„Landwirt sein ist ein toller Beruf.“

HSK-KREISLANDWIRTIN BRIGITTE WULLENWEBER

Brigitte Wullenweber (49) ist seit November 2023 HSK-Kreislandwirtin. Sie ist die Nachfolgerin von Stefan Belke aus Schmallenberg-Winkhausen. Zusammen mit ihrem Mann Thomas (52) betreibt sie einen Milchviehbetrieb in Enkhausen, südlich von Meschede. Das WOLL-Magazin hat ein Interview mit dieser ersten Kreislandwirtin im Hochsauerlandkreis geführt. Dabei ging es um den gemeinschaftlichen Milchviehbetrieb, die Bauernproteste, die Bürokratie und die Zukunft der Landwirtschaft im Sauerland.

Milchviehbetrieb in Meschede

WOLL: Sie haben zusammen mit Ihrem Mann Thomas einen Milchviehbetrieb. Sind Kühe Ihre Leidenschaft?
Brigitte Wullenweber:
Ja sicher! Milchvieh war schon immer mein Steckenpferd. Das kannte ich von zu Hause in Olpe. Im Betrieb arbeite ich mit meinem Mann seit 20 Jahren. Davor habe ich eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht und an der Landwirtschaftlichen Fachschule in Soest studiert. Danach war ich Unternehmensberaterin für Milchviehbetriebe bei den Landwirtschaftskammern in Borken, Steinfurt und Meschede. Wir bewirtschaften hier 93 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Davon sind 24 Hektar für Silomais, der Rest ist Grünland. Ein typischer Betrieb. Wir haben 140 Kühe, die wir seit knapp vier Jahren mit zwei Melkrobotern melken.

WOLL: Wohin wird die Milch von diesen 140 Kühen geliefert?
Brigitte Wullenweber:
Die Milch wird an die niederländische Molkereigenossenschaft FrieslandCampina geliefert. Dort war ich auch zwölf Jahre im Ehrenamt Mitglied der Hauptversammlung, das heißt in der Interessenvertretung der Landwirte.

WOLL: Es ist nicht üblich, dass Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben offiziell den Ton angeben. Warum war Ihr Mann nicht in diesen Gremien, sondern Sie?
Brigitte Wullenweber:
Mein Mann ist teilweise in anderen Gremien, zum Beispiel im Prüfungsausschuss der Landwirtschaftskammer, in der Forstbetriebsgemeinschaft und ganz früher im Abteilungsvorstand unserer Molkerei. Ich bin eigentlich gegen eine Frauenquote, aber eine Frauenquote kann manchmal auch ein Türöffner sein. Damals waren viele ältere Herren in der Interessenvertretung von FrieslandCampina. In den Niederlanden war man damals schon etwas weiter in der Entwicklung. Am Anfang waren die niederländische Sprache und die andere Kultur schwierig für mich, aber am Ende ist mir der Abschied schwergefallen, Mit 99 Prozent der Männer bin ich super ausgekommen. Es wird wertgeschätzt, dass Frauen Sachen mal ein bisschen anders sehen. Aber ich bin keine, die sagt, das muss jetzt unbedingt 50:50 sein. Das Interesse muss da sein. Heute werden Frauen teilweise zu früh in solche Ehrenämter gedrängt. Als meine Kinder im Kindergarten waren, hätte ich mir diese Vertretung nicht vorstellen können. Es muss zur Lebenssituation passen.

Urlaub auf dem Bauernhof

WOLL: Sie bieten auch Urlaub auf dem Bauernhof an?
Brigitte Wullenweber:
Das stimmt. Eigentlich hat meine Schwiegermutter in der Zeit der Milchquotierung und der schlechten Milchpreise damit angefangen. Zunächst waren es drei Ferienwohnungen. Später haben Thomas und ich drei weitere gebaut. Unsere Gäste mögen die tolle Lage am Hennesee und das Hofleben. Die Kinder können hier moderne Landwirtschaft hautnah erleben. Die meisten kommen vom Niederrhein oder aus dem Ruhrgebiet. Immer mal wieder haben wir auch Gäste aus Hessen oder Niedersachsen, die sich die Gegend angucken möchten.

WOLL: Ist es für Sie eine Möglichkeit, den Gästen zu zeigen, wie Landwirte arbeiten, denken, mit den Tieren umgehen und wie man sich hier mit der Produktion von Lebensmitteln beschäftigt?
Brigitte Wullenweber:
Auf jeden Fall. Deswegen bin ich auch immer sofort bereit, wenn Schulen Führungen anfragen. In Meschede gibt es Kinder, die gar keine Ahnung haben, wie Milch produziert wird, und dass sie warm aus dem Euter kommt. Wir müssen auch immer erzählen, warum ein Melkroboter gut für die Kuh ist. Das ist vor allem so, weil die Kuh selbst entscheiden kann, wann sie zum Melken geht. Die Kuh wird optimal überwacht, 24 Stunden pro Tag, durch den Responder am Halsband. Damit haben wir ständig viele Daten von der Kuh und können schnell handeln, wenn irgendetwas abweicht. Früher war ich ein Kritiker der Roboter. Mein Mann wollte sie schon vor zehn Jahren kaufen. Ich habe gesagt: Ich muss die Kuh zwei Mal am Tag im Melkstand sehen, um festzustellen, ob es ihr gut geht. Jetzt bin ich eines Besseren belehrt worden. Der Roboter kann das alles viel besser sehen. Und ich muss mich nicht um die Kühe kümmern, die gesund sind. Die kann ich einfach laufen lassen.

