Lebensmittel-Einzelhandel: Vom Tante-Emma-Laden zum Supermarkt

Berufe im Wandel der Zeit

Albert Siebrichhausen sen. begann nach seiner Ausbildung zum Landwirt mit dem Handel von Milch und Eiern, bevor er 1964 den ersten Verkaufsraum im Elternhaus eröffnete. Vier Lebensmittelgeschäfte gab es damals im Ort und kaum einer glaubte, dass er gegen die Konkurrenz ankam. „14 Tage gab man mir, aber später war ich der Einzige, der überlebte“, sagt er heute.

Die Aufgaben früher und heute

Die Tätigkeiten früher und heute ähneln sich und reichen von Bestellung der Waren und Beratung über Service und Verkauf bis hin zur Verwaltung. Allerdings sind sie heute, bedingt durch die Größe eines Marktes und das breitere Angebot, wesentlich umfangreicher. Zum Sortiment gehören Lebensmittel, Getränke, Toilettenartikel, frisches Obst und Gemüse – Dinge des täglichen Bedarfs – und das war auch früher schon so. „Wir hatten im Laden ein Brotregal, wo wir täglich frische Brötchen gebacken haben“, erinnert sich der 90-Jährige. „Das kam bei denen, die morgens auf dem Weg zur Arbeit am Laden vorbeikamen, besonders gut an. Einmal in der Woche kam ein Vertreter zur Bestellung und Lieferung, Obst, Gemüse und Molkereiprodukte wurden zweimal pro Woche geliefert. Und wenn etwas ausverkauft war, musste man halt ein paar Tage warten.“ Erst als die anderen Läden im Ort geschlossen wurden, konnte er auch Zeitschriften ins Sortiment aufnehmen.

Mit besonderen Angeboten konnten damals schon Kunden gewonnen werden. „Bei uns gab es immer wieder andere Spezialitäten“, erinnert sich Albert Siebrichhausen. „Selbsteingelegte Heringe, Softeis aus eigener Herstellung oder frische Milch vom Bauern. Milch und Buttermilch wurden selbst abgefüllt und konnten vor Ort probiert werden.“ Eine Besonderheit war ein Fritten-Automat vor dem Haus: Dort konnte man sich für eine Mark frische Pommes Frites zubereiten lassen. Jede Woche gab es einen Markttag mit einer großen Theke vor dem Laden und am Nikolaustag wurden auf Vorbestellung Tüten mit Süßigkeiten verkauft, die dann vom Nikolaus an die Kinder verteilt wurden. Auch zählte es zum Service, dass der Chef persönlich die Kunden mit ihren Einkäufen nach Hause fuhr oder ihnen die Einkäufe brachte.

Albert Siebrichhausen sen. und Enkelin Anna

Nach und nach wurden die Räumlichkeiten durch Anbau immer größer und somit wuchs das Sortiment. War es anfangs nur das Ehepaar Siebrichhausen, das im Laden arbeitete, so wurden später Verkäuferinnen und 1984 die erste Auszubildende eingestellt. Man hatte viel zu tun und verfügte nicht über die heutigen technischen Hilfsmittel, doch man entwickelte sich immer weiter und ging mit der Zeit. „Allerdings war in Wenholthausen in der damaligen Zeit viel Tourismus und wenn in den großen Hotels mittags gekocht wurde, dann war das Stromnetz auch schon mal überlastet und bei Siebrichhausens ging das Licht aus“, erinnert sich Albert Siebrichhausen. Die Fortführung der Familientradition hat ihm immer am Herzen gelegen und so war er sehr froh darüber, dass erst sein Sohn Albert und später seine Enkelin Anna in den Betrieb einstiegen. Mittlerweile zählen zum Familienbetrieb die Markant-Märkte in Bad Fredeburg und Meschede sowie das Lädchen in Wenholthausen. Anna Siebrichhausen ist seit 2009 in ihrem Beruf, hatte aber zuerst andere Pläne: „Ich habe durch ein Praktikum den Beruf näher kennengelernt und gemerkt, dass er mir doch Spaß macht“, sagt die 29-Jährige. Nach ihrer Ausbildung übernahm sie 2015 die Marktleitung in Meschede und ist seit diesem Jahr als Mitglied der Geschäftsführung für die 40 Mitarbeiter und sämtliche Belange zuständig.

„Die Tätigkeiten früher und heute sind ähnlich, allerdings ist das Angebot heute wesentlich vielfältiger“, bestätigt Anna. Die Produktpalette ist umfangreicher und von jedem Artikel gibt es mehrere Ausführungen und Marken. Auch das Kaufverhalten hat sich gewandelt. „In den letzten Jahren werden mehr regionale Produkte nachgefragt“, erklärt sie. „Daher haben wir in der Abteilung ‚Mein Lädchen‘ Produkte, die von regionalen Anbietern geliefert und teils auch selbst hergestellt werden. Auch Bioprodukte liegen im Trend. Man ernährt sich heute bewusster – man kauft nachhaltiger und greift auf saisonale Produkte zurück. Die Kunden achten darauf, wie etwas hergestellt wird, und geben dafür dann gern mal etwas mehr Geld aus. Vielleicht hat auch die Corona-Pandemie ein wenig zu diesem Umdenken geführt.“

Schneller und kundenorientierter Service sind selbstverständlich

„Die Märkte sind heute größer und der Kunde erwartet einen guten Service“, weiß Anna. Wenn ein Artikel nicht vorrätig ist, geht er zum nächsten Supermarkt, man ist wesentlich flexibler als früher. Die Waren werden zweimal pro Woche geliefert, Molkereiprodukte sowie Obst und Gemüse sogar täglich. Ein großes Angebot an frischen Back-, Fleisch- und Wurstwaren ist an den Theken erhältlich und das erwartet der Kunde auch. Lieferschwierigkeiten durch die Corona-Pandemie stellen eine Herausforderung dar. Das Kaufverhalten hat sich auch hinsichtlich der Einkaufszeiten geändert. Dadurch, dass heute viele Frauen berufstätig sind, hat man keine festen Stoßzeiten mehr und es wird auch am Abend oder am Samstagnachmittag eingekauft, was früher undenkbar war.

Neue Ideen, Besonderheiten und Kundennähe

„Um sich von anderen Märkten abzuheben, muss man mit Besonderheiten und Ideen punkten“, erklärt Anna. „Dabei ist uns die Nähe zum Kunden wichtig. Wir wollen da sein und persönliche Gespräche suchen – auch wenn heute vieles anonymer ist.“ Gespräche sind für sie auch untereinander wichtig, denn man arbeitet im Team zusammen. Und genau das macht es für sie aus.

Albert Siebrichhausen sen. hat viele Entwicklungen erlebt, doch die Arbeit hat ihm immer Freude gemacht: Dorfnews, Begegnungen und immer wieder Neues im Geschäftsleben erfahren. Bis zu seinem 80. Lebensjahr war er im Laden tätig und sein großer Wunsch ist, dass die Tradition weitergegeben wird: „Wichtig ist, dass es Siebrichhausen bleibt.“ Dafür möchte auch Anna alles tun. Denn die abwechslungsreiche Arbeit, der Umgang mit dem Kunden, immer etwas Neues zu erleben und die Teamarbeit macht ihr großen Spaß. „Und auch, eigene Entscheidungen zu treffen – denn das macht Selbständigkeit aus.“