Licht und Leben

Klosterlandschaft Sauerland

Die Geschichte des Sauerlandes lässt sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und erzählen. Da wären zum Beispiel die Völker und Stämme, die sich in der wald- und wasserreichen Landschaft entlang von Ruhr und Lenne aufhielten und früher oder später sesshaft geworden sind: Kelten, Germanen, Römer, Sachsen, Franken, Preußen. Oder man lenkt die Aufmerksamkeit auf kriegerische Auseinandersetzungen und geschichtsprägende Schlachten. Selbige lassen sich mit bekannten Persönlichkeiten in Verbindung bringen sowie mit uneinnehmbaren Befestigungen, versteckten Fliehburgen oder monumentalen Burgen und Schlössern, die noch heute einzelne Gegenden und Orte im Sauerland prägen. Beim weiteren Hinsehen stößt der geschichtsinteressierte Betrachter unweigerlich auf Klöster, Kapellen und Kirchen, die, weithin sichtbar oder versteckt, ein geheimnisumwehendes, rätselumwundenes Bild des Sauerlandes zeigen.

In einer Serie werden wir ab nun im WOLL-Magazin der über tausendjährigen Geschichte der Klöster im Sauerland einen festen Raum geben. Unter der Überschrift „Klosterlandschaft Sauerland“ stellen wir die bedeutenden, heute noch sichtbaren und genutzten Zeugnisse Sauerländer Geschichte vor. Begonnen hat diese Geschichte im 9. Jahrhundert. Ab diesem Zeitraum übernahmen Karl der Große und seine Franken die Kontrolle über das rohstoffreiche Sauerland. Dr. Oliver Schmidt, der Leiter des Sauerland-Museums in Arnsberg sagte dazu einmal an anderer Stelle: „Um die Region wirtschaftlich zu erschließen, errichtete das Frankenreich ein enges Stützpunktsystem aus Klöstern. Die dort einziehenden Orden legten den Grundstein für die Christianisierung des Sauerlands.“

Rodentelgenkapelle in Arnsberg-Bruchhausen

Unser erster geschichtsträchtiger Ort, die Rodentelegenkapelle in Arnsberg-Bruchhausen, ist kein Kloster, aber dank neuerer Forschungen und aufwendiger Renovierungen und Restaurierungen ein Ort, an dem man die lange Zeit vor uns wahrlich greifen kann.

Nach einer sagenhaften Überlieferung wurde im Anschluss des fünften Kreuzzuges um 1228/29 ein teilnehmender Ritter aus der Gemarkung Bruchhausen bei seiner Heimkehr von seiner Gattin mit jubelnder Freude empfangen. Der Burgvogt jedoch missgönnte seinem Herrn dieses Glück. Hinzu kam die Rachsucht des Vogtes, der während der Abwesenheit des Ritters dessen Frau begehrt hatte, von ihr jedoch abgewiesen worden war. Dafür sollte sie büßen. Eines Tages flüsterte er dem Ritter voller Arglist zu, seine Gattin habe ihm während des Kreuzzuges die Treue gebrochen. Blind vor Wut zog daraufhin der Ritter das Schwert und durchbohrte das Herz seiner unschuldigen Gattin. Sterbend beschwor sie ihrem Gemahl die Wahrheit: „Nie bin ich dir untreu gewesen; schuldig allein ist der Burgvogt, den ich abgewiesen und der mich aus Rache verleumdet hat.“

Ein furchtbarer Reueschmerz durchzuckte den Ritter, dem es wie Schuppen von den Augen fiel. Mit sanfter Hand schloss er die gebrochenen Augen seiner toten Gattin. Dann durchbohrte sein Schwert die Brust des tückischen Burgvogts. Doch das Gewissen ließ dem Ritter keine Ruh und trieb ihn unstet von Ort zu Ort. Die grausige Tat, zu der er sich in jähem, maßlosem Zorn hatte hinreißen lassen, stand überall vor seiner Seele. Die Flucht vor sich selbst endete unweit der Burg an der Ruhr, dort, wo eine Furt durch den an dieser Stelle seichten Fluss führte. Hier rodete der Ritter den Wald und richtete sich eine stille Klause ein. Dann baute er am selben Ort eine Kapelle zu Ehren der Büßerin Maria Magdalena. Daneben pflanzte er eine Linde. Sie sollte einst sein Grab beschatten. Buße in Gebet und Entsagung füllte fortan das Leben des an Leib und Seele gebrochenen Ritters. Als er hoch betagt und mit Gott versöhnt starb, wurde er unter der Linde zur Ruhe gebettet. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Ruhr ihr Bett geändert. Die Linde, vom Wind zerzaust und greisenhaft geschrumpft, blüht heute noch. Und auch die Kapelle erinnert die Menschen unserer Gegenwart an Schuld und Sühne.

Soweit die Sage zur Entstehung der Rodentelgenkapelle (roden = das Entfernen von Bäumen und Sträuchern, telgen = kleiner Baum, Eiche), die bis in unsere Tage so oder anders erzählt und weitergegeben wird. Ob es tatsächlich so geschehen ist, wir wissen es nicht. Gesichert sind jedoch die folgenden Daten und Fakten über die Rodentelgenkapelle:

vor 1424       Entstehung der Kapelle
1424            erste urkundliche Erwähnung
1424 – 1464 Zerstörung der Kapelle durch ein gewaltiges Hochwasser
1464            Wiederaufbau
1484            erste Erwähnung einer Klause neben der Kapelle
1619            erste Erwähnung der Rodentelegenkapelle als Wallfahrtsort zur Hl. Luzia und Maria Magdalena
1659            Erweiterung der Kapelle in Fachwerkbauweise auf die doppelte Größe, aufgrund der Wallfahrtsströme
1837 – 1839 Erste Instandsetzung der Kapelle, federführend durch den Gastwirt und Gemeindevorsteher Christian Schumacher mit seinem Bruder Eberhard und der Bevölkerung aus Bruchhausen und Niedereimer    
1872 – 1878 umfängliche Restaurierung der Kapelle und Erneuerung wesentlicher Innen- und Außenbereiche
1897            Kirchliche Weihe der Kapelle
1897 – 1926 Nutzung der Kapelle als Filialkirche für die Gemeinden Bruchhausen und Niedereimer
ab 1926        sporadische Nutzung als Gemeindesaal, Jugendraum, Raum für Kino und Theaterauftritte
1972 – 2000 Anmietung der Kapelle durch die Evangelische Kirchengemeinde Bruchhausen
1983            Aufnahme der Kapelle in die Denkmalliste der Stadt Arnsberg
2007            Feststellung der Baufälligkeit

Das Ende eines historischen Gebäudes und Ortes in Bruchhausen stand bevor. Die mehr als 600-jährige Geschichte der Rodentelgenkapelle in dem Dorf an der Ruhr verliert ihr sichtbares Zeichen. Einige Bürgerinnen und Bürger gründeten 2009 den Förderverein Rodentelgenkapelle e.V. Das erklärte Ziel des Vereins, die Sanierung, Erhaltung und Pflege des denkmalgeschützten Kapellengebäudes herbeizuleiten. Außerdem hat sich der Verein ein weiteres Ziel gesetzt: das Interesse an dem einzigartigen Kulturdenkmal zu fördern und auszubauen und ein tragfähiges Nutzungskonzept für die Rodentelgenkapelle zu planen und zu realisieren.

Mit der feierlichen Segnung und Wiedereröffnung sowie der Übergabe der Rotentelgenkapelle durch den Eigentümer Pfarrei St. Petri Hüsten per Pachvertrag für 25 Jahre an den Förderverein Rodentelgenkapelle e.V. ist das erste Ziel, nämlich die Sanierung und Erhaltung erreicht. Das zweite Ziel wartet jetzt, nach lähmenden Corona-Jahren auf seine erfolgreiche Umsetzung. Edwin Müller (74) der erste Vorsitzende des Fördervereins und der stellvertretende Vorsitzende Reinard Bunsen (61) haben WOLL die Rodentelgenkappel vor einigen Tagen vorgestellt. Dabei konnte WOLL-Fotograf Klaus-Peter Kappest auch die bestens erhaltenen Sicht-Fachwerke der Kapelle aus dem Jahr 1464 in Augenschein nehmen. Ein einzigartiges Zeugnis Sauerländer Handwerksmeisterkunst, was Fachleute bei der Restauration der Kapelle überaus beeindruckte.

Edwin Müller und Reinard Bunsen freuen sich über das öffentliche Interesse an der restaurierten Rodentelgenkapelle. Für die Zukunft wünschen sie sich vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern aus Bruchhausen und der ganzen Umgebung Ideen und Vorschläge für die Nutzung der Kapelle. „Die Rodentelgenkapelle war immer ein Ort der Begegnungen. In frühen Zeiten begegneten sich die Wallfahrer und die Bewohner hier an der Ruhr. Später fanden in der Kapelle Theater-, Musik- und Choraufführungen statt oder die Jugend nutzte die Räumlichkeiten als Kinosaal oder für andere Treffen.“ 

Einblicke in die Klosterlandschaft Arnsberg
Die Geschichte Arnsbergs ist auf das Engste mit der Geschichte seiner erhaltenen Klöster Wedinghausen, Oelinghausen und Rumbeck verbunden, prägten die Klöster doch über Jahrhunderte die historische Kulturlandschaft auf dem heutigen Stadtgebiet von Arnsberg. Die Tagungsreihe „herkunft mit zukunft“ gibt am 24. und 25. März in der Rodentelgenkapelle Einblicke in die Klosterlandschaft Arnsberg. Interessierte an der Veranstaltung können sich beim Pfarrbüro der Propsteipfarrei St. Laurentius Arnsberg per E-Mail an pfarrbuero@pr-arnsberg.de oder 0 29 31 – 34 03 informieren oder anmelden.