Meinolf Mergheims Hardtkopfsteig

Ein Dorforiginal und sein durch und durch Sauerländer Wandertraum

Zu Fuß auf Berge zu steigen, ist für den gebürtigen Oberkirchener seit Jahrzehnten der perfekte Ausgleich zum Arbeitsalltag. Auf der Ahornspitze in den Zillertaler Alpen hat er in fast 3.000 Metern Höhe sein erstes Gipfelkreuz umarmt. Die Faszination der Gipfel und der steilen Blicke in die Täler lie  ihn seither nicht mehr los. Viele Jahrzehnte und ungezählte Alpengipfel später entschied er: „In meinem Alter reichen auch die Sauerländer Berge.“ Auf ein Gipfelkreuz will er aber nicht verzichten. So entstand die Idee zum Hardtkopfsteig mit Gipfelkreuz. Als einer der Oberkirchener Rundwanderwege beginnt der Steig an „Schütten Brücke“ im Ortskern von Oberkirchen. Er ist durchgehend mit dem Wanderzeichen O3 markiert, 7,1 km lang und stellt dem Wanderer 313 Höhenmeter in den Weg. Zweieinhalb Stunden Wanderzeit sollte man mindestens einplanen.

Das Geburtshaus Meinolf Mergheims stand nur einen Steinwurf entfernt am Fuße der Hardt, jenes Berges, der sich direkt nördlich des Ortes vor dem Wanderer erhebt. Steil, markant und weithin sichtbar ragt er als Oberkirchener Hausberg neben dem Wilzenberg auf. Mit historischem Werkzeug im Rucksack machte sich der gelernte Schreiner auf, überwachsene Pfade seiner Kindheit wiederzufinden, freizulegen und – wo nötig – behutsam um ein paar Meter Trampelpfad zu ergänzen. Immer dabei war „die Axt vom alten Schwenke“, dem künstlerisch wie handwerklich begabten Vater des legendären, inzwischen im Ruhestand befindlichen Pfarrers von Oberkirchen. „Man muss annehmen, was die Natur einem bietet – die Landschaft und das Material“, ist Meinolf Mergheims Grundsatz. Das heißt, er greift nur ganz behutsam ein und lässt alles möglichst so, wie es ist: ein paar Äste abhacken, ein paar Tritte in die Böschung graben – mehr nicht.

Meinolf Mergheim

Natürlich spricht er vorher mit Grundeigentümern und Jagdpächtern – am besten am Stammtisch oder auf dem Schützenfest. Die Gespräche laufen dann immer gleich: „Na, was haste wieder vor?“ Und wenn er es dann erklärt hat, hört er ein: „Kannste machen!“ Schließlich genießen alle Oberkirchener seit Jahren die von Meinolf Mergheim angelegten oder besser gesagt wieder freigelegten Wege wie den alten Postweg nach Schanze oder den Pfad zum Hirscheck im Hartmecketal.

Den ersten Abschnitt des Hardtkopfsteigs bildet der alte Kirchweg von Obersorpe nach Oberkirchen. Als Obersorpe noch keine eigene Kirche hatte, kamen die Sorpetaler auf einem Pfad unter anderem am Himmelfahrtstag über den Kamm nach Oberkirchen – vorneweg ein kräftiger Bursche mit dem Prozessionskreuz. Ein schweres Kreuz vor dem Bauch zu tragen, sollte sich der Wanderer von heute einmal vorstellen, wenn er auf steiler Straße zwischen Friedhof und Kindergarten schon aus der Puste kommt. Nach der morgendlichen Überquerung des „Passes“, nach der anstrengenden Prozession über die Almert bis nach Winkhausen und vor allem nach dem noch anstrengenderen Aufenthalt im Wirtshaus stand den Obersorpenern der Rückweg über den Pass bevor. Man erzählt sich, dass der Kreuzträger auf diesem Rückweg am Waldrand gerne sein Kreuz auf eine Bank gelegt hat – mit einem tiefen Blick in die Augen des Gekreuzigten und den Worten: „Wer nicht selbst laufen kann, sollte zu Hause bleiben!“ Deshalb ist die Bank, die heute noch am ersten Aussichtspunkt des Hardtkopfsteigs am Waldrand steht, lang genug, um ein Prozessionskreuz darauf abzulegen. Auf schattig-waldigen Pfaden geht es dann auf dem alten Kirchenpfad auf die „Passhöhe“. Auch dort steht ein historisches Kreuz. An dieser Stelle hat wohl ein Oberkirchener Vikar in einer stürmischen Nacht auf dem Weg zu einer Krankensalbung in Obersorpe die Hostie verloren. Seither steht dort ein Kreuz.

