Marc Engelmann: Gründer und CEO von Boomerang

Quelle: Boomerang

www.boomerangpack.eu

Boomerang möchte den Onlinehandel mit Mehrwegverpackungen vom Verpackungsmüll befreien. Da sich in den meisten Haushalten die Papiermüllberge türmen und Mülltonnen eigentlich immer voll sind, will Boomerang genau dieses Problem angehen. Die Boomerang Packs können bis zu 50 Mal verwendet werden und ersetzen die herkömmlichen Einwegkartons und Einwegbeutel. Ein Pack macht somit bis zu 50 Kartons überflüssig. Über ein Pfandsystem und die Rückgabe über Briefkästen kommen die Packs zurück, werden aufbereitet und gehen an den nächsten Kunden. Vor einigen Monaten hat Boomerang auf Grundlage einer hervorragenden Bewertung einen sechsstelligen Finanzierungszuschuss erhalten.

WOLL: Was bringt einen Journalisten und Fernsehmann dazu, sich mit dem leidigen Verpackungsthema auseinanderzusetzen?
Die Frustration, die sich bei mir durch volle Mülltonnen und riesige Verpackungsberge angestaut hatte, führte tatsächlich zu meiner Geschäftsidee. Der eigentliche Entschluss, Boomerang zu gründen, kam Angang 2021, als ich in dem Müllkeller meines Mehrfamilienhauses stand und sich der Papiermüll nur so aufgetürmt hatte. Ich war kurz davor, der Hausverwaltung zu schreiben, ob sie nicht endlich mehr Mülltonnen aufstellen könne, bis ich gemerkt habe, dass es vielleicht sinnvoller ist, Müll zu vermeiden, anstatt immer wieder neue Mülltonnen aufzustellen. Die Grundidee zu Boomerang war geboren. Meine früheren Jobs beim Fernsehen waren spannend und haben Spaß gemacht, am Ende wollte ich aber ein Unternehmen gründen, das einen nachhaltigen Mehrwert bietet und ein Problem angeht. Natürlich kommt mir meine Journalismus- und Medienerfahrung auch beim Unternehmensaufbau zugute.

Quelle: Boomerang

WOLL: Der Verbrauch von Kunststoff soll verringert werden. Und jetzt genau aus diesem Material Mehrweg- Verpackungen?
Tatsächlich ist das auch unser Anliegen. Wir nutzen beispielsweise Plastikmüll für die Produktion unserer Packs. Der Kunststoff kommt aus dem System und kann am Ende des Lebenszyklus auch wieder sortenrein recycelt werden. So verhindert man die Produktion von Neukunststoffen. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass Papierkartons doch viel besser als unsere Plastikbeutel sind, weil Papier aus nachwachsenden Rohstoffen besteht etc. Das ist auch nicht ganz falsch. Das Problem bei Papier, Pappe & Co. ist jedoch die fehlende Langlebigkeit. Ein normaler Versandkarton, wie ihn große Konzerne millionenfach versenden, wird aufwändig hergestellt, verbraucht Wasser, Strom und Zellstoff/Holz, wird ein einziges Mal für den Versand verwendet und landet dann in der Tonne oder weht durch die Straßen. Durch ein Mehrwegsystem kann man dieses Paradoxon lösen. Übrigens sind Mehrwegsysteme meistens viel nachhaltiger als Graskartons, Strohkartons, biologisch abbaubare Kunststoffe oder andere Einwegprodukte. Sofern Kunststoffe aus Altplastik bestehen und mehrfach wiederverwendet werden, sind sie also nicht per se schlecht.