HSK-Kreislandwirtin

WOLL: Sie sind seit November 2023 Nachfolgerin von Stefan Belke aus Winkhausen als neue HSK-Kreislandwirtin. Warum machen Sie das?
Brigitte Wullenweber:
Ich war vorher schon sechs Jahre Mitglied der Kreisstelle Meschede. Dann kam die Nachfolger- Diskussion. Stefan Belke hinterlässt große Fußstapfen. Jedoch sehen wir, dass es immer neue Herausforderungen für die Landwirtschaft gibt. Viele Diskussionen sind im Gange. Da kann man von Landwirtsseite eigentlich nur den Fehler machen, keinen von uns dahin zu schicken. Darum habe ich die Verantwortung übernommen, aber gleichzeitig meinen Kollegen gesagt, dass wir als Team funktionieren müssen. Denn für mich gehen Familie und Betrieb immer vor. Und das ist wirklich eine große Herausforderung. Unser Sohn Paul ist noch in der landwirtschaftlichen Ausbildung. Auf der anderen Seite finde ich, dass einem ein Ehrenamt auch sehr viel gibt, und Herausforderungen lassen einen wachsen.

WOLL: Es gibt viele Bauernproteste und Demos, auch in anderen EU-Ländern. Was ist da los?
Brigitte Wullenweber:
Der Leitspruch „Zuviel ist zuviel“ sagt eigentlich alles. Die Diskussion über Agrardiesel und die Steuer sind Beispiele, die ein schon randvolles Fass zum Überlaufen gebracht haben.

WOLL: Was sind andere kritische Punkte?
Brigitte Wullenweber:
Der Bürokratiewahn! Was unsere wöchentliche Stundenzahl im Büro ist, kann ich gar nicht sagen. Bei der Stoffstrombilanz beispielsweise geht es um die Nährstoffeffizienz. Aber das ist ein Dokumentationsberg, den man da aufgebaut hat, der oft an der Praxis vorbeigeht. Dann gibt es noch das Bestandsbuch für Medikamente, das Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere, das QM-System, die Antibiotikadatenbank, die Nachhaltigkeitssysteme der Abnehmer (z.B. Molkerei). Das alles sind Sachen, die mich wahnsinnig machen zu dokumentieren. Was nützt es denn, wenn die Dokumentation uns die Zeit nimmt, in der wir uns um das Wesentliche kümmern sollten?! Und dann gibt es Menschen in unserer Gesellschaft, die meinen, dass Landwirte Naturzerstörer und Umweltverschmutzer seien. Nun bietet man Programme an, die fördern sollen, dass Landwirte naturnäher wirtschaften. Ein Problem ist jedoch, dass viele Berufskollegen Angst haben, dass aus der Freiwilligkeit schleichend eine Verpflichtung wird.

WOLL: Bürokratie ist die eine Sache. Was sagen Sie zur aktuellen Politik?
Brigitte Wullenweber:
Ich stelle fest, dass die Politik momentan keine große Hilfe ist. Die Investitionsbereitschaft in der Landwirtschaft war noch nie so schlecht wie im Moment. Im Bereich der Schweine weiß keiner, wie es perspektivisch weitergeht. Man will mehr Tierwohl, aber dann hakt es beim Baurecht. Meiner Meinung nach ist es die Hauptaufgabe der Politik, klar eine Richtung vorzugeben, damit ein Landwirt weiß, dass sein Betrieb eine Zukunft hat, wenn er sich daran hält.

WOLL: Wie sehen Sie die Zukunft der Landwirtschaft?
Brigitte Wullenweber:
Ich bin grundsätzlich jemand, der das Glas halbvoll und nicht halbleer sieht. Es gibt keine Probleme, aber Herausforderungen. Auch wenn mich vieles frustriert, finde ich nach wie vor, dass es ein toller Beruf ist. Ich verstehe auch den Frust, doch einige Landwirte sind zu negativ gestimmt. Ich habe selbst als Arbeitnehmer gearbeitet. Wenn es gut läuft, bekommt man als solcher nicht unbedingt Feedback. Landwirtschaft und Selbstständigkeit haben echt viele Vorteile. Ich konnte zum Beispiel die Erziehung meiner Kinder, der Zwillinge Lukas und Paul, mit meinem Beruf als Landwirtin verbinden. Diese Vorteile muss man sich vor Augen führen.

WOLL: Vielen Dank, Frau Wullenweber, für das Gespräch und die Einblicke in die Sauerländer Landwirtschaft.