Wenn die letzten Blätter von den Zweigen gefallen sind, die Temperaturen sinken und sich die Dunkelheit immer früher auf das Land legt, dann ist eine besondere Zeit gekommen, die uns des öfteren innehalten lässt, die zum Nachdenken, aber auch zum Lesen und Vorlesen einlädt. Und die Geschichten haben – wie die Geschichte – viel mit dem Erinnern zu tun. Wir erinnern uns an Dinge, Erlebnisse, Menschen, und werden an so manches erinnert, das wir aus den Augen verloren haben, vielleicht auch an etwas, das uns und unserer Zeit vorausgegangen ist. Die Geschichten, Liedtexte oder Gedichte, die mit dem Weihnachtsfest zu tun haben, sind dabei stets eine besondere Art des Erinnerns. Man liest sie in festlicher Stimmung, mit Freude oder Wehmut, wird ins Staunen versetzt oder denkt an etwas aus dem eigenen Leben zurück, das durch das Gelesene oder Gehörte berührt wird. Wir möchten Ihnen zwei Bücher vorstellen, bei denen das (Vor)Lesen viel mit dem Erinnern zu tun hat.
Eine Zeitreise in die Geschichte des Weihnachtsfests
„Chräsdag“, „Hilge Obend“, „Krisdagsobend“, „Chrissovend“ oder auch „Heljeowend“: Das, was wir heute allgemein als „Heiligabend“ bezeichnen, hat in Sauerland und Wittgensteiner Land viele Namen. Vielfältig und verschieden sind unsere Erinnerungen an das, was wir in Kindheitstagen an weihnachtlichen Erlebnissen gesammelt haben. Was wir zum Thema Weihnachten lesen oder an Fotos oder Filmen anschauen können, erinnert uns dank der Dichte an traditionellen Bezügen immer wie automatisch an unsere eigenen, ganz individuell geprägten Weihnachtsgeschichten. Bärbel Michels wunderbares Buch „Das Fest der Liebe. Weihnachten im Sauerland und Wittgensteiner Land in früherer Zeit“ nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise. So manches Bild oder das, was Menschen aus unserer Region erzählt oder als schriftliche Erinnerung hinterlassen haben, macht es möglich, dass man sich selbst wiedererkennt, ganz gleich, ob es sich um etwas aus dem 19. Jahrhundert oder aus den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts handelt. Gerade das Eigentümliche an Spannung, Erwartung, Hoffnung und Vorfreude, was man als Kind mit dem „Heljeowend“ verbindet, lässt sich in den Kinderaugen auf einer Schwarz-Weiß-Aufnahme von 1959 ebenso wiederfinden wie wahrscheinlich in jenen des eigenen Kindes, wenn man sich an das vergangene Weihnachtsfest erinnert. Die Geschichte des viel zitierten „Festes der Liebe“ wird weiter und weiter geschrieben. Einst hockte man neugierig vor der Tür zur „gürre Stuwwe“, wo man durchs Schlüsselloch linsend „de unmeglichde Dänge“ zu sehen
meinte. Und der Schlüssellochblick ist auch heute noch ein gern verwendetes Mittel, wenn man mit der eigenen Neugier zu ringen hat. Für die allermeisten Kinder ist das Christkind
immer noch als Gabenbringer geschätzt und das geheimnisvolle Tun der Eltern steuert sein übriges dazu bei, dass man voller Ungeduld der Bescherung entgegenfiebert. Die Worte
sind selbstverständlich andere, aber mitunter möchte manch einer dem Christkind am liebsten „Mak dik ob en Patt!“ zurufen, wie es Christine Koch in weihnachtlichen Versen getan hat, damit es nicht mehr allzu lang dauert, bis das Weihnachtsglöckchen endlich die verschlossenen Türen öffnet. Keine Frage, der Kommerz hat viel dieser so ganz speziellen
Stimmung vereinnahmt, aber gerade das macht es so besonders, an das erinnert zu werden, was Weihnachten für frühere Generationen gewesen ist. Bärbel Michels lässt auf ihrer 228 Seiten währenden weihnachtlichen Zeitreise kaum etwas offen, was nicht erinnerns- und bewahrenswert wäre. Und wenn man mit dem Buch in der Hand erzählt, vorliest oder zeigt, wie Weihnachten in früheren Zeiten gefeiert worden ist, wird das Warten vor dem „Hilge Obend“ vielleicht auch nicht ganz so lang …
Geschichten vom Fest des Miteinanders
Die Geschichte des Weihnachtsfestes lässt sich wunderbar erlesen. Das gilt wohl erst recht für Geschichten zum Weihnachtsfest – „Weihnachtsgeschichten“ eben.
