Mehr als nur Haareschneiden – die Bedeutung des Friseurhandwerks

Berufe im Wandel der Zeit

Gepflegtes und gut frisiertes Haar ist in unserer Gesellschaft schon seit Jahrhunderten von großer Bedeutung. Daran hat sich nichts geändert. Ganz besonders wurde das während der Corona-Pandemie deutlich, als die Salons wochenlang geschlossen bleiben mussten. Grund genug, den systemrelevanten Beruf einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Als Peter Pruski im Jahr 1971 die Ausbildung zum Friseur begann, ahnte er nicht, dass es sein Traumberuf werden würde, denn ursprünglich wollte er medizinischer Bademeister werden. Nach der Ausbildung und der Zeit bei der Bundeswehr hat er noch zwei Jahre als Friseur gearbeitet, doch die Familienplanung zwang ihn dazu, in die Industrie zu wechseln, um die Familie finanziell versorgen zu können. Ein schwerer Schritt für den heute 65-Jährigen, aber es blieb ihm schlicht nichts Anderes übrig. Trotzdem erinnert er sich gern an die Zeit damals zurück.

Frühschoppen im Salon

In der Ausbildung erlernte man sämtliche Tätigkeiten des Friseurhandwerks. „An Puppenköpfen wurden Haare aufgedreht, geschnitten und in Form gebracht. An Luftballons haben wir das Rasieren geübt“, erzählt Peter Pruski. „Es gab einen Herren- und einen Damensalon – durch Kabinen streng voneinander getrennt und sehr anonym. Man kam zum Frisieren oder zum Rasieren, aber schon damals war ein Friseur auch als Zuhörer von großer Bedeutung.“ Die Aufgaben reichten von Waschen, Schneiden, Föhnen über Dauer- und Wasserwelle bis hin zum Färben und Blondieren. Die Herren trugen damals überwiegend lange Haare, sodass meistens nur die Spitzen geschnitten wurden. „Samstags war Frühschoppen im Salon“, erinnert sich Pruski. „Dann kamen die älteren Herren zum Rasieren und da gab es auch schon Mal ein Schnäpschen gratis. Manch einer ist mir bei der Rasur unter der Hand eingeschlafen.“ Und auch Diskretion war wichtig. „Unter der Theke wurden sogar Kondome verkauft. Natürlich nur vom Chef persönlich und unter Verschwiegenheit.“

Bei den Damen waren die Stylingwünsche etwas vielfältiger. Neben einem ordentlichen Haarschnitt wurden die Haare aufgedreht, gelegt, gefärbt oder blondiert. Nur wenige Farbt ne standen zur Verfügung, aber dass man früher noch mit krasser Chemiekeule arbeitete, war normal. „Beim Umgang mit den Kunden musste man immer ein gutes Gespür haben“, erzählt Peter Pruski. Eine hohe Sensibilität im Kontakt mit den Kunden war früher wie heute wichtig, sowohl als Zuhörer wie auch bei der Beratung.

Der Traum vom eigenen Friseursalon

Das weiß auch Tochter Tanja Sögtrop-Pruski, Inhaberin des Schmallenberger Friseursalons „Kamm back“. Schon früh war klar, dass sie ebenfalls eine Ausbildung zur Friseurin machen wollte. Als sie ihrem Vater von ihren Plänen erzählte, lautete seine spontane Reaktion: „Auf gar keinen Fall!“ Das hatte aber nichts mit mangelnder Begeisterung für den Beruf zu tun, sondern war einzig und allein in dem sehr geringen Verdienst begründet.

