Kreativität ist innere Freiheit

Quelle: Frederike van der Straeten

Im Gespräch mit Musiker und Schauspieler Jakob Wüllner

Der Schmallenberger Jakob Wüllner lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Köln. Dort ist er nicht nur als Musiker mit seiner One-Man-Band „Waykoba“ aktiv, sondern steht auch als Schauspieler auf der Bühne, engagiert sich für die Theaterpädagogische Werkstatt Osnabrück und arbeitet für das „Theater der Keller“ in Köln. Familie, alte Freunde und die Natur ziehen den 31-Jährigen regelmäßig in seine Heimat zurück. An Köln liebt er vor allem die Kunst- und Kulturszene. Im Interview mit WOLL erzählt Jakob, wie es ist, von der Bühne auf den Regie-Stuhl zu wechseln, warum sein Bandname indianische Wurzeln hat und was Kreativität für ihn bedeutet.

WOLL: Heute bist du vor allem in kreativen Bereichen unterwegs. Nach der Schule hast du aber zunächst einen anderen Weg eingeschlagen …
Jakob Wüllner:
Ja, ich habe eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger abgeschlossen, weil ich schon immer gerne im sozialen Bereich gearbeitet habe. Heute verbinde ich das mit dem Schauspiel. Ich engagiere mich für die Theaterpädagogische Werkstatt Osnabrück. Das ist eine Organisation, die Theaterstücke zum Thema sexueller Missbrauch an Grundschulen aufführt, um Kinder für dieses Thema zu sensibilisieren und aufzuklären. Durch Corona ist das aktuell leider nicht immer möglich, aber dafür umso wichtiger, damit die Kinder nach so langer Zeit allein in den Familien einen Ansprechpartner haben.

WOLL: Wie erlebst du als Künstler die aktuelle Situation?
Jakob Wüllner:
Seit Sommer 2020 bin ich am „Theater der Keller“ in Köln angestellt. Ich wurde engagiert, um die Musik für das Theaterstück „Living in a Ghost Town“ zu schreiben und live als Musiker und Schauspieler auf der Bühne zu stehen. Durch Corona pausiert das Stück, es wird aber hoffentlich bald wieder aufgenommen. Für Künstler und Soloselbständige ist es derzeit alles andere als leicht, aber ich fokussiere mich auf die Dinge, die trotz Lockdown möglich sind. Ich setze mir Ziele, die in Corona-Zeiten erreicht werden müssen, dadurch ist mein Terminkalender voll und es wird mir nie langweilig. So stehen Produktionen für Musikvideos an, Pressearbeit, die Planung und das Recording meines nächsten Albums. Das erfordert viel eigenorganisatorische Arbeit und beschäftigt mich.

WOLL: Du warst immer schon musikalisch aktiv – was bedeutet Musik für dich?
Jakob Wüllner:
Seit meiner Kindheit fühle ich mich durch Musik und verschiedene Genres inspiriert – Rock, Blues, Jazz, Pop. Musik bedeutet mir alles. Ich empfinde sie als purste und ehrlichste Form des Ausdrucks und kann mich leicht darin verlieren. Ich habe mir nie vorgenommen, Musiker zu werden, sondern wusste einfach, dass ich diesen Weg einschlagen würde.

WOLL: „Waykoba“ ist eine One-Man-Band, was bedeutet das?
Jakob Wüllner:
Ich benutze die Bezeichnung, weil ich in erster Linie als Solokünstler Musik mache und dabei mehrere Instrumente gleichzeitig spiele – Schlagzeug, Gitarre und mein Gesang sind meine drei Hauptinstrumente. Meistens spiele ich alles zur selben Zeit. Seit Mitte 2020 bin ich unter dem Namen „Waykoba“ bei Spotify und allen großen Musikplattformen zu finden.

WOLL: Was hat es mit dem Namen auf sich?
Jakob Wüllner:
Als ich in Kanada in einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung gearbeitet habe, lag nebenan das vom Staat gestellte Reservat Waycobah. Die Kultur der dort lebenden nordamerikanischen Ureinwohner hat mich und meine Zeit dort sehr geprägt, positiv wie negativ, denn die Isolation und Armut dort hat mich stark beeinflusst. Also beschloss ich: Sollte ich jemals einen Künstlernamen brauchen, dann wird es Waykoba. Das indianische Wort lässt sich grob übersetzen mit „Kopf des Wassers“. Den Bezug zu uralten Völkern hört man übrigens auch in meinen Liedern, denn ich binde oft ethnische Sounds und traditionelle Musik ein.

