Migrationsgeschichte aus dem Sauerland

Zeyad 2014

Quelle: Bianka Hesse

Zeyad, ein jemenitisches Kind, wird im Alter von sechs Jahren mit Hilfe einer Ärzteorganisation nach Deutschland geholt, um den vor drei Jahren gebrochenen linken Unterschenkel zu retten. Nach sechsmonatigem Krankenhausaufenthalt reist er zurück zu seinen bitterarmen Eltern und zwölf Geschwistern. Wenige Monate später wird der Junge erneut allein nach Deutschland geflogen. Bis zur geplanten Rückkehr, nach 18 Monaten Klinikaufenthalt, hat er etwa 30 Operationen über sich ergehen lassen. Die Knochen seines Unterschenkels werden entfernt und durch Knochenfragmente, die man seinem Körper entnimmt, ersetzt. Ohne Sprachkenntnisse und ohne eine Bezugsperson kämpft er gegen viele Qualen um sein Überleben. Als er aus der Klinik entlassen wird, bittet man ein älteres Ehepaar, das Kind für fünf bis sechs Wochen bis zum Rückflug zu beherbergen. Zeyad hat sich zu einem sozial verwahrlosten Kind mit Hospitalismus-Symptomen entwickelt, seine Seele kennt nur noch Kampf. Ein Unfall nach 14 Tagen auf dem Hof der Pflegeeltern und daraus folgende Komplikationen mit zehn weiteren Operationen verzögern die Rückführung ins Heimatland mehr und mehr.

Sozial verwahrlostes Kind mit Hospitalismus-Symptomen

Nach zwei Jahren bei den Pflegeeltern hat sich eine große beiderseitige Zuneigung entwickelt. Mit Empathie und Fachwissen aus Bergen von Büchern haben die Pflegeeltern einen Schutz um die verletzte Seele aufbauen können. Zeyad hat nur noch den Wunsch, in Deutschland, in der Familie, bleiben zu dürfen. Es beginnt ein Streit mit der Ärzteorganisation, die verpflichtet ist, das Kind zurückzuführen. Der Kampf weitet sich aus und landet sogar vor Gericht, wo endlich ein Richter zum Wohl des Jungen entscheidet, der inzwischen die Schule besucht und die deutsche Sprache perfekt beherrscht, während er sich konsequent weigert, auch nur ein Wort Arabisch zu sprechen. Vor der Erteilung des Sorgerechtes wollen die Eltern, die über all die Jahre nichts von sich haben hören lassen, ihn noch einmal sehen. Sie werden eingeladen. Zeyad ist voller Abneigung und Panik, für ihn ist der Besuch sehr anstrengend. Wenige Wochen nach Abreise der Eltern und Erteilung des Sorgerechts an die Pflegeeltern bricht sich Zeyad erneut den fragilen Unterschenkel und beschließt mit Unterstützung eines Professors, der kurz zuvor erstmals konsultiert wurde: „Das Ding muss ab!“ Nach all den Operationen für den Erhalt des Beines bewältigt Zeyad nun mit der gleichen unendlichen Willenskraft die Amputation. Wenige Monate später springt und klettert ein glückliches Kind mit perfekt sitzender Prothese über Tische und Bänke. Mit derselben Vehemenz erkämpft der Junge sich einen neuen Namen: Fortan will er Max genannt werden. Drei Jahre nach der Übernahme des Sorgerechts erhält er den deutschen Pass und kann als Maximilian glücklich in seine Zukunft wirbeln.

Aus Zeyad wird MaxQuelle: Bianka Hesse
Aus Zeyad wird Max Foto: Bianka Hesse

„Das Ding muss ab!“

Doch noch ist der Kampf nicht vorüber. Sein auffälliges Verhalten in der Schule, bedingt durch die Traumata, die Max erlitten hat, zwingen die inzwischen 70-jährigen Pflegeeltern zu immer neuen Interventionen und Rechtfertigungen. Max will unbedingt die Schule schaffen und Arzt werden. Er wird diesen Berufstraum sicherlich mit der gleichen Energie verwirklichen, die ihn alle bisherigen Hürden seiner unglaublichen Lebensgeschichte meistern ließ.

Ein Buch, das aufwühlt und nachdenklich macht

„Es war einmal…

So beginnen Märchen, Märchen, die zum Träumen, zum Weinen und zum Lachen bringen. Am Ende verwandelt sich die Magd in die Prinzession, der Frosch in den Prinzen und alle sind glücklich. Unser Märchen begann im April 2011, wenige Tage vor Ostern. Ein kleiner Bettler stand vor uns, er bettelte um Liebe und Fürsorge. Das Märchen einer Verwandlung hatte begonnen.“

So beginnt Bianka Hesse die Erzählung in ihrem Buch „MAX IM GLÜCK – Eine Migrationsgeschichte voll Liebe und Geduld.“ Auf 316 Seiten erzählt sie, manchmal detailvesessen und dann wieder mit rührender Einfühlsamkeit, wie aus dem jemenitischen Kriegskind der junge Max wird.

Bianka Hesse: MAX IM GLÜCK – Eine Migrationsgeschichte voll Liebe und Geduld. WOLL-Verlag, Schmallenberg. Dezember 2020. ISBN 978-3-948496-18-0, 316 Seiten, Softcover, LVP: 14,90 EuroInformationen zum Buch und Bestellmöglichkeiten

Cover des Buches MAX IM GLÜCKQuelle: WOLL-Verlag
MAX IM GLÜCK