Der Gipfel der Hardt liegt jetzt linker Hand oberhalb des Passes. Den Pfad hinauf zum Gipfel hat Meinolf Mergheim neu angelegt. Durchsetzt mit Felsen und Totholz, ist der lichte Buchenwald ein Wanderertraum. Es handelt sich aber nicht um ein Naturschutzgebiet, sondern einfach um ein Waldstück im Besitz der Kirche, in dem die Schöpfung so sein darf, wie sie will. Nach Durchblicken ins Lenne- und Nesselbachtal schaut man plötzlich hinüber zur Hunau – und steht auf dem Gipfel der Hardt. Aus einem alten Steinhaufen erhebt sich dort heute ein neues Gipfelkreuz. Schon vorher steckte in den Steinen mal ein einfaches Kreuz, das an den Tod eines deutschen Landsers in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs erinnerte. Das Lärchenholz für das neue Kreuz wurde vom Sägewerk Feldmann aus Oberkirchen gestiftet. „Drei Herrschaften stehen an der Spitze“, sagt Meinolf Mergheim und meint damit die Dreifaltigkeit. Deshalb ist das Kreuz drei Meter hoch. Kein befahrbarer Weg führt auf den Gipfel. Deshalb hat der damals 81-Jährige die Balken vom obersten Querweg aus auf dem eigenen Rücken auf den Gipfel getragen und dort zusammengesetzt. „Einen hilfreichen Simon gab’s auch“, erzählt er. Zufällig kam genau passend ein anderer Oberkirchener Rentner vorbei und so haben die beiden das Dreimeterkreuz im trockenen Sommer 2018 von Hand aufgerichtet und mit Steinen fixiert. „Zur Not hätte ich es wohl auch allein geschafft“, sagt Mergheim, „aber zu zweit ging’s besser.“ Das alte Kreuz war allerdings wohl deutlich kleiner. Für das neue, größere Kreuz musste damit auch der Steinhaufen größer werden. Tagelang schleppte Meinolf Mergheim möglichst große Steine aus den umliegenden Wäldern heran. „Das gab schon etwas Muskelkater“, kommentiert er lapidar.

Vom Gipfelkreuz aus führt der Hardtkopfsteig über einen Bergrücken, der immer schmaler wird und mit etwas Phantasie spätestens dort an einen Grat in den Alpen erinnert, wo er Ausblicke nordwärts über das Sorpetal bis Holthausen und Bad Fredeburg sowie südwärts auf das „Hochplateau“ der Almert bietet. „An so eine Stelle gehört eigentlich ein Bildstock“, überlegte Meinolf Mergheim. Und natürlich kam ihm auch dazu eine Idee. In einer Scheune der Gärtnerei Wenning wartete seit Jahren ein wunderschön geschnitztes Grabkreuz auf einen neuen Standplatz. Ursprünglich stand es auf dem inzwischen eingeebneten Familiengrab der Hoteliersfamilie Deimann auf dem Friedhof in Gleidorf. Behutsam restaurierte Meinolf Mergheim das alte Kunstwerk. Sein Vetter, der „Schmiede-Willi“, und dessen Sohn Thomas Schütte – die Eigentümer der Kunstschmiede in der Schwarzen Fabrik – stifteten einen schweren, verzinkten Metallsockel, den Meinolf Mergheim mit der Spitzhacke in den Felsen einarbeitete. „Steine zum Abdecken gibt es da oben ja genug.“

Vom alten Deimann-Kreuz geht der Hardtkopfsteig weiter in Richtung Deimanns Hütte. Um in Deimanns Wäldern einen alten Hohlweg wieder passierbar zu machen, kam die alte Axt zum Einsatz. Und natürlich gehört auch eine Bank zu einem solchen Wanderweg. Die alte Bank unter der SGV-Eiche am Ende des Hohlwegs war weitgehend verrottet. Also hat Meinolf Mergheim sie wieder hergerichtet.

An der SGV-Eiche endet der von Meinolf Mergheim gestaltete Teil des Hardtkopfsteigs. Die Wanderung über den Oberkirchener Rundwanderweg O3 geht aber weiter, zunächst zum Weißen Kreuz. Dort vereint sich der O3 für einen besonders spannenden Abschnitt mit dem Sorpetaler Panoramaweg. Bis zu Deimanns Knollenhütte geht der eindrucksvolle Pfad durch den alten Knollensteinbruch. Von der Knollenhütte – mit einer willkommenen Einkehrmöglichkeit – geht es dann gemütlich am Hang entlang über Forstwege zurück zum Ausgangspunkt.