LEADER-Region 4 mitten im Sauerland

Interview mit Reinhold Weber (ehemaliger  Bürgermeister von Eslohe und bisher  Vorsitzender) und Bernard Halbe (ehemaliger  Bürgermeister von Schmallenberg und aktueller  Vorsitzender von „4 mitten im Sauerland“) 

Man kennt sie. Jahrelang haben sie in ihrer Gemeinde und Stadt das  politische Geschehen geprägt. Gemeint sind die beiden ehemaligen  Bürgermeister Reinhold Weber aus Eslohe und Bernhard Halbe aus  Schmallenberg. Wie allgemein üblich, setzen sich die früheren Amtspersonen  weiterhin ehrenamtlich für gesellschaftliche Aufgaben ein.  Seit 2010 hatte Reinhold Weber den Vorsitz beim Regionalprojekt  LEADER 4 mitten im Sauerland ausgeübt. Jetzt wurde sein Amtskollege,  der frühere Bürgermeister von Schmallenberg Bernhard  Halbe, zum Vorsitzenden der Organisation für die Städte Meschede  und Schmallenberg sowie die Gemeinden Eslohe und Bestwig gewählt.  Die WOLL-Redakteure Tiny Brouwers und Hermann-J.  Hoffe haben die beiden Regionalpolitiker Ende Juli auf der Pit-  Pat-Anlage (Minigolf, kombiniert mit Billard) in Wenholthausen  auf historischem Boden, „Auf dem Eibel“ oberhalb des Dorfes, zum  LEADER-programm und zur Regionalentwicklung befragt. 

WOLL: LEADER ist das EU-Programm zur Förderung der  Entwicklung in ländlichen Räumen. Wobei vor allem die Lebensqualität  und der soziale Zusammenhalt gefördert werden  sollen. Stimmt das für auch für die LEADER-Region 4  mitten im Sauerland? 
Bernhard Halbe:
Ja, wir haben in den vergangenen dreizehn  Jahren gesehen, dass das stimmt. LEADER ist ein sehr gutes Programm,  das die einzelnen Interessen der Bürger und Orte auch  wahrnimmt. Ich habe in all den Jahren die Zusammenarbeit mit  den verantwortlichen Mitgliedern des Vereins und den Bürgerinnen  und Bürgern immer als sehr gut empfunden, von der Idee  bis zur Ausführung. 
Reinhold Weber: Vor LEADER war es recht schwierig, durch  diesen ganzen Förderdschungel zu kommen. Man wusste ja nie,  wo man anfangen sollte. Seit es LEADER gibt, sind sehr viele  Projekte entstanden, die Lebensqualität und sozialen Zusammenhalt zum Gegenstand haben. Wir haben mit dem Mehrgenerationenspielplatz  in Lenne angefangen. Das war der erste  Spielplatz, der bei uns zu einer neuen Entwicklung von Spiel- LEADER-Region 4 mitten im Sauerland plätzen führte. Wir haben durch LEADER soziale Treffpunkte  gefördert, zum Beispiel zahlreiche Umbauten in unseren Schützenhallen.  Viele Orte, wo die Menschen sich früher trafen, sind  nicht mehr da. Und jetzt haben alle Beteiligten bei den Förderprojekten  dazu beigetragen, dass es neue Treffpunkte gibt.  Bernhard Halbe: Vielleicht nochmals zu den Förderbedingungen vor dreizehn Jahren: Die waren deutlich schlechter als heute.  Bei der Dorferneuerung wurden keine Gemeinschaftshallen in  diesem Maße gefördert, und da hat jedes bei uns durchgeführte  Projekt durchaus eine Wegbereiterfunktion gehabt. Man schaut  sich in Düsseldorf schon an, was wir mit dem Geld machen.  Und sieht dann, dass im ländlichen Raum einfach viele Ideen  existieren, die später auch in Förderprogramme übernommen  wurden. 
Reinhold Weber: Es gibt immer noch den Vorwurf, der ländliche  Raum werde vernachlässigt. Durch die LEADER-Projekte  konnte man dazu beitragen, dass dieser Vorwurf etwas geradegerückt  wurde. 

WOLL: Wie werden die zur Förderung bereitgestellten Gelder  in den vier Kommunen aufgeteilt?
Bernhard Halbe:
Das Verständnis untereinander hat mir immer  am meisten gefallen. Wir sehen uns wirklich als eine gemeinsame  Region. Und wenn dann Schmallenberg 1.000 Euro weniger  bekommt, höre ich keine Klage. Die einen haben nicht groß gejubelt  und die anderen, die nicht so viel bekommen haben, nicht  gemeckert. Da ist dieser Platz, wo wir uns jetzt befinden, ein  gutes Beispiel. Hierhin sollen ja nicht nur Esloher oder Wenholthauser  kommen. Er ist offen für alle, über die Gemeindegrenzen  hinweg. 
Reinhold Weber: LEADER hat dazu beigetragen, das Verständnis  für den anderen zu wecken. So kommt es bei bestimmten  Projekten vor, dass jemand aus der anderen Kommune sagt: „So etwas wäre bei uns in ähnlicher Form auch gut. Wie habt Ihr das  denn gemacht?“ Und schon setzen sich die beiden Kommunen  zusammen und planen. 

WOLL: Kern des Programms ist die Entwicklung von unten  nach oben? Ist das tatsächlich so?
Reinhold Weber:
Hier hat die digitale Welt geholfen. Wir haben  uns immer wieder gewundert, wie viele Leute aus dem jeweiligen  Bereich auf diese Weise tatsächlich zusammenkamen. 

WOLL: Sie meinen die Kompetenzgruppen? 
Reinhold Weber:
Ja, die Kompetenzgruppen  haben die Aufgabe übernommen, die Projekte  nochmal zu hinterfragen, auch den  Nachbarn gegenüber. Und dann gemeinsam  Vorschläge zu machen und das Projekt  zu Ende zu bringen. 
Bernhard Halbe: Ein Beispiel ist die  Stadt Meschede. Als größte Stadt hätte  sie normalerweise den prozentual  größten Anteil, aber die Fördergelder  sind in etwa geviertelt. Das hat sich so ergeben.  Wir haben ja Nebeneffekte gehabt.  So bekommen wir bei klassischen Dorf-Erneuerungsmaßnahmen  aufgrund der Tatsache, dass wir bei  LEADER 4 mitten im Sauerland zusammenarbeiten, alle grundsätzlich  10 % mehr Fördermittel. 
Reinhold Weber: Das gilt zum Beispiel bei der  Förderung für die Wirtschaftswege durch  das Land. Wenn man LEADER-Region  ist, bekommt die Gemeinde in dieser Region  10 % höhere Förderzuwendungen.  Das ist ein guter Nebeneffekt. Zu der  Aufteilung der Fördermittel noch ein  Satz: Wir fühlen uns als eine Region.  Das Konkurrenzdenken ist dadurch ein  bisschen in den Hintergrund geraten. 

WOLL: Welche Projekte waren speziell  für Schmallenberg und Eslohe beispielhaft?  Was waren in der Vergangenheit zu den einzelnen  Themen besonders erwähnenswerte Projekte? 
Bernhard Halbe:
In Schmallenberg sind üblicherweise touristische  Projekte sehr stark vertreten. Im Moment werden dort  die noch von Hubertus Schmidt initiierten Themenwanderwege  fertiggestellt. Vor einigen Wochen wurde zum Beispiel in Oberkirchen  eine schöne, neue Aussichtsplattform eingeweiht. 
Reinhold Weber: Unter anderem sind hier die beiden Projekte  in Wenholthausen zu nennen, die Erholungsanlage und diese  Pit-Pat-Anlage. In Eslohe selbst ist die Einrichtung des Verkehrsbüros  ein LEADER-Projekt. Das war ein ziemlich großes  Projekt. Für Bad Fredeburg ist das ähnlich gelagert. Dann die  Ehrenamtskneipe in Kückelheim. Da gab es sogar zweimal eine  Förderung. Einmal die Einrichtung und später die Vergrößerung  des Raums. 
Bernhard Halbe: Nach der Errichtung wurde die so gut angenommen,  dass sie erweitert werden musste. Mit Toiletten und  mit einem Raum für Jugendliche. In Bödefeld war es dann die  große Halle. Das ist auch ein tolles Projekt. 

