Quelle: privat
Zur Videokonferenz mit der Punkband „Los Potatoes“
Kennen Sie den? Sitzen drei Kartoffeln und ein Reporter mit Bier vorm Computer, …
So oder so ähnlich könnte dieser Artikel beginnen, in dem es um die Punkband „Los Potatoes“ aus Ottfingen geht. Nur zu gerne hätten wir uns in irgendeinem vor Kippen überquellenden, miefig-feuchten Proberaum irgendwo in einem dubiosen Industriegebiet getroffen, aber da gibt es ja dieses Virus, das Gesundheit und Kultur zerstört. Dadurch wiederum, dass es die Kultur zerlegt, zerstört es auch die Gesundheit, wissen wir doch längst: Musik hält fit und gesund!
Davon können, im wahrsten Sinne des Wortes, auch Tim Mölling, Robin Fuchs und Pascal Halbe ein Lied singen. Als drei Fünftel der „Los Potatoes“ stehen sie dem WOLL-Magazin heute via Videokonferenz Rede und Antwort. Das Gespräch wird nicht zuletzt dank der dabei konsumierten Bierchen recht launig. Wir wollen in einem klassischen Dreischritt wissen, wo diese Band erstens ihre Wurzeln hat, worin sie zweitens ihre Ziele sieht und wo sie drittens in diesem Prozess gerade steht. Ganz so strukturiert läuft es allerdings nicht wirklich, denn der Internetanbieter hustet heute nur gelegentlich seine Bitbröckchen durch die Leitung, und als Talent in der Disziplin „Eins nach dem anderen“ ist der Autor dieser Zeilen nun wirklich nicht bekannt.
Basser Tim holt sich in Aachen noch schnell ein Helles vom Balkon, Gitarrist Pascal genießt in Ottfingen ein Pils und bei Robin in Olpe gibt es ein Weizen. Der Reporter indes gönnt sich ein Münsterländer Landbier. Vielfältig wie die heutige Bierauswahl gestalten „Los Potatoes“ ihr musikalisches Oevre. Akustische Balladen wechseln sich mit nach vorne gehenden Riffrockern ab. Als Einflüsse nennt das Quintett, zu dem noch Gitarrist Jannik Klein und Schlagzeuger Pascal Bröcher zählen, die „Toten Hosen“, „Rise Against“ und die „Broilers“. Es wummert die Rhythmusfraktion, während Robin Fuchs wahlweise auf Englisch oder Deutsch (Dazu Sänger Robin: „Englisch klingt oft runder, aber auf Deutsch kann ich mich neuerdings besser ausdrücken.“) gesanglich das Leben durchs Mikro jagt und die Leadgitarre sich ein Ass nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt.
„Wir hören an und für sich ziemlich unterschiedliches Zeug, doch wenn wir im Proberaum stehen, sind wir uns überraschend einig“, erläutert Tim nach einem satten Zug am Hellen. Ins ferne Aachen hat es den Maschinenbauer verschlagen, doch noch oft genug kommt er in heimische Gefilde, um in der Nähe eines bekannten Schnellrestaurants mit den Jungs zu proben. „Damals waren wir so oft beim Fast Food, dass einige von uns beschlossen, direkt ohne Zahlungsmittel zur Probe zukommen“, lacht Pascal Halbe.
Die Band gründete sich 2010 ganz klassisch als Sauerländer Dorfcombo mit den üblichen Geburtswehen und Kinderkrankheiten. Pascal hing oft bei Robin, Tim und den anderen in Rhode ab, mit Bier, Döner und den „Broilers“ als Soundtrack. Der Rest fügte sich. Bis auf Basser Tim spielt die Band in Urbesetzung. Mittlerweile über 100 Auftritte haben die Jungs zusammengeschweißt, von der Reeperbahn bis Kirchveischede rockten „Los Potatoes“ Haus und Gelände. Das kleinste Publikum fand der Fünfer in Heide, Kreis Büsum, vor. Vor fünf Leuten inklusive Thekenpersonal entschlossen sich die Mitt- bis Endzwanziger kurzerhand zu einer offenen Probe im Plauderton mit gelegentlichen musikalischen Einsprengseln. Derartige Flexibilität zeugt von einem professionellen Selbstverständnis bei gleichzeitiger Bescheidenheit. Nicht die schlechteste Kombination im Business, wo die Band bei „Timezone Records“ unter Vertrag steht. In Chemnitz traten „Los Potatoes“ als Vorband der „Ohrbooten“ auf, die wiederum schon für die „Hosen“ eröffnen durften. Der Tisch ist reich gedeckt; für hungrige Musiker wie die nach dem Ottfinger Kartoffelfest benannten gibt es einen weiten Markt der Möglichkeiten.
„Aktuell ist alles anders“, setzt Robin in Olpe sein Weizen ab, „wir haben vor dem Lockdown viel neues Material aufgenommen und gemischt. Im ersten Lockdown ist unser Video zu „Going On“ entstanden – übrigens im siffigsten Proberaum aller Zeiten. Ausgekippte Milch aus Transportern, Spuren dutzender Einbrüche, Kellerasseln, gelecktes Öl von Motorschäden, da war alles dabei“, blickt er auf die vergangenen Monate zurück. „Zudem haben wir zu unserem Lied ‚Alles wird anders‘ Live-Auftritte zusammengeschnitten.“
Wenn die drei jungen Kerle da so in die Kamera schauen, wirken sie trotz des Stillstandes unverzagt. Die Bremse zieht, doch der Motor läuft. Als Ziele nennt Pascal Halbe zwei Richtungen: „Wir wollen einerseits stärker den heimischen Sauerländer Beritt spielen, uns gleichzeitig aber auch deutschlandweit raus bewegen, um neue Menschen zu treffen, andere Bühnen zu rocken, einfach mal wieder ein bisschen Abwechslung zu kriegen.“Je länger der Hunger, desto besser das Essen danach. Bei „Los Potatoes“ wird das nicht nur ein Teller voller schnöder Kartoffeln sein, sondern ein Festschmaus aus 5-Song-EP, Liveauftritten und echten Begegnungen ohne Bildschirm, garantiert! Wir prosten uns ein letztes Mal zu, die leeren Bierflaschen glockern in die Kästen zurück, und Sänger Robin hat das Schlusswort: „Mit uns ist zu rechnen!“