Doch Tanja ließ sich nicht von ihren Plänen abbringen. So begann sie 1996 ihre Ausbildung. Während dieser Zeit musste der Papa auch schon mal als Model herhalten. Mit kurzer Unterbrechung durch Erziehungszeit hat sie immer gern in ihrem Beruf gearbeitet und sich weitergebildet, bis sie vor sechseinhalb Jahren den Schritt in die Selbständigkeit wagte. Ein Schritt, den sie bis heute nie bereut hat, denn freies Arbeiten nach eigener Gestaltung war immer ihr Wunsch. Und auch ihr Vater sagt heute stolz, dass sie alles richtiggemacht habe.

Facettenreicher Beruf

Im gemeinsamen Gespräch wird deutlich, dass sich in der Berufswelt eines Friseurs viel getan hat, auch wenn die grundsätzlichen Wünsche der Kunden geblieben sind. „Heute ist unser Beruf wesentlich facettenreicher“, erzählt Tanja. „Früher kam man zum Haareschneiden oder Rasieren, heute gehört ein Wellness-Rundum-Programm dazu. Der Kunde hat bestimmte Erwartungen.“ Natürlich stehen Angebote wie Waschen, Schneiden und Föhnen nach wie vor an erster Stelle, aber heute ist ein Friseurbesuch noch viel mehr als das. Im kosmetischen Bereich werden Gesichtsreinigung und -pflege angeboten, bei der Umformung der Haare gibt es mehr Möglichkeiten und bei der Wahl der Haarfarbe ist fast nichts unmöglich. „Jeder Kopf, jedes Haar, jede Person ist anders – es ist nie langweilig“, lächelt Tanja. Am aufregendsten ist für sie das Arbeiten mit Farbe. Jede Farbe, kombiniert mit unterschiedlichen Haarschnitten und Styles, ergibt ein anderes Ergebnis. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Trotzdem muss man bei allem gut beurteilen können, was zum Einzelnen passt oder auch nicht. Und da sollte man ehrlich sein. „Wenn sich der Kunde gut beraten fühlt und anschließend mit dem Ergebnis zufrieden ist, dann sind wir es auch.“ Und genau das ist es, was Tanja Sögtrop-Pruski Freude bereitet. Sie übt ihren Beruf mit Herzblut aus, dabei liegt ihr auch ein gutes Miteinander am Herzen: „Ein Team, das zusammensteht, ist ganz wichtig“, betont sie. „Man muss die Mitarbeiter fördern, ihnen gewisse Freiheiten lassen, und sich aufeinander verlassen können. Dann ist die Produktivität am höchsten.“

Immer weniger Auszubildende

Das Problem der heutigen Zeit ist, dass kaum noch jemand den Beruf erlernen möchte, dessen Verdienst nach wie vor schlecht ist. Waren es früher etwa dreißig junge Leute in einem Ausbildungsjahr, so sind es heutzutage gerade einmal fünf bis sechs. „Es ist so schade, dass unser Beruf ausstirbt“, sagt Tanja. „Es müsste sich tariflich dringend etwas ändern, und Schuld daran ist die Politik. Unser Beruf ist oft negativ behaftet, wir bekommen keine Wertschätzung. Jeder will zum Friseur, aber keiner will den Job ausüben. Durch die Schließung wegen Corona hat man zwar gemerkt, wie wichtig wir sind, aber die Abwertung kommt schnell wieder.“

Wichtig sind Friseure definitiv, das habe ich am eigenen Leib erfahren. Für mich persönlich glich es einem Befreiungsschlag, als ich nach einem halben Jahr endlich wieder einen Friseursalon betreten konnte und anschließend wieder ich selbst war. Für mich ist es nicht nur das Frisieren, das zum Wohlbefinden dazugehört. Ein Friseurbesuch hat tatsächlich ein bisschen was von Wellness und Entspannung. Man fühlt sich anschließend erleichtert und schnittig – und das gibt einfach ein gutes Gefühl.

Ausbildung:
• Nach der dreijährigen Ausbildung hat man die Möglichkeit, den Friseurmeister zu machen.
• In Fortbildungen kann man neue Techniken und aktuelle Trends kennen lernen und zeitgemäß anpassen.