorbringen ließe, soll uns hier nicht interessieren. Wir möchten Ihnen vielmehr ein Genehmigungsverfahren vorstellen, von dem wir persönlich betroffen sind, um zu zeigen, dass die Projektierer sich schon heute über man­geln­de Unterstützung durch die Genehmigungsbehörden nicht beschweren müssen. Es geht um das Wind­ener­gie­kraft­werk „Auf der Sange“. Die Sange ist ein kleiner, beschaulicher Höhenzug süd­lich von Eslohe, der die angrenzenden Dörfer Bremscheid, Hengs­beck, Loch­trop und Frielinghausen um 200–300 m über­ragt. Ihr Pech ist, dass sie von Norden nach Süden ver­läuft und damit für Projektierer attraktiv ist: weil in Deutsch­land meistens Westwind herrscht, ver­spre­chen Windräder, die von Nord nach Süd aneinan­der­ge­reiht werden, mehr Ertrag. Auf der Sange sol­len fünf Windräder mit einer Höhe von jeweils 240 m ge­baut werden. Die Entfernung nach Frieling­hau­sen beträgt an manchen Stellen gerade mal 800 m, nach Lochtrop 750 m. Damit unterschreitet der bei der unteren BImSchG-Behörde des Hoch­sau­erland­krei­ses schon 2017 beantragte Kraftwerkskomplex die 1.000 m-Grenze, die der Landtag durch Gesetz vom 1.7.2021 festgeschrieben hat, deutlich und wäre des­halb nicht genehmigungsfähig. Aber dazu spä­ter mehr.

Wir stellen Ihnen dieses Verfahren vor, weil Sie, liebe Lese­rin­nen und Leser, mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit selbst schon bald zu den Be­troffenen zählen werden: denn der massive Aus­bau der Wind­in­du­strie­anlagen ist im Sauerland gerade erst angelaufen; es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren fast je­der Hügel ins Visier der Projektierer geraten wird. Die selbst­er­nann­ten Klimaretter müssen nur noch die Früchte einfahren, denn die Haupt­arbeit ist längst getan: ohne dass die Bürger viel davon mit­be­kom­men hätten, haben sie in den letzten Jahren die Flä­chen­nut­zungs­pläne fast aller Gemeinden des Sau­er­landes mit Klagen überzogen und von den Ge­richten oft wegen lächerlicher Formfehler recht be­kom­men. Da­­mit haben aber die für Windener­gie vor­ge­se­he­nen Kon­zen­trationsflächen ihre bin­den­de Wir­kung ver­­lo­ren: die Projektierer dürfen jetzt (fast) überall bauen, da es sich bei der Errichtung von Wind­kraft­wer­ken um privilegierte Bauvorhaben handelt. Der Schutz der Anwohner spielt dabei nur insofern eine Rolle, als die Lärmbelästigung einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten darf. Über­raschen­der­wei­se kommen die von den Pro­jek­tie­rern be­auf­trag­ten Gut­ach­ter eigentlich immer zu dem Ergebnis, dass die zu er­war­ten­de Lärmbelästigung einige De­­­zibel unter der gesetzlich festgelegten Ober­grenze lie­­­gen werde. Über­prüfen kann man das leider erst, wenn die Wind­räder gebaut sind.