WOLL: Was sind die entscheidenden Vorteile des neuen Verpackungssystems „Boomerang Pack“?
Der entscheidende Vorteil liegt im Mehrweg- und Pfandsystem. Der Beutel an sich ist wichtig. Noch viel wichtiger ist ein flächendeckendes Pfandsystem. Das heißt, Ihre Leserinnen und Leser können zukünftig bei einer Onlinebestellung eine unserer Mehrwegverpackungen anklicken, zahlen einen kleinen Pfandbetrag, den es am Ende wieder zurückgibt, und erhalten die Bestellung in einem Boomerang Pack statt in einem Versandkarton. Jetzt muss die Verpackung wieder an uns zurück, um sie weitere 49 Mal benutzen zu können. Für diese Lösung kam mir meine Kindheit im Sauerland, ich komme aus Saalhausen, zugute. Ich wusste, dass es besonders in ländlichen Regionen nervig ist, Pakete wegzubringen. Die nächste Paketfiliale ist oft weiter weg oder man ist an Öffnungszeiten gebunden. Was es aber auf dem Dorf, genauso wie in der Stadt, am meisten gibt, sind Briefkästen. Also haben wir die Verpackung so konzipiert, dass sie auf DIN A4-Größe gefaltet und über jeden Briefkasten kostenlos an uns zurückgeschickt werden kann. Und trotz dieses Rücksendewegs ist ein solches Mehrwegsystem in der Regel um die 80 % CO₂-schonender als der normale Einwegkarton.

WOLL: Wie können Sauerländer Unternehmen an dem neuen Verpackungssystem teilnehmen?
Falls in Ihrem Lieblingsonlineshop noch keine Mehrwegverpackung angeboten wird, kann man das Unternehmen gerne auf Boomerang hinweisen. Denn die Unternehmen und Onlineshops müssen unsere Verpackungen aktiv im Shop anbieten. Wenn der Wille (oder der Druck von außen) da ist, kann sich jedes Unternehmen bei uns melden und unsere Verpackungen nutzen. Für die meisten Onlineshops entstehen dadurch keine Mehrkosten. Unsere Verpackungen sind vergleichbar mit den Kosten für normale Einwegkartons, nur eben deutlich nachhaltiger. Mich als Sauerländer würde es natürlich ganz besonders freuen, wenn die ersten Kunden oder Pilotkunden Unternehmen aus dem Sauerland wären. Besonders die ersten Unternehmen genießen natürlich auch eine viel größere mediale Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf jeden Fall über Nachrichten.

WOLL: Der Autor Ulrich Raulff hat in seiner Novelle „Sauerland als Lebensform“ geschrieben, dass die Sauerländer über die Fähigkeit des zweiten Gesichts verfügen. Konkret: Sauerländer spüren, was in der Luft liegt. Sie haben Ahnung. Stimmt das?
Haha, das kann ich nur unterstreichen. Nicht ohne Grund sind viele Sauerländer Firmen an der Weltmarktspitze und überregional bekannt. Bei mir trifft es zumindest insoweit zu, als ich mich schon sehr oft gefragt habe, welche Geschäftsidee, zur passenden Zeit, das beste Potenzial entfaltet. Wir haben erst vor wenigen Monaten unsere erste hohe, sechsstellige Finanzierungsrunde abgeschlossen und damit wohl den Zahn der Zeit getroffen, denn es haben private Investoren und Logistikunternehmer Geld investiert, um Boomerang für den Massenmarkt stark zu machen. Das ist auf jeden Fall ein großes Zeichen von Vertrauen – sowohl in das Produkt als auch in mein Gespür für den Markt.

Quelle: Boomerang

WOLL: Werden Sie in Hamburg als Sauerländer wahrgenommen?
Tatsächlich rutscht mir der Name Ihres Magazins nicht mehr so oft über die Lippen wie in meiner Anfangszeit. Auch wenn ich natürlich in Hamburg immer gerne Werbung für das WOLL-Magazin machen würde, wundern sich die meisten doch, wenn ich unser typisches „woll“ ans Satzende packe. Das Witzigste ist aber, dass ich bislang immer und überall die Sauerländer aus jeder Personengruppe erkannt habe. Man hat einfach ein sehr spezielles Gehör für die Sprache entwickelt, selbst wenn sich jemand in Hamburg versucht zu tarnen, ich habe es bislang fast immer herausgehört. Das letzte Mal tatsächlich auf dem Santa Pauli- Weihnachtsmarkt in Hamburg, als sich ein abtrünniger Sauerländer unter meine Freunde gemischt hat und ich ihn nach dem zweiten Satz gefragt habe, ob er nicht eigentlich aus dem Sauerland kommt. Ja kommt er, aus Grevenstein.

WOLL: Geht es jedes Jahr noch auf das Schützenfest in Saalhausen?
Als Saalhauser eigentlich ein Muss, aber ich schaffe es nicht immer zu dem Datum ins Sauerland. Dieses Jahr wurde es dann Schmallenberg. Für mich als Neu-Hamburger konnte aber auch Schmallenberg meine Schützenfestgefühle wieder reaktiveren.

WOLL: Welche Sauerländer Tugenden helfen Ihnen bei der Arbeit als Journalist und Startup-Unternehmer?
Unsere direkte und offene Art hat mir schon bei so einigen Situationen geholfen. Besonders bei Investorengesprächen und auf Investorenevents konnte ich so immer einen viel direkteren Draht zu den Interessenten und Geldgebern entwickeln. Viele Jungunternehmer gehen mit zu viel Demut auf solche Events. Sie haben nur vor Augen, dass dieser Investor schon in x Startups investiert hat und millionenschwer ist. Für mich war es eigentlich immer wie ein Gespräch auf dem Schützenfest, nur ohne Alkohol und Blasmusik. Diese lockeren Gespräche haben oft dazu geführt, dass Investoren einen mehr auf Augenhöhe wahrgenommen haben statt als Bittsteller. Am Ende des Tages sind auch millionenschwere Investoren nur Menschen, mit denen man sich nett unterhalten kann.

WOLL: Wie bewerten Sie die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation des Sauerlandes? Was könnte vielleicht anders gemacht werden?
Das Sauerland ist in Hamburg vielen leider nur ein sehr schwammiger Begriff. Man kann natürlich viel Geld in Marketing stecken, um unsere Region noch beliebter für Touristen und Investoren zu machen. Oder man sendet Botschafter wie mich in die weite Welt, um so vielen Menschen wie möglich vom Sauerland, von unserer Landschaft und unseren Vorzügen zu berichten.

WOLL: Mit welchen Sauerländern oder Sauerländerinnen treffen Sie sich hin und wieder oder regelmäßig?
Ich hoffe, ich muss jetzt keine Liste mit Namen anfügen, aber ich habe noch immer einige sehr enge Freunde aus meiner Kindheit und meine Familie natürlich. Besonders mit einem Pärchen treffen wir uns regelmäßig und besuchen uns gegenseitig. Und jedes Mal sind wir gegenseitig aufs Neue über viele Dinge erstaunt: Wir, als Hamburger, wie günstig die Cocktails im Sauerland sind, oder wie ruhig man nachts bei offenem Fenster schlafen kann. Und unsere Freunde, als Sauerländer, wie einfach man sich an jeder Straßenecke ein Auto per App mieten kann oder dass es Lieferdienste gibt, die dir in zehn Minuten deine Lebensmittel, deinen Einkauf oder dein Essen bis zur Wohnungstür liefern. Alles hat seine Vor- und Nachteile.

WOLL: Gibt es ein Sauerländer Wort oder einen Begriff, der Ihnen gerne über die Lippen kommt?
Ich würde die Frage mit einer witzigen Anekdote beantworten: Als mich meine Schwester das erste Mal in Hamburg besucht hat, hat sie sich zwei Bällchen im Hörnchen bestellt. Die Eisverkäuferin war total überfordert und konnte mit dieser Bestellung im ersten Moment nicht viel anfangen. Jetzt bestellt meine Schwester zwei Kugeln in einer Waffel und ich muss jedes Mal beim Eiskaufen daran denken.