Licht ins Dunkle der Hexenverfolgungen

Der Tag der Eröffnung der neuen Sonderausstellung im Sauerlandmuseum Arnsberg, der 24. März 2022, ist ein strahlend schöner Frühlingsdonnerstag mit blauem Himmel, Sonne und den ersten Farbtupfern von Forsythie, Weißdorn und Zierkirsche. Entspannt sitzen die Besucher in der dem Museum angeschlossenen Gastronomie und genießen auf quietschgrünen Decken gegen den doch noch kalten Wind ihre Getränke oder Reibekuchen mit Apfelmus in der Sonne. Nichts an diesem friedlichen, farbenfrohen Bild hat etwas mit dem zu tun, was man in der neuen Ausstellung sehen und erleben kann – bis auf das Konzept der Wirkung von Farben und Licht.

Wo man sich draußen frühlingshaft beschwingt fühlt, wird es schon im ersten Raum der neuen Sonderausstellung „Du Hexe – Opfer und ihre Häscher“ nachdenklich und gedrückt. Denn dieser Raum, den der Besucher nach dem hellen und modernen Entree betritt, wirkt trotz der weißen Gestaltung seltsam düster. In der Mitte in einem rot unterlegten Schaukasten ein Hexenhemd als erstes Indiz, um was es im Folgenden gehen wird. Plakativ sind rote Schriftzüge an den Wänden zu lesen, die die Lebenswelt der Zeit nachzeichnen sollen, die die Auswüchse der Verfolgungen bedingt hat. An einer Wand läuft ein Film mit Bildern von totem Vieh, Schnee und Eis, eindrückliche Bilder von Not und Elend während Kleiner Eiszeit und Dreißigjährigem Krieg. Pinke Neonschrift gegenüber kennt die Verursacher für all das: Zaubersche.

Suche nach Sündenböcken

Im Sauerlandmuseum geht es um die Hexenverfolgungen, die das Herzogtum Westfalen im 16. und 17. Jahrhundert in mehreren Wellen nach Naturkatastrophen und Epidemien erschüttert haben. Auf Anweisung des Landesherrn und durch den Druck der Bevölkerung fahndete man nach den Schuldigen für Viehsterben, Hungersnöte, Schneestürme, Missernten, Pest. Den vermeintlichen Hexen, den Opfern dieser Jagd nach Sündenböcken, und ihren Häschern ist die von Dr. Ulrich Hermanns modern mit Farben, Licht und Raumdesign gestaltete Ausstellung, die sich über drei große Räume erstreckt, gewidmet.

Vom Licht in die Dunkelheit

Entsprechend wenig erleuchtet wird es im Raum, in dem es um die verblendeten und teils fanatisch-abergläubischen Hintergründe der Verfolgung und die Verantwortlichen wie den Landdrosten, die Hexenkommissare, den Erzbischof von Köln geht.

150 wertvolle Exponate, Gemälde, Schriftdokumente von 50 Leihgebern werden von modernen Elementen wie interaktiven Angeboten auf Touchscreens oder großen Projektionen ergänzt.

Das unvermeidliche Ende

Der dritte Raum, labyrinthartig gestaltet, führt trotz verschiedener Wege vorbei an (nicht immer) originalen Folterinstrumenten zu dem einen unvermeidlichen Ende der Jagd, das die meisten sicherlich kennen werden: Virtuelle Flammen symbolisieren die Endstation Scheiterhaufen – auf der gegenüberliegenden Wand eine DIY-Anleitung der Frühen Neuzeit (denn zu dieser Zeit und nicht im Mittelalter fanden die intensiven Hexenjagden statt) für einen möglichst effektiven Aufbau des Hinrichtungsinstruments aus Stroh und Holz – verfasst vor dem Hintergrund Materialkosten gering halten zu wollen.

Zum Ende der Ausstellung wird ein Bogen zu modernen „Hexenjagden“ in den sozialen Medien und dem in der Welt verbreiteten Hexen-Aberglauben geschlagen. Denn immer noch verletzen Worte oder lösen Shitstorms gegen Menschen aus, wie es auch mit den Hexen geschehen ist.

Kinder und Jugendliche sensibilisieren

Vor allem Jugendliche sollen für dieses gleichermaßen schockierende wie auch spannende Kapitel der Geschichte sensibilisiert und durch besondere Angebote angesprochen werden, das klar einen Bezug zu unserer modernen Welt hat. Die Grausamkeit der Prozesse wird dabei zwar thematisiert und deutlich, aber nicht explizit dargestellt. Bewusst verzichtet wurde auf eine Verniedlichung des Themas á la Bibi Blocksberg und bekannte Stereotype. Das Historische wurde in den Fokus gerückt, wie Museumsleiter Dr. Oliver Schmidt erklärt.

Spielerisch kann das in der Ausstellung gesammelte Wissen per ausleihbarem Tablet in einem Escape-Room zum Lösen eines Rätsels angewendet werden, per Touchscreen kann man versuchen, den richtigen Weg zu finden, um die Verfolgungen nicht ausufern zu lassen, oder sich aus dem Mund einer Schülerin anhören, welche Methoden einer der größten Hexenjäger des Sauerlands gerne angewendet hat: Dr. Heinrich von Schultheiß, dessen ehemaliges Wohnhaus noch heute am Alten Markt in der Nachbarschaft des Museums steht.

Vollgepacktes Begleitprogramm

Eine gelungene Mischung aus Geschichtswissen, moderner Präsentation und Vermittlung wird durch ein vollgepacktes Programm ergänzt, in dem sich zu Themen wie der Wasserprobe in den westfälischen Verfolgungen, der NS-Ideologie und deren Umgang mit historischen Quellen oder einem Vortrag zu den Hexenverfolgungen in Ghana interessante Angebote finden.

Jeden Sonntag gibt es um 11 Uhr öffentliche Führungen und Sonderführungen für ein rein weibliches Publikum werden angeboten. Für Schülerinnen und Schüler wird es ein besonderes Vermittlungsprogramm geben, das auf der Homepage des Museums veröffentlicht wird. Für Lehrkräfte gibt es Materialien, die im Unterricht verwendet werden können, um das Thema zu besprechen.

Während der „Walpurgisnacht“ am 30. April können sich Kinder ab acht Jahren in  „Heckers Hexenküche“ umsehen und scheinbaren Zaubereien auf den Grund gehen. Auch Kindergeburtstage können mit „magischen Haustieren“ der Hexen gebucht werden.

Alle Informationen für den Besuch, zum Museum, zu Öffnungszeiten, Preisen und der Ausstellung „Du Hexe – Opfer und ihre Häscher“, die bis zum 4. September angeboten wird, finden sich auf der Homepage unter

www.sauerland-museum.de

Dr-Oliver-Schmidt-Museumsleiter_Barbara-Rueschoff-Parzinger-LWL_Landrat-Dr-Karl-Schneider Foto: Anja Grevener