
Friedrich Merz kann Bundeskanzler werden
Aus dem Hochsauerlandkreis sind bisher drei Politiker auf bundesrepublikanischer Ebene in bedeutenden Ämtern und Funktionen in Erscheinung getreten: Heinrich Lübke aus Enkhausen (Sundern) von 1959 bis 1969 als Bundespräsident und Franz Müntefering aus Allendorf (Sundern,) als SPD-Vorsitzender (zweimal: 2004 bis 2005 und 2008 bis 2009), Vorsitzender der Bundestagsfraktion (2002 bis 2005), Vizekanzler (2005 bis 2007) und Bundesminister (1989 bis 1999 und 2005 bis 2007). Außerdem dazu gehört Friedrich Merz, geboren in Brilon und heute lebend in Arnsberg-Niedereimer, als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag (von 2000 bis 2002 und wieder seit 2022) Außerdem ist der Sauerländer seit 2022 Vorsitzender der Bundes-CDU. Am 30. November wurde der 69-Jährige von den Delegierten der CDU im Hochsauerlandkreis in der Stadthalle Schmallenberg mit überwältigender Mehrheit (99 Prozent) erneut zum Kandidaten für den Wahlkreis 146 für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 gewählt. Nur kurze Zeit nach der Wahl konnten Tiny Brouwers und Hermann-J. Hoffe vom WOLL-Magazin exklusiv mit dem frisch gekürten CDU-Kandidaten über die erneute Wahl zum Wahlkreiskandidaten und die wichtigen Themen in der Politik sowie die Herausforderungen in den kommenden Tagen und Wochen bis zur Bundestagswahl sprechen.
WOLL: Herr Merz, Sie sind Bundesvorsitzender der CDU, der aktuell stärksten Partei im Land, Vorsitzender der Fraktion der CDU/CSU im Bundestag und jetzt frisch gewählter Direktkandidat mit 99 Prozent für den Wahlkreis Hochsauerlandkreis. Welches Amt ist das wichtigste und warum?
Friedrich Merz: Ich habe immer die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag als die wichtigste Aufgabe empfunden. Alles andere leitet sich daraus ab. Volksvertreter in der Herzkammer unserer Demokratie zu sein, und das ist der Bundestag, ist für mich immer die wichtigste und zugleich ehrenhafteste politische Aufgabe gewesen.

WOLL: Nach dem Bundespräsidenten Heinrich Lübke aus Sundern-Enkhausen und dem SPD-Vorsitzenden und Bundesminister Franz Müntefering aus Sundern- Allendorf ist Friedrich Merz der dritte Politiker aus dem Sauerland, der im Bund ein herausragendes Amt, nämlich das des Bundeskanzlers, erringen könnte. Ein wenig stolz, oder wie betrachten Sie das?
Friedrich Merz: Es ist eine Mischung aus Dankbarkeit und Demut. Ich weiß, was das bedeutet. Und ich weiß, vor welchen Herausforderungen unser Land steht. Vor diesem Hintergrund ist es für mich auch wichtig, eine Basis in meiner Heimat zu haben. Wann immer es geht, bin ich am Wochenende zuhause. Die begrenzte Zeit hier zu haben, das ist für mich auch emotional sehr wichtig. Wenn ich länger nicht zu Hause gewesen bin, dann merke ich, dass mir etwas fehlt, sowohl physisch als auch emotional. Es ist das Gefühl, zuhause zu sein, eine Heimat zu haben, gemeinsam mit Familie und Freunden etwas zu unternehmen und zusammenzuhalten. Es ist das, was uns als Menschen leben lässt, was uns verbindet. Das ist Heimat. Der Begriff Heimat wird für mich, wenn ich hier bin, mit Leben erfüllt.