WOLL: Vier Millionen Euro Fördermittel  gab es in den beiden Förderperioden von  Reinhold Weber, insgesamt über 12  Jahre, und 2,3 Millionen Euro werden  jetzt in der ersten Förderperiode von  Bernhard Halbe bereitgestellt. Das  bedeutet, die Mittel haben sich nicht  verringert. Warum diese Summe für  die LEADER-Region 4 mitten im  Sauerland? 
Reinhold Weber:
Das ist die Einstufung  nach dem Bevölkerungsschlüssel. 
Bernhard Halbe: Die 2,3 Millionen Euro aus der  Landesförderung sind von 65 auf 70 Prozent gestiegen.  Die übrigen 35 %, jetzt 30 %, werden von den Kommunen  aufgebracht. Die geben zusammen etwa 300.000 Euro für die  nächsten Jahre in den Topf. Der Rest wird von den  Projektträgern aufgebracht. 

WOLL: Für welches realisierte Projekt  haben Sie besonders viel Sympathie  bekommen und warum?
Reinhold Weber:
Das ist schwierig.  Aber ich will trotzdem dazu etwas sagen.  Ein großer Ort wie Freienohl wurde  zum Beispiel lange nicht bedacht.  Im Hintergrund schwebte bei allen  LEADER-Verantwortlichen die seinerzeit  durch die Kommunalreform entstandene  Rivalität zwischen Meschede und Freienohl.  Da haben wir im Vorstand gesagt: Jetzt muss auch  Freienohl erst einmal berücksichtigt werden. Die haben  die Schule abgebrochen und einen neuen Dorfmittelpunkt entwickelt.  Damit fing es an. Und jetzt waren bei der Einweihung  zwanzig Mescheder da. Das hätte es früher nicht gegeben. 
Bernhard Halbe: Ich finde die Projekte der Jugend-Kunst-  Schule immer sehr schön, weil das in die Fläche geht und immer  wieder neu lebt. Am schwierigsten war, glaube ich, der Aufzug  im Alexanderhaus in Schmallenberg. Hier spielte der Punkt Barrierefreiheit  die größte Rolle.

WOLL: Herr Halbe, was hat Sie bewogen, diesen Posten anzunehmen,  nachdem Sie in den Ruhestand gegangen waren? 
Bernhard Halbe:
Dorfentwicklung ist immer ein beliebter  Schwerpunkt meiner Arbeit gewesen. Da bietet LEADER jetzt  weitere Möglichkeiten. Das ist so ein bisschen Herzenssache. Wir  sind hier darauf angewiesen, dass die Menschen ihre Sachen  selber regeln. Und auch da bietet LEADER eine Chance, dass  Menschen im Ort die Dinge in die eigene Hand nehmen und  was für den Ort tun.

WOLL: Warum sind Sie der Ansicht, dass die Menschen in  den Dörfern alles selbst regeln müssen?
Bernhard Halbe:
Weil das so ist. Von der großen Politik tut das  keiner. Das Ehrenamt hat auf Landesebene einen sehr großen  Stellenwert zugemessen bekommen, weil das Land all das, was  das Ehrenamt macht, nicht selber machen kann und will. Zum  Beispiel unsere Museen. Hier wird die Arbeit auf das Ehrenamt  abgewälzt. Das interessiert in der Großstadt keinen. Ich finde,  dass in Großstädten viel zu viel gemacht und gezahlt wird. Aber  der Abstand wird immer größer. Unser größtes Problem ist der  Einwohnerrückgang. Da müssen wir uns nichts vormachen. Wir  müssen alles tun, damit der nicht so ausfällt wie prognostiziert. 

