Mausespeck für Mutige und Neugierige

Foto: S. Droste

Christa Middendorf, die menschen-liebe Künstlerin aus Rüthen

Zielstrebig, wenn es um Projekte geht 

Die 14-jährige Christa aus Magdeburg war in der 7c, als sie einen Malwettbewerb zum Thema “1. Mai” gewann. Der Schulleiter bat sie, das Motiv noch einmal stark vergrößert zu malen, um damit eine ganze Schulwand zu schmücken – nur woher so eine große Leinwand nehmen?  

„Wir lebten in der Bahnhofstraße, unweit des Hochhauses, in dem die Zeitung ‚Volksstimme‘ saß“, erzählt Christa Middendorf, „Von draußen konnte man die großen Rotationswalzen sehen, auf die dann gedruckt wurde. Unzählige Meter Papier. Also ging ich schnurstracks hinein, sprach einen Mitarbeiter an – und durfte mir ein 10 Meter langes Stück Papier mitnehmen.“ 10 Meter Leinwand für die Wand im Klassenzimmer. 

Foto: S. Droste
Foto: S. Droste

Liebe zur Technik und Flucht in den Westen 

Ihr Leben verlief nicht ganz so, wie sie es sich gewünscht hatte. Technikinteressiert war Christa schon als Kindergartenkind: „Es gab da diese Ausstellung der Magdeburger Halbkugeln von Otto von Guericke.“ Die Entstehung und Idee eines Vakuums fasziniert sie seit diesem Tag. „Am liebsten hätte ich Physik studiert“, bekennt die Künstlerin. Stattdessen absolvierte sie eine Lehre als Friseurin. 1954 dann floh sie mit einer Freundin in den Westen. „Dort hätte ich wohl studieren können. Da ich aber kein politischer Flüchtling war, bekam ich als Unterstützung nur 40 Mark. Also hieß es: arbeiten!“ 

Die Töpferstube 

Ein Jahr verbrachte sie in der Schweiz, wo sie Kinder betreute und im Haushalt half. Danach kehrte sie als verheiratete Frau mit ihrem Mann zurück nach Deutschland, in Rüthen ließ sich das Paar nieder. Vier Jahre nachdem sie ihre Töpferstube eröffnete hatte, bezogen sie 1984 das Haus gegenüber der Grundschule, die Töpferstube zog gleich mit. Demnächst will die Künstlerin ihre Werke mit Hilfe eines Bekannten auch über das Internet verkaufen. 

Das Töpfern hatte von ihrer Tochter Judith gelernt, die eine Ausbildung zur Töpferin absolviert hatte. Die  brachte es dann auch ihrer Mutter bei. Christa Middendorf fertigt heute sogar Werke aus dem schwer zu verarbeitenden Rüthener Ton an. „Dafür habe ich ein spezielles Waschverfahren entwickelt.“ 

Foto: S. Droste
Foto: S. Droste

Das kleine Fachwerkhaus, in dem sie lebt, zieht Blicke auf sich. Nicht aufgrund seiner Makellosigkeit, sondern wegen seiner Originalität. Viele Menschen, besonders viele Kinder gehen täglich diesen Weg. Keinen Blick auf das Haus zu werfen, ist fast nicht möglich. Manchmal bleiben die Menschen auch stehen und werfen einen Blick durch die Fenster, denn dort sitzt Christa Middendorf und macht das, was ihr seit Kindesbeinen an besondere Freude bereitet hat: Sie malt. „Am liebsten in der Küche; da habe ich Nordlicht“.  

Und immer wieder Bilder 

Wer Christas Töpferstube betritt, sieht sich von zahlreichen Blumengemälden in kräftigen Farben umgeben. Die fünffache Mutter malt, was sie sieht und wie sie es sieht. „Ich mag es nicht, einfach etwas abzumalen.“ Oft malt sie Bilder, die an ganz besondere Menschen gehen. „Ich bekam zum Beispiel neulich eine Anfrage nach zwei gelben Bildern.“ Andere Motive gehen an Menschen, denen sie damit ihren Dank ausdrücken möchte. Oder an trauernde Menschen, denen sie damit Mut machen und wieder ein Stück Lebensfreude schenken möchte. 

Freude bereiten 

Lebensfreude ist überhaupt das, was die Künstlerin ausmacht. „Ich will“ lautet ihr Lebensmotto. Und das, was die Künstlerin besonders „will“, ist anderen Menschen eine Freude zu bereiten. Lange Zeit gab sie Grundschulkindern kostenlos Nachhilfe. Und wer sich traut zu klingeln, bekommt auch heute noch ein Stück Mausespeck oder die bekannten Kaubonbons.  

Die 84-jährige Christa Middendorf arbeitet noch immer gern und viel. „Wenn ich mal da oben ankomme, möchte ich nicht sagen müssen, ich hätte nur zugesehen.“ Auch ihre Kunst soll zum Handeln und Nachdenken anregen. Doch nicht auf bedrückende, sondern auf die ihr eigene leichte und positive Art möchte sie „die Freiheit zeigen, das Ungezwungene.“