WOLL: Heinrich Lübke hat der Sauerländer Sprache und dem ungelenken Humor der Sauerländer zu unvergesslichem Ruhm verholfen, Franz Müntefering hob die nachweislich schlaue Bildung der Volksschule Sauerland für das Verstehen und Erklären schwieriger politischer Entscheidungen hervor. Für welche Sauerländer Tugenden und Eigenarten steht der Kanzlerkandidat Friedrich Merz?
Friedrich Merz: Lübke und Müntefering sind vielleicht noch eher die gewesen, die mit dem rollenden „R“, einem stark ausgeprägten Akzent, das Sauerland etwas mehr verkörpert haben, als ich es heute tue. Uns verbindet die unaufgeregte Aufrichtigkeit im Umgang miteinander. Wir machen hier nicht viele Worte um das, was wichtig ist. Man kann auch mit wenigen Worten etwas zum Ausdruck bringen. Sauerländer sind bodenständig, heimatverbunden und weltoffen.
WOLL: Und welche Tugenden treffen besonders auf Friedrich Merz zu?
Friedrich Merz: Das können andere sicher besser beantworten. Beständigkeit, Widerstandsfähigkeit, mit Freude an der Arbeit, aber auch das Leben genießen können – das beschreibt mich aus meiner Sicht ganz gut.
Einfach mal machen WOLL: Ulrich Raulf sagt über die Sauerländerinnen und Sauerländer, dass sie Ahnung haben und auch die schwierigsten Probleme und Aufgaben mit zupackender Tatkraft, sofort, konsequent und nachhaltig lösen. Wäre das eine erfolgversprechende Methode für den möglichen Bundeskanzler Friedrich Merz?
Friedrich Merz: Ja! Ulrich Raulf beschreibt das Sauerland sehr gut. Aus meiner Sicht ist sein Buch das Standardwerk über die Sauerländer der neueren Zeit. Wir machen nicht viel Aufhebens um das, was wir machen wollen. Wir tun es einfach. „Einfach mal machen!“ pflegt mein Generalsekretär Carsten Linnemann gelegentlich zu sagen.
WOLL: Abseits der Weltpolitik und weitreichender Entscheidungen fürchten sich die Menschen im Sauerland vor einem völlig ungezügelten, für die meisten auch völlig unsinnigen und dazu auch noch umweltschädigenden Zubau von Windindustrieanlagen auf den mehr als 1.000 Sauerländer Bergen und in den Sauerländer Wäldern. Was würden Sie dagegen tun?
Friedrich Merz: Ich hoffe, dass wir eine Lösung für diesen Konflikt, den wir zurzeit haben, bekommen. Denn er betrifft besonders stark diesen Teil des Hochsauerlandkreises, in dem wir gerade sind. Ich bin nicht gegen Windkraft, aber der Ausbau muss kontrolliert stattfinden und mit dem Landschaftsbild, das wir hier haben, einigermaßen in Übereinstimmung stehen. Schön ist das alles nicht, aber leider eine Notwendigkeit. Wir leben in einer Industrieregion und brauchen Stromerzeugungskapazitäten. Und bei den alten fossilen Energieträgern können wir nicht bleiben. Aber wenn wir eine solche Transformation machen, dann geht das nur mit der Bevölkerung, nicht gegen sie. Entscheidend wird sein, dass wir in der Woche ab dem 2. Dezember einen Vorschlag der Bundesregierung zur Veränderung der gesetzlichen Grundlagen für die Landesraumplanung bekommen. Das Land Nordrhein-Westfalen muss wieder das Recht erhalten, eine Raumplanung vornehmen zu können. Dann kann die Bezirksregierung im Hochsauerlandkreis Gebiete ausweisen, in denen bevorzugt Windkraftanlagen gebaut werden. Und in anderen eben nicht. Ich hoffe, dass das gelingt. Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte mir versprochen, binnen zwei bis drei Wochen nach der Gerichtsentscheidung des OVG in Münster einen Textvorschlag dazu vorzulegen. Jetzt sind schon zwei Monate vergangen. Das ist inakzeptabel. Wir müssen jetzt schnell eine Lösung finden.
