Zu Besuch bei der Kräuterkundigen Anna Kremer
Erflinghausen in der Nähe des Hennesees. Hier lebt die Wild- und Heilkräuterpädagogin Anna Kremer. Das etwas abseits gelegene Dorf bietet genau die richtige Umgebung, um sich auf die Suche nach den Schätzen der Natur zu begeben.
„Hier wachsen 40 bis 45 verschiedene Kräuter“, erzählt Anna Kremer. Wer die pflücken möchte, sollte ein paar Dinge beachten. „Nicht am Straßenrand pflücken, nicht von gedüngten Mähwiesen und auch nicht auf Hundestrecken“, rät die gelernte Hauswirtschafterin. Ideal ist es abseits befahrener Wege, an steilen Böschungen oder Flussläufen.
Die Faustregel lautet: Kann man die Blätter einer Pflanze essen, gilt selbiges für Stängel und Blüten. Die erntet Anna Kremer immer um die Mittagszeit, wenn der Tau weg ist und sich die Kelche am weitesten geöffnet haben. Die Blüten darf man übrigens auf keinen Fall waschen.
Und wenn ein Reh drauf gepullert hat? „Da müssen Sie sich keine Sorgen machen“, sagt Anna Kremer und lacht. „Tiere urinieren wurzelnah, damit die Pflanzen nicht in der Sonne verbrennen.“
Am besten breitet man die Kräuter dann erst einmal im Freien aus, damit Käfer rauskrabbeln können. Hat man alles gut getrocknet, sind die Pflanzenteile zwei Jahre haltbar.
Kräuter im Sauerland: Viel mehr als nur Tee
„Wir hatten hier ja früher das Hofhotel, da war ich in der Küche. Heute kennt man das überall, aber als ich vor 30 Jahren Blüten auf den Salat gemacht habe, kam mein Mann schon mal mit den Tellern zurück.“ Frau Kremer lacht. „Die Gäste hätten gesagt, ich solle das Unkraut weglassen.“
Bereits als junges Mädchen wurde Frau Kremer von ihrer Großmutter in der Kräuterheilkunde unterrichtet. Mit Mitte 50 machte sie dann in Hallenberg eine zweijährige Ausbildung zur Wild- und Heilkräuterpädagogin. Seitdem gibt sie Kräuterführungen. Interessierte kommen dabei in den Genuss selbstgemachter Kräuterdips, Pestos, Kräuterkuchen, Kräutersalze, Gelees und Marmeladen. Aus süßen Kräutern, Apfelsaft und Mineralwasser wird „Hexenlimonade“.
Aus ihrem Liebling, der Ringelblume, stellt die Erflinghäuserin Salben und Cremes her. „Meine Enkel haben immer ein Döschen von ‚Omas Zaubersalbe‘ in ihrer Kindergartentasche.“
Eine echte Alleskönnerin ist auch die Brennesel: „Sie enthält nachweislich fast alle Vitamine und Nährstoffe, die wir Menschen brauchen.“ Am besten erntet man die Pflanze im März und April bevor sie blüht. Danach kann man ihre Samen sammeln und als Gewürz verwenden. Bei Magenbeschwerden hilft ein Tee aus Brennesel, Salbei, Thymian, Kümmel und Fenchel. „Und beim ersten Halskratzen kaue ich Salbeiblätter. Die wirken schmerzstillend und antibakteriell.“
Gift und Medizin
Wer selbst in die Welt der Kräuter eintauchen möchte, sollte sich vorher gut informieren.
Einige Arten haben giftige Doppelgänger. Brunnenkresse kann mit Wasserschierling verwechselt werden; der beliebte Bärlauch mit Gefleckten Ahornstab oder dem Maiglöckchen. Und das Scharbockskraut, als Vitamin C-Spender nach der Mangelerkrankung Scharbock (Skorbut) benannt, wird giftig, sobald es blüht.
Anfängern rät die 69-Jährige daher, sich zunächst auf zwei oder drei Pflanzen zu beschränken. „Die lassen Sie sich bei einer Kräuterführung dann genau erklären. Mit Spitzwegerich oder Schafsgarbe etwa kann man nichts falsch machen.“ Dabei soll man achtsam vorgehen, immer nur ein bisschen pflücken und auf keinen Fall die Wurzel herausreißen.
Wer unsicher ist, kann Kräuter auch im eigenen Garten züchten. Ringelblume und Kapuzinerkresse sind dabei besonