Holz, Landwirtschaft und Schützenbruderschaft prägen Dorfgemeinschaft in Brenschede
Bei der Beantwortung der Frage nach „der Seele“ des Dorfes gerät Fritz Schwermann ins Schwärmen und lobt „den einmaligen Zusammenhalt“. Schwermann ist 88 Jahre alt und lebt seit 1938 in Sundern-Brenschede: „Wir sind mit dem Wald groß geworden und waren als Waldarbeiter oder im Holzfuhrgeschäft tätig. Die harte gemeinsame Arbeit im Berg hat die Menschen geprägt und sie zusammengeschweißt.“ Holger Hengesbach und sein Vater Wolfgang vom „Klostergut“ charakterisieren das Dorf so: „Jedes Haus hat was mit Landwirtschaft und Holz zu tun. Die Menschen sind praktisch mit der Säge auf die Welt gekommen. Und aus fast jedem Haus stammt ein Schützenkönig.“
Brenschede, 16 Häuser, 65 Einwohner, der Ort zwischen Endorf und Kloster Brunnen im oberen Röhrtal („Endorfer Gebirge“) gelegen, bietet Ruhe und Abgeschiedenheit bei gleichzeitiger Nähe zur Stadt (Sundern). So sieht es Wolfgang Hengesbach: „Es ist die ideale Lebensform.“ Wohlwissend, dass außer dem Schulbus kein öffentliches Verkehrsmittel im Ort hält. „Heimat und Nachbarschaft haben hier einen überragenden Stellenwert“, meint Holger Hengesbach.
Fritz Schwermann mit seiner aus Gelsenkirchen stammenden Frau Christel im vorletzten Haus auf dem Weg nach Kloster Brunnen wohnend, erzählt, dass es „in den letzten Jahren im Dorf ruhiger geworden, die Dorfgemeinschaft weiter intakt“ sei. Seine Frau Christel, deren Mutter aus Endorf stammte, kann sich „eine Rückkehr in die Großstadt nicht vorstellen. Wir fühlen uns in Brenschede wohl.“ Wenn ihr Mann von früher erzählt, dann geht sein Herz auf: „Wir haben eigene Dorffeste gefeiert. Früher endete die Straße vor unserem Haus. Das war praktisch der Mittelpunkt des Dorfes. Nach der Arbeit war bei uns jeden Abend was los.“
Schützenbruderschaft St. Antonius ist prägende Klammer
Schwermann ist eines der noch lebenden Gründungsmitglieder der Schützenbruderschaft St. Antonius Kloster Brunnen. Die 1950 gegründete Bruderschaft, heute rund 200 Mitglieder stark, hatte sogar eine eigene Fußballmannschaft: die „Röhrbrenner“. „Röhr steht für Röhrenspring, Brenner für Brenschede“, so Schwermann. „Die Bruderschaft ist das verbindende Element zwischen Röhrenspring und Brenschede und gemeinsam mit Kloster Brunnen eine prägende Klammer für das obere Röhrtal“, betont Holger Hengesbach, der Geschäftsführer der Bruderschaft.
Stolz sind die Menschen auf Julian Schwermann, der als Fußball-Profi beim SC Verl in der dritten Liga spielt. 2014 wechselte der Brenscheder Junge, der immer einen Ball bei sich trug, nach den Stationen SV Endorf und TuS Sundern zum BVB, ehe der jetzt 21-Jährige im letzten Jahr einen Vertrag in Verl unterschrieb.
Franz Anton Thüsing erster Landrat des Kreises Arnsberg
Prägend für Brenschede und das obere Ruhrtal ist auch und besonders das „Klostergut Brenschede“, das Geschichte atmet: Hier wohnte Franz Anton Thüsing (1782 – 1835), der 1817 zum ersten Landrat des Kreises Arnsberg ernannt wurde. Das Klostergut war 1813 von Thüsing als Neubau des Schultenhofs errichtet worden. Der Neubau wurde wegen der engen Verbindung zu Kloster Brunnen „Klostergut“ genannt. Der Vater des Landrates, Dr. Franz Anton Thüsing hatte dem Kloster Brunnen erhebliche Waldflächen geschenkt. Der alte Schultenhof wurde 1842 abgerissen. Nach mehreren Besitzerwechseln erwarb der Plettenberger Sägewerksbesitzer Ludwig Vetter 1901 das Klostergut. Als Gutsverwalter wurde Heinrich Schwermann eingesetzt. 1946 übernahm Hansdieter Vetter das Anwesen. Dessen Tochter Angelika Hengesbach führt seit 2011 die Regie. Die Ehefrau von Wolfgang und die Mutter von Holger Hengesbach ist zudem eine mehrfach prämierte Hühnerzüchterin. Der eigene Wald des Klosterguts sowie die Flächen der anderen Waldbauern im Röhrtal wurden 2007 durch Kyrill besonders stark heimgesucht. Die Aufforstungsarbeiten werden seit 2018 durch weitere Schäden (Borkenkäfer) enorm beeinträchtigt. Anstelle von Fichten-Monokulturen wurden 24 Baumarten neu gepflanzt. „Die Landschaft ist stark im Wandel begriffen“, erläutert Angelika Hengesbach.
Niveau- und stilvolle 700-Jahr-Feier
Regional und überregional sorgte Brenschede 2014 und 2018 für Schlagzeilen. 2014 feierte der Ort sein 700-jähriges Jubiläum – durch puren Zufall. Anfang Januar 2014 entdeckte Wolfgang Hengesbach beim Zahnarzt in Sundern und beim Durchblättern der „Sunderaner Heimatblätter“ einen Artikel, dass der Ort 1314 erstmals erwähnt wurde. „Wir hatten das nicht auf dem Schirm.“ Das war aber das Signal für eine fundierte Recherche im Landesarchiv Münster. Hier wurde Hengesbach fündig und entdeckte eine erste urkundliche Erwähnung von „Bredeschede“ bei der Auslistung der Einnahmen des Mescheder Stiftes: Einnahme von 32 Denaren. Die ersten genannten Güter waren das „Gut op dem Ufer“ und der „Schultenhof“. Aus „Bredeschede“ wurde im Lauf der Zeit Brenschede und war ursprünglich Teil der Endorfer Bauernschaft. Innerhalb weniger Monate organisierte die Dorfgemeinschaft unter maßgeblicher Regie von Wolfgang Hengesbach eine niveau- und stilvolle Jubiläumsfeier. Höhepunkt der Feier am 30. August 2014 war das zweimal aufgeführte Possenspiel „Neuzeitlicher Badebetrieb von Kloster Brunnen“.
In seiner Begrüßungsrede sprach Wolfgang Hengesbach auf humorvolle Weise ein Thema an, das Brenschede beschäftigt und den Ort treffend beschreibt: „Die Leute hier sind einfach grundzufrieden, beinahe wunschlos glücklich und ruhen in sich selbst. Was sie sich wünschen sind ein funktionierendes Mobilfunknetz und eine schnelle Datenverbindung … Man kann mich beim Wort nehmen, in 700 weiteren Jahren wird es hier Mobilfunk und mobiles Internet geben, garantiert“, sagte Hengesbach und bot eine Wette von 50 Liter Bier an.
Vier Jahre später erhielt der Ort endlich Internet, aber ein Handyempfang war und ist weiterhin nicht möglich. Diese Tatsache lockte 2018 Medienvertreten aus ganz Deutschland ins obere Röhrtal. „Brenschede ist eines der bekanntesten Funklöcher Deutschlands“ erklärt IT-Spezialist Holger Hengesbach. „Aber wir kämpfen weiter um die mobile Erreichbarkeit.“