Industrieregion im Grünen WOLL: Das Vertrauen in das Schaffen und Wirken der Politik und der dort agierenden Politikerinnen und Politiker ist auf allen Ebenen (von der Kommune bis Europa), so scheint es, auf einem historischen Tiefstand. Was werden Sie dagegen tun?
Friedrich Merz: Zunächst einmal: Der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern im Hochsauerlandkreis wird bei mir so bleiben, wie ich das bisher in meinem Wahlkreis auch gemacht habe. Ich biete regelmäßig Bürgerfragestunden an, manche davon auch telefonisch. Ich werde versuchen, meine Präsenz hier in dem Rahmen aufrecht zu erhalten, wie bisher. Und wenn ich dann in der Heimat bin, kann ich von hier aus vieles machen. Ich werde weiter das Wahlkreisbüro in Meschede haben. Dort sind zu jeder Zeit Ansprechpartner für alle Bürgerinnen und Bürger. Und dann müssen wir gemeinsam die Probleme unseres Landes lösen. Damit kommt Vertrauen in die Politik zurück.
WOLL: Wie nach fast vier Jahren jetzt immer deutlicher wird, hat die Politik und die sie vertretenen Parteien in der Zeit der Corona-Pandemie ab Februar 2020 kein gutes Bild abgegeben, manche sagen auch: sie haben versagt. Wie kann dieser einmalige Einschnitt in der Geschichte unseres Landes aufgearbeitet und wieder geheilt werden?
Friedrich Merz: Wahrscheinlich war es in dieser Wahlperiode zu früh. In der nächsten Wahlperiode werden wir etwas tun müssen. Zumal, wie sich jetzt durch die Veröffentlichung der RKI-Protokolle herausstellt, gegen den wissenschaftlichen Rat von Gesundheitsminister Lauterbach Lockdowns länger aufrecht gehalten worden sind, als nötig. Nun ist man später immer klüger. Ich denke aber, dass wir im kommenden Bundestag eine Institution sehen werden, wo die Dinge aufgearbeitet werden. Wir sollten aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie und ihrem Umgang damit für die Zukunft auch etwas lernen.
WOLL: Das Sauerland insgesamt und der Hochsauerlandkreis im Besonderen gelten als Industrieregion im Grünen. Die profitablen Betriebe, viele davon führend in ihren Branchen, sorgen, zusammen mit der einzigartigen Kulturlandschaft und der damit einhergehenden Wirtschaft für einen nie dagewesenen Wohlstand in dieser Region. Wird das auch in fünfzig oder hundert Jahren noch so sein?
Friedrich Merz: Wichtig ist, dass der Tourismus, die Gastronomie und die Landwirtschaft in der Pflege der Kulturlandschaft Hand in Hand gehen. Wir haben insgesamt eine große gesellschaftliche Geschlossenheit, wenn es um diese Themen geht, einen großen Konsens. Wie weit die Unternehmen in der Region eine Zukunft haben, ist nicht nur von Rahmenbedingungen der Region abhängig. Wir müssen insgesamt wettbewerbsfähige Unternehmen in ganz Deutschland erhalten. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft ist leider nicht größer geworden. Im Gegenteil. Und an der Stelle werden wir einiges korrigieren müssen. Stichworte sind Arbeitsmarkt, Energieversorgung, Bürokratielasten, Steuern, aber auch Arbeitsmoral. Was ist Arbeit heute noch für uns? Ist das eine unangenehme Unterbrechung unserer Freizeit? Oder ist es auch Lebensinhalt und Lebenserfüllung? Dass wir Freude daran haben, etwas zu schaffen, dass wir Menschen motivieren, etwas mehr zu leisten. Mit Viertagewoche und 30 Stunden Wochenarbeitszeit werden wir unseren Wohlstand jedenfalls nicht erhalten.