WOLL: Das bedeutet, durch die LEADER-Projekte wird der  soziale Zusammenhalt und damit vielleicht auch die Einwohnerzahl  verbessert? 
Bernhard Halbe:
Durch die Projekte entsteht Bindung. Wer etwas  macht, hat Bindung an den Ort. Ich will damit auch sagen:  Es gibt eine Fluktuation in der Bevölkerung. Und wir müssen  versuchen, dass Zugezogene schnell und gut integriert werden.  Da sind solche Projekte auch Chancen, die wir sonst vielleicht  nicht hätten. 
Reinhold Weber: Dem Rückgang der Infrastruktur in den Dörfern  versucht man mit diesen Mitteln ebenfalls ein bisschen entgegenzuwirken. 

WOLL: Die neuen Ziele für die LEADER-Projekte heißen  „Starke Orte“, „Gutes Klima“, „Innovatives Arbeiten“, „Lebenswerte,  Liebenswerte Heimat“ … 
Reinhold Weber:
… und Mobilität. Das Thema ist ganz wichtig  für uns. 

WOLL: Warum diese Änderung jetzt, gegenüber den früheren  Themen „Wald“ und „Jugendliche“?
Bernhard Halbe:
Die Digitalisierung und auch das Thema Homeoffice  könnten nochmals eine ganz andere Bedeutung für den  ländlichen Raum bekommen. Wenn man nur noch ein oder  zwei Tage ins Büro muss, kann man vielleicht auch von hier nach  Hamburg fahren. Homeoffice ist eine Riesenchance für junge  Familien. 

WOLL: Dann wird Homeoffice in der kommenden Periode  ein großes Thema sein? 
Reinhold Weber:
Auf jeden Fall. Und Tourismus sowieso.  Bernhard Halbe: Mobilität war in den vorbereitenden Workjobs  das größte Thema. Wobei hier die Regionale auch sehr stark  unterwegs ist. 

WOLL: Herr Weber, wenn Sie den Zeitraum von 2009 bis  jetzt betrachten: Wie haben sich die Anfragen für die Projekte  geändert und wie geht es in Zukunft weiter? 
Reinhold Weber:
Es kommen viele Projektideen aus dem Vereinsleben.  Die Vereine haben bestimmte Projekte im Sinn. Natürlich  ist das, darüber haben wir eben ja gesprochen, mit der  Förderung wegen der Rahmenbedingungen etwas schwierig.  Man kann den Schützen keine Schützenhalle bauen. 
Bernhard Halbe: Ich kann das nur als Frage formulieren. Wir  haben viele dieser klassischen Gemeinschaftsprojekte für die  Dörfer gehabt. Vielleicht beschäftigen wir uns demnächst mehr  mit Wirtschaft und Wirtschaftsbetrieben? 
Reinhold Weber: In der Dorferneuerung steht inzwischen auch,  dass man einen Start Up-Bäcker mit einem Backofen fördern  kann. Da müssen wir einfach nochmal schauen. Ich habe mir die  Handelsstudie sehr genau durchgelesen. Das Fachgeschäftethema  wird uns in Zukunft wohl ebenfalls beschäftigen. 
Bernhard Halbe: Auch Mietzuschüsse können wir in einem gewissen  Rahmen über LEADER fördern. Die Schwierigkeit ist,  Menschen zu finden, die im Einzelhandel in die Selbstständigkeit  starten wollen. 

WOLL: Herr Weber und Herr Halbe, wir bedanken uns ganz  herzlich für das Gespräch und Ihr ehrenamtliches Engagement  für unsere Region.