Alle anderen Aspekte des Anwohnerschutzes spielen keine Rolle. Die gesundheitsschädliche Wirkung des soge­nann­ten Infra­schalls wird von deutschen Gerichten nicht anerkannt, weil sie bisher nur im Labor nach­ge­wie­sen wurde. In der Frage der sogenannten optischen Bedrängung beruft sich die Windenergie­lob­by immer auf ein Urteil des OVG Mün­­ster vom 9.8.2006, das den Anwohnern ohne wis­sen­schaftliche Grund­lage den drei­fa­chen Ab­stand der Ge­samt­höhe der Wind­räder zumutet (3H-Regelung). Verschwie­gen wird dabei gerne, dass sich dieses Urteil auf Windräder im Flachland bezog. Für Wind­rä­der in Hö­hen­­lagen gibt es bisher keine Rechtsprechung, da die deutschen Mittelgebirge erst seit ver­gleichs­weise kurzer Zeit die Aufmerksamkeit der Projektierer auf sich gezogen haben. Dass aber die opti­sche Be­drän­gung sich ändert, wenn 240 m hohe Windräder auf 200–300 m hohe Hügel gesetzt wer­­den, soll­te doch eigent­lich jedem ein­leuch­ten. Ersetzt werden kann die alte Rechtsprechung (wenn über­haupt) aber erst dann, wenn jemand die Chuzpe (und das nötige Kleingeld) hat, gegen die milliar­den­schwe­ren Wind­ener­­gie­kon­zerne zu klagen. Manche Projektierer empfehlen übrigens Anwohnern, die sich durch den Disko­effekt der Windräder bei Tag oder die Leuchtfeuer bei Nacht gestört fühlen, die Ja­lousien her­un­ter­zu­las­sen und ggf. die Terrasse auf die ab­ge­wandte Seite des Hauses zu verlegen. Merken Sie sich die­se hilfreichen Tipps schon mal für die Zukunft!

Während also die überempfindlichen Anwohner nicht so wichtig sind, schaut der Staat beim Artenschutz zur Zeit noch ein bisschen genauer hin. Hier sind deshalb weitere Gutachten nötig. Zum Glück kann man als Pro­jek­tie­rer aus einem breiten Angebot kom­­mer­zieller An­bie­ter auswählen, die für jeden beliebigen Ort in Win­des­eile ein professionell aussehendes Gutachten von meh­reren hundert Sei­ten zu­sam­men­stel­len kön­nen und fast immer zu dem Ergebnis kommen, dass das Bau­vor­haben unter Natur- und Arten­schutz­aspek­ten völlig unbedenklich sei. Merkwürdigerweise kommen die politisch Verantwortlichen in NRW über­haupt nicht auf die Idee, dass es der viel­be­schwo­re­nen Akzeptanz in der Bevöl­kerung ab­träg­lich sein könnte, wenn der An­trag­steller seine Gutachter selbst aussucht und fürstlich ver­gütet. Dass bezahlte Gut­achter be­fan­gen sein könn­ten, scheint uns jedenfalls kein besonders abwegiger Ge­danke zu sein. Aber seien wir nicht zu kleinlich: schließlich wollen auch die­se Leute von irgendwas le­ben und sind davon ab­hängig, auch in Zukunft noch Aufträge der Wind­ener­giekonzerne zu bekommen. Wir können hier auch deshalb groß­zü­gi­ger sein, weil man sich diese Feigenblätter auch sparen könnte: aus Kreisen der Projektierer, die in den nächsten Jahren mit dem Sauerland noch viel vorhaben, erfuhren wir kürz­lich, dass man über­zeugt sei, dass die oft an die 1.000 Seiten um­­fas­sen­den „Gutachten“ in den Geneh­mi­gungs­be­hör­den gar nicht ge­le­sen wür­den: denn auch wenn dar­in bestimmte Auflagen zum Natur- und Arten­schutz vor­ge­schlagen wür­den, bekomme man trotz­dem die Standard-Bauge­neh­mi­gun­gen aus­­gestellt!

Wir jedenfalls gewinnen immer mehr den Eindruck, dass die Projektierer die Genehmigungsbehörden nicht ernst­nehmen. Leider dürfte hinzukommen, dass sie in den Behörden manchmal auch Leute an­treffen, die ihre Dienst­pflichten etwas eigenwillig auslegen. Und damit sind wir bei jenen denk­wür­di­gen Um­stän­den, un­ter de­nen am 13.7.2021, gut 36 Stunden vor Inkrafttreten des neuen 1.000 m-Ge­set­zes, vom HSK ein po­si­ti­ver Bau­vor­be­scheid für das Windenergiekraftwerk „Auf der Sange“ erlassen wur­de, der, sobald er rechtskräftig ist, den Bau gegen den Willen des Gesetzgebers immunisieren wird. Wir schicken vor­aus, dass wir keine Ju­risten sind: was von den im fol­genden berichteten Vorgängen inwie­fern straf- oder be­am­ten­rechtlich justiziabel ist, können wir nicht sagen. Anhand der Aktenlage lässt sich auch nicht alles restlos re­kon­stru­ie­ren, da zwar fest­steht, dass zwischen den Beteiligten immer wieder te­le­fo­niert wurde, Ak­ten­­ver­mer­ke zu Tele­fo­na­ten sich aber aus dem entscheidenden Zeit­raum in der Akte nicht finden las­sen. Mit an­­deren Worten: man sieht sehr viel Rauch, aber (noch?) nicht das Feuer.