Freude daran haben, etwas zu tun WOLL: Und wie erreichen wir das?
Friedrich Merz: Durch Motivation, durch Vermittlung von Zuversicht und mit den richtigen Anreizen. Ich bin ein Gegner von Repression und ständiger Bevormundung. In einer freien Gesellschaft muss man motivieren und die richtigen Anreize schaffen. Zum Beispiel durch steuerfreie Überstunden. Oder bei Rentnern eine Aktivrente: Wer in der Rente ist, aber gerne noch etwas tun will, soll im Monat bis 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen. Die Ergebnisse der Prognos-Studie zeigen, wie motivierend das ist. Eine solche Atmosphäre hätte ich gerne in Deutschland: Freude daran zu haben, etwas zu tun, und zu wissen, dass sich das auch lohnt.
WOLL: Dazu gehört sicherlich auch der Bürokratieabbau?
Friedrich Merz: Ich habe es eben in meiner Rede schon gesagt: Wir müssen jetzt wirklich mit dem Abbau der Bürokratie anfangen. Das geht allerdings nur zusammen mit Europa, nicht allein in Deutschland.
WOLL: Die jetzige Regierung versucht vieles zu regulieren – von der Heizung im Keller bis zu dem, was auf den Teller kommt. Wie sieht das aus, wenn Sie Bundeskanzler werden würden?
Friedrich Merz: Die jetzige Wirtschaftspolitik und Überregulierung nimmt die Menschen nicht mit. Die Ziele bleiben, dass wir Klimaschutz brauchen und CO2-Neutralität erreichen – aber nicht so, dass der Staat für verschiedene Lebensbereiche Auflagen macht. Ich traue den Menschen zu, sich vernünftig zu verhalten, ohne dass der Staat dies bis ins letzte Detail regelt. Wir nennen das Ziel und legen den Rahmen fest, aber nicht den Weg dahin. Das ist Technologieoffenheit. Wir vertrauen dabei der Innovationsfähigkeit unserer Wissenschaft und Wirtschaft.
WOLL: Sie haben heute Morgen in der Rede gesagt: Wir helfen denen, die Hilfe brauchen. Kommt damit das „C“ für christliche Politik wieder zurück?
Friedrich Merz: Es ist doch selbstverständlich, dass wir, wenn wir uns Christlich Demokratische Union nennen, den Schwachen helfen und ihnen Perspektiven geben. Das heißt aber nicht, dass mit uns ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle kommt. Wir haben 1,7 Millionen Bürgergeld-Empfänger, die eigentlich arbeitsfähig sind. Da stimmt etwas in unserem Arbeitsmarktsystem nicht, wenn gleichzeig überall Facharbeiter und Arbeitskräfte fehlen. Das werden wir ändern.
WOLL: Zum Schluss eine Frage, die uns eine junge Mutter aufgetragen hat: Nennen Sie bitte drei Argumente, warum sie die CDU wählen soll, auch im Hinblick auf Migrationspolitik?
Friedrich Merz: Die Städte und Gemeinden leisten hier sehr gute Arbeit, sind aber mit der Aufnahme von Flüchtlingen mittlerweile restlos überfordert. Wir müssen an den Grenzen zurückweisen und diejenigen, die keine dauerhafte Bleibeperspektive haben, auch wieder zurückschicken. Das haben wir sehr ausführlich formuliert. Und drei Argumente, warum die junge Frau CDU wählen soll: Wir gehen raus aus der übermäßigen Regulierung, wir werden dem Land wieder eine Perspektive in der Wirtschaft geben und dafür sorgen, dass das gesellschaftliche Klima in diesem Land wieder besser wird.
WOLL: Vielen Dank, Friedrich Merz, für den Einblick in die Beweggründe und Gedanken eines führenden Politikers und möglichen Bundeskanzlers. Alles Gute und auf Ihrem Weg.