Schaut man an Heiligabend auf die leeren Straßen und vielen festlich beleuchteten Fenster der Häuser, wird einem schnell bewusst, dass wir in den Abendstunden jenes Festtages wahrscheinlich alle so ziemlich das gleiche tun. Wir feiern, genießen, lachen, sind beisammen … Jedenfalls ist zu hoffen, dass das Schöne an diesem Tag überwiegt und uns vor allem eines beschert wird: eine friedliche und frohe Zeit. Wir sehen bei diesem Blick aber eben nur die warm ins Dunkel hinaus leuchtenden Fenster, sozusagen die Fassade. Was sich dahinter an aufregenden Geschichten abspielen kann, bleibt uns meist verborgen. Sabine Stracke hat indes manch eine dieser „Weihnachtsgeschichten“ aufgeschrieben und zu einem Buch zusammengefasst. Selbstverständlich sind es deren 24 geworden und es sind weihnachtliche Geschichten aus dem Sauerland: Eine jede spielt in einem anderen Dorf und so kann man sich nach Niedereimer, Elspe, Bödefeld oder Stachelau entführen lassen. Und da es sich in der weihnachtlichen Ruhe wunderbar lesen – oder noch besser: vorlesen – lässt, kann man es sich herrlich auf dem heimeligen Sofa bequem machen, vielleicht bei einem knisternden Feuerchen und vor dem Fenster wirbelnden Schneeflocken in eine Runde erwartungsfroher Gesichter schauen, und Geschichte um Geschichte lesen. Hier steht nicht allein die weihnachtliche Stimmung im Vordergrund, sondern vor allem das Miteinander und das Zusammenhalten, das sich manchmal erst im Zuge so mancher überraschender Wendung einstellt. So lässt sich das Warten auf die Bescherung verkürzen, eine besinnliche halbe Stunde nach dem großen Auspacken oder dem Festessen gestalten oder einfach nur so dem Spaß an schönen Geschichten frönen. Das erzählerische Geschehen wird von schönen bunten Illustrationen von Christina Schmidt begleitet, die sicherlich manch kleine Künstler unter den Zuhörern oder Lesern zu eigenen Weihnachtsbildern inspirieren kann. Ein rundum gelungenes weihnachtliches Bucherlebnis!
Sollten Sie noch auf der Suche nach weihnachtlicher Lektüre sein: Beide Bücher sind im Buchhandel oder im WOLL-Onlineshop erhältlich!
Bärbel Michels:
Das Fest der Liebe. Weihnachten im Sauerland
und Wittgensteiner Land in früherer Zeit
Hardcover. 228 Seiten mit zahlreichen schwarz-weißen und
farbigen Fotos und Abbildungen. WOLL-Verlag 2014.
ISBN: 978-3-943681-50-5. 22,90 Euro
Sabine Stracke:
Weihnachtsgeschichten aus dem Sauerland
Softcover. 144 Seiten mit farbigen Illustrationen von Christina
Schmidt. WOLL-Verlag 2015. ISBN: 978 -3-943681-58-1.
14,90 Euro