Wer sich wie wir über die bemerkenswerte Punktlandung der Unteren BImSchG-Behörde nach über vier­jäh­riger Bearbeitungszeit wundert und Akteneinsicht in Brilon beantragt (dieses Recht steht jedem Bürger zu), stößt schnell auf eine er­staun­li­che E-Mail, die ein hochrangiger Vertreter jenes schwer er­gründ­­li­chen Ge­flechts von Antragstellern („Auf der Sange GmbH“, „Naturwerk“, „WPD“), Herr A, am 28.6.2021, drei Ta­ge vor der Ab­stimmung im Landtag, an den zuständigen Sachbearbeiter, Herrn B, ge­schickt hat. Dar­in heißt es wort­wörtlich: „Sehr ge­ehr­ter Herr B, eben erreichte Sie telefonisch nicht. Im An­schluss habe ich mit Herrn C über nach­fol­gen­des gesprochen. Das neue Abstandsgesetz NRW soll am kommenden Don­nerstag im Land­tag ver­ab­schiedet werden. Es ist damit absehbar, dass die so­dann ge­än­derte Ge­set­zes­lage zu Un­gun­sten un­seres Vorhabens in Kraft tritt. Ein diesbezüglicher Scha­­den wäre aber noch ab­­wend­bar, wenn Ihr Bescheid bis Mittwoch erteilt wird. Ich bin zuversichtlich, dass dies mit vereinten Kräften er­­reich­bar ist. Natürlich kön­nen Sie sich un­serer Unterstützung sicher sein, z.B. bei der zeit­rau­ben­den Er­­stellung des Entwurfes an, so dass Sie Ihre wertvolle Zeit auf die Prü­fung ver­wen­den können. (…) Zu guter Letzt möchte ich an die eindringliche Worte von Herrn D er­in­nern, der mir persönlich im Jahr 2016 sagte: ‘Herr A, wir sind eine Ge­neh­mi­gungs­behörde, wobei die Be­tonung auf Ge­nehmigung zu legen ist.’ Diese Worte ha­ben sich bei mir po­sitiv ein­ge­prägt.“ Bei uns nicht.

Das Erstellen eines Vorbescheids ist eine hoheitliche Auf­ga­be. Dass der Antragsteller anbietet, diese Auf­gabe zu übernehmen, ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Das wäre so, als würden unsere Doktoranden uns an­bieten, ihr Promotionsgutachten selbst zu schreiben, damit wir un­se­re wertvolle Zeit auf die Prü­fung ihrer Dok­tor­arbeiten ver­wen­den können! Dass der Sachbearbeiter, Herr B, oder sein Vorgesetzter, Herr C, wie es sich für deutsche Beamte gehört, das unmoralische Angebot Herrn A.s zu­rück­ge­wie­sen hätten, ist nicht aktenkundig. Im Gegenteil findet man zwei Tage später, am 30.6., eine weitere E-Mail von A an C: „Sehr geehrter Herr C, unser Rechtsbeistand (…) sagte mir, dass Sie den Ansatz einer text­li­chen Vor­be­reitung durch den Antragsteller grundsätzlich begrüßen. (…) Wir ha­ben nach be­sten Wis­sen und Ge­wis­sen die maßgeblichen Daten und Inhalte zusammen­ge­stellt und in den beilie­gen­den Entwurf ge­packt.“ Der beiliegende Entwurf, vordatiert auf den 1.7., fin­det sich in den Akten, ver­se­hen mit dem hand­schrift­lichen Vermerk „(Entwurf) seitens Antragsteller“.

Am selben 30.6. zaubert die BImSchG-Behörde innerhalb kürzester Zeit – offenbar dank divinatorischer Eingebung – einen eigenen Entwurf aus dem Hut. Einige Teile aus dem Entwurf des Antragstellers finden sich darin wieder. Das ist nach dem E-Mail-Verkehr vielleicht nicht mehr überraschend. Staunenswert ist vielmehr fol­gen­des: dieser Vorbescheidsentwurf der Ge­nehmigungs­be­hör­de fällt po­sitiv aus, ob­wohl noch längst nicht alle Stellungnahmen vor­liegen. Wie kann eine unabhängig und ergebnisoffen arbeitende Ge­neh­mi­gungs­behörde schon am 30.6. wis­sen, dass am Ende ein positiver Vor­be­scheid aus­ge­stellt werden kann? Und noch etwas ist auffäl­lig: so­wohl im Entwurf des Antragstellers als auch im Entwurf der BImSchG-Behörde fehlen die Stellung­nah­men der Na­tur­schutz­ver­bände (VNV und BUND), die die Be­hörde selbst an­ge­for­dert hatte: beide Stel­­lung­nah­men be­tonen mit allem Nachdruck, dass das Pro­jekt aus Sicht des Natur- und Arten­schut­zes kei­ne po­si­ti­ve Ge­samt­prognose habe!

Dass noch nicht alle Stellungnahmen vorliegen, der Antrag also noch nicht entscheidungsreif sei, betont tags darauf auch der damalige Kreisrechtsrat, Herr E, in seiner Stellungnahme vom 1.7. gegenüber dem OVG Münster. Während nämlich Herr A „good cop“ mit dem HSK spielte, übernahm die „Windpark Auf der Sange GmbH“ die Rolle des „bad cop“. Über ein renommiertes Potsdamer Anwaltsbüro verklagte man den HSK am 1.7. vor dem OVG Mün­ster, um Minuten vor Verabschiedung des Gesetzes im Eil­ver­fah­ren vom Gericht den positiven Vor­be­scheid zu erhalten. Das OVG Münster lehnte den Eilantrag übri­gens noch am selben Tag unter an­derem mit dem Hin­weis ab, dass man erstmal abwarten müsse, wie der Landtag entscheide: es ist derselbe 1.7., an dem das 1.000 m-Gesetz in 2. Lesung im Landtag ver­han­delt und schließlich an­ge­nom­men wird.

Man könnte nun erwarten, dass unsere Geschichte hier zu Ende ist. Aber Herr C und Herr A hatten sich schon am 20.9.2020 über eine Strategie unterhalten, wie man mit dem damals noch im Entwurf  be­findlichen 1.000 m-Gesetz umgehen könne, und noch war es nicht zu spät, den im Entwurf schon ex­i­stie­renden positiven Vorbescheid auch wirklich auszustellen. Denn entscheidend war nicht der Tag, an dem das Ge­­setz be­schlos­sen wurde, son­­dern der Tag, an dem es in Kraft treten würde. Ob bei der Ent­scheidung, den Vorbescheid trotz des Urteils des OVG Münster vom 1.7. zu er­tei­len, auch die Be­mer­kung der Pots­da­mer Anwälte eine Rolle spielte, dass der „Auf der Sange GmbH“ Schäden in Mil­li­o­nenhöhe ent­ste­hen würden, für die man notfalls gerichtlich Schadensersatz erstreiten könnte, geht aus den Ak­ten nicht hervor. Unser Eindruck ist jeden­falls, dass die Be­hörde plötzlich eine hekti­sche Be­­trieb­samkeit ent­faltet hat, um möglichst schnell die ausstehenden Stellung­nah­men zu erhalten.

Insbesondere hatte die Bezirksregierung schon am 10.6. raumordnungsrechtliche Bedenken gegen das Projekt vorgebracht, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht entkräftet waren. Hintergrund ist der Lan­desentwicklungsplan, der Windkraft im Wald nur dann zulässt, wenn keine zumutbaren Ausweich­flä­chen im Gemeindegebiet vor­han­den sind (Ziel 7.3-1). Das muss nachgewiesen werden. Am 5.7. nimmt „Natur­werk“ zu diesen Be­denken der Bezirksregierung Stellung. Der erforderliche Nachweis feh­len­der Aus­weich­flächen hört sich dort so an: „Andere Flächen zur windenergetischen Nutzung im Ge­mein­de­ge­biet stehen ihm (sc. dem Be­trei­ber) privatrechtlich nicht zur Verfügung.“ Mit anderen Worten: „Wir kön­nen nicht aus­wei­chen, denn wir können nicht ausweichen.“ Das Überraschende ist: diese alles an­de­­re als überzeugende Stellung­nah­me führt bei der Bezirksregierung über Nacht zum Einlenken! Arns­­berg hält am 6.7. ge­gen­­über dem HSK noch einmal und mit denselben Worten wie schon am 10.6. fest, dass hier der Konflikt mit Ziel 7.3-1 bestehe, kommt aber im letzten Satz ohne Begründung zu dem über­ra­schenden Schluss: „Ge­gen die beantragte Er­richtung und den Be­trieb der fünf Wind­ener­gie­­an­la­gen be­ste­hen keine raum­ord­nerische Beden­ken.“ Ju­ri­stisch bleibt übri­gens fragwürdig, ob be­züg­lich mög­licher Ausweichflächen nicht auch noch einmal die Ge­meinde Eslohe hätte angehört wer­den müssen, da es für Windenergie im HSK keinen gül­ti­gen Regio­nal­plan gibt, auf den sich die Bezirks­re­gie­rung be­ru­fen konnte. Fehlt deshalb vielleicht eine Begrün­dung für das plötzliche Umschwenken?

Mit der rätselhaften und in sich widersprüchlichen Stellungnahme der Bezirksre­gie­rung war eine wich­ti­ge, aber nicht die letzte Hürde genommen. So gehen Stellungnahmen weiterer Kreis­behörden erst am 12.7., einen Tag vor Veröffentlichung des Vorbescheids, ein: die der Unteren Na­tur­schutz­be­hör­de und die der Unteren Bauaufsichtsbehörde (letztere sogar zweimal, in einer kürzeren und einer län­ge­ren, leicht überarbeiteten Fassung, beide Male aber mit dem fettgedruckten Hinweis, dass man zum Abstand keine Stellung nehmen könne, da das Gesetz vom 1.7. noch nicht in Kraft getreten sei). Auch die Stel­lung­nahme des Es­lo­her Bür­ger­mei­sters be­züg­lich Zuwegung, Wasseranschluss, Kanalisation und Lösch­was­servorhaltung, die die Ge­mein­de Eslohe nicht garantieren kann, geht am 12.7. (per E-Mail-An­hang?) bei der BImSchG-Behörde ein, obwohl sie posta­lisch erst am 22.7. in der Poststelle an­kommt (bei­de Ein­gänge finden sich in der Akte). Ist es Zu­fall, dass drei noch aus­ste­hende Stel­lung­nah­men gleich­­zeitig am 12.7. in Brilon eintreffen oder wur­de hier telefonisch or­che­striert, um tags dar­auf den im Ent­wurf schon bestehenden positiven Vorbescheid end­lich erteilen zu können, bevor das Gesetz am 15.7. in Kraft treten würde?

Als steuerzahlende Bürger haben wir bisher immer geglaubt, dass die Ge­nehmigungsbehörden, die aus unseren Steuern finanziert werden, ausschließlich nach Recht und Gesetz entscheiden. Wer die Akte „Auf der Sange“ studiert, muss zu einem anderen Ergebnis kom­men. Selbst Wind­kraftbefürworter run­zeln ob sol­cher Zustände die Stirn. Wie man auf die­se Wei­se unter Betroffenen Ak­zeptanz für derartig gra­vierende Eingriffe in unsere Natur- und Kul­tur­landschaft er­rei­chen möchte, bleibt ein Rätsel. Wir emp­fehlen deshalb allen Bewohnern des Hoch­sau­er­landkreises, die mit dem Bau von Wind­energie­kraft­werken in ihrer Nachbarschaft konfrontiert wer­den, unbedingt Ak­ten­einsicht zu nehmen. Es würde uns nach unseren bisherigen Erfahrungen allerdings überraschen, wenn die BlmSchG-Behörde, die gegen­über den Bürgern eigentlich eine Beratungspflicht hat, Sie bei diesem Anliegen bereitwillig unterstützen würde. Zu uns war Herr C am Telefon nur so lange freundlich, wie die Möglichkeit bestand, dass wir den Bau eines neuen Windparks planten; als sich herausstellte, dass wir besorgte An­woh­ner sind, schlug seine Stim­mung schlagartig um. Auch mussten wir zweimal nach Brilon fahren und an­walt­li­che Hilfe in An­spruch nehmen, bis wir alle Akten sehen durften. Daher unser Rat: Bleiben Sie hart­näckig! Lassen Sie sich nicht nach Guts­her­ren­art ab­fer­tigen! Es ist Ihr Recht, diese Do­­ku­mente zu sehen. Es ist Ihre Heimat, die bedroht wird. Wenn man Ihnen Schwierigkeiten macht, wen­den Sie sich am besten wie wir an den im Jahr 2021 ge­gründeten Na­­tur­schutz­verein „Mitten im Sau­­er­land“.[2] Dort hilft man Ih­nen ger­ne weiter.

Die Gemeinde Eslohe hat übrigens im August 2021 Widerspruch gegen den Vorbescheid eingelegt, da ihr Rechtsbeistand der Überzeugung ist, dass die Genehmigungsbehörde es an einem bestimmten Punkt des Verfahrens versäumt habe, das gemeindliche Einvernehmen einzuholen. Dieser Widerspruch ist im Oktober vom HSK als unzulässig abgelehnt, der Vorbescheid mithin aufrechterhalten worden. Gegen die­se Entscheidung hat die Ge­mein­de Eslohe Klage vor dem OVG Münster eingereicht, et adhuc sub iu­dice lis est. Das Urteil bleibt also abzuwarten, aber es ist dieser kleinen, selbstbewussten Gemeinde schon jetzt hoch anzurechnen, dass sie sich nicht alles gefallen lässt und sich seit Jahren mit allen Mitteln gegen den Bau der Windräder auf der Sange zur Wehr setzt. Dass demokratisch gewählte Ge­mein­de­vertreter ent­schei­den, ob fünf Türme von der anderthalbfachen Höhe des Kölner Domes er­rich­tet wer­den dürfen, die das Landschaftsbild erheblich verändern und von jedem Punkt des Ge­­meinde­ge­bie­tes gut sichtbar sein werden, wird leider eine Utopie bleiben. Aber kann es richtig sein, Ent­schei­dungen von solcher Trag­­weite einem un­durchsichtigen Behördenapparat zu überlassen, der aufgrund fragwürdiger Gut­ach­ten mit einer gut do­ku­men­tierten Grund­sym­pa­thie für den Antragsteller rechtlich bindende Bau­vor­­be­scheide erteilt? Uns wür­de es nicht überraschen, wenn auch an­dere An­trags­ver­fahren so abliefen wie auf der Sange und sich hier ein Sy­stem abzeichnete. Wie hatte Herr D 2016 zu Herrn A ge­sagt? „Wir sind eine Genehmigungsbehörde, wo­bei die Be­tonung auf Ge­neh­migung zu legen ist.“ Herr D ist übri­gens, wie man hört, mit mehreren Flächenbesitzern ver­wandt bzw. ver­schwägert, die von der Ge­neh­mi­gung von Wind­ener­gie­pro­jekten im HSK profitieren wür­den – nicht (soweit wir wissen) auf der Sange, aber vielleicht auch in Ihrer Nachbarschaft?

Zu den Autoren: Thomas Riesenweber ist Professor für Latinistik an der Bergischen Universität Wup­per­tal, Nadine Siepe ist Assistentin am Lehrstuhl für Latinistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Uni­ver­sität Bonn (z. Z. in Elternzeit). Beide wohnen mit ihren Kindern in Frielinghausen (Eslohe).


[1]  Die Na­men werden hier und im folgenden durch willkürlich ausgewählte Buchstaben anonymisiert. Tippfehler und Anakoluthe werden aus den Quellen übernommen.

[2] info@naturschutz-mittenimsauerland.de

Dieser Beitrag ist in leicht gekürzter Form in der ZEITSCHRIFT DES SAUERLÄNDER HEIMATBUNDES – SAUERLAND – Heft 1 – März 2022 – erschienen. WOLL druckt die Glosse mit freundlicher Genehmigung der ZEITSCHRIFT DES SAUERLÄNDER HEIMATBUNDES – SAUERLAND ab.