WOLL: Du schreibst deine Lieder selbst, wie machst du das?
Jakob Wüllner:
In den meisten Fällen verarbeite ich so, was ich erlebe und was mich inspiriert, ob bewusst oder unbewusst. Ich nehme mir nicht vor, über ein bestimmtes Thema zu schreiben. Oft mache ich stundenlang Musik und gerate irgendwann in eine Art kreativen Fluss – ich denke über nichts mehr nach, Körper und Geist bringen ganz organisch Ideen hervor. Wie überzeugt ich dann von den Ergebnissen bin, hängt stark von meiner Tagesform ab. An manchen Tagen liebe ich meine Lieder, an anderen verfluche ich sie, weil meine Stimmung eine ganz andere ist. Ich bin sehr selbstkritisch mit meiner Musik, das gehört für mich dazu. Mich musikalisch auszuruhen kommt aber nicht in Frage. Es wird viele neue Songs geben, die aktuell noch nicht veröffentlicht sind.

WOLL: Wie definierst du „Kreativität“?
Jakob Wüllner:
Kreativität ist für mich innere Freiheit. Es braucht Hingabe und eine emotionale Verbindung mit sich selbst. Für mich gehört es auch dazu, ehrlich zu sich selbst zu sein. Damit ich mich wahrhaftig kreativ fühlen kann, ist es mir wichtig, in den bereits erwähnten kreativen Fluss abzutauchen: Ein Zustand, in dem ich nicht nachdenke und völlig abschalte. Dadurch handle ich impulsiv und mein Körper gibt den Takt vor. Kreativität ist etwas, das man nicht erzwingen kann, man muss darauf warten. Mir hilft es, meine Umgebung entsprechend zu gestalten – zur Ruhe zu kommen, alleine zu sein und Ablenkungen durch alltägliche, belanglose Reize auszuschalten.

WOLL: Neben der Musik hast du auch die Schauspielerei für dich entdeckt. Inzwischen hast du deine Ausbildung abgeschlossen. Also: Bildschirm oder Bühne?
Jakob Wüllner:
Im Theater Arturo in Köln durfte ich schon einige Rollen spielen. Die herausforderndste war die des Ferdinand in „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller. Es geht um einen jungen Mann, der sich selbst und seine Geliebte aus Eifersucht töten will. Die Erarbeitung mancher Szenen hat mir viel abverlangt, aber mir auch so viel gegeben, dass ich mich für die Bühne entscheiden würde.

… auf der Bühne oder im Regie-Stuhl?
Jakob Wüllner:
2018 habe ich das Theaterstück „Valhalla“ geschrieben, Regie geführt und es auf der Bühne umgesetzt – eine einzigartige Erfahrung. Das Theaterstück spielt in der Zeit der Wikinger und handelt von Agdar, einem zügellosen und eigensinnigen Mädchen, das nicht akzeptieren kann, dass ihr kleiner Bruder in eine Schlacht ziehen muss. Sie ist überzeugt, die bessere Kämpferin zu sein, und zieht schließlich heimlich an Stelle ihres Bruders in den Krieg. Ich liebe es, selbst zu schreiben und dann die Möglichkeit zu haben, die Geschichten auf die Bühne zu bringen. Das Stück habe ich mit nur zwei Schauspielern erarbeitet, eine intime und sehr intensive Aufgabe. Am Ende waren wir alle stolz auf das Ergebnis, daher würde ich mich für den Regie-Stuhl entscheiden.

WOLL: Wo siehst du dich in fünf Jahren – Musiker, Schauspieler oder beides?
Jakob Wüllner:
Für mich geht beides Hand in Hand. Wir leben in Zeiten, in denen ich gerne divers aufgestellt bin, und ich finde in all diesen kreativen Berufsfeldern Zufriedenheit. Alles kommt, wie es kommt. Klar ist auf jeden Fall: Der Musik bleibe ich treu!

Jakob Wüllner findet man auf YouTube (Waykoba), Spotify (Waykoba) und Instagram (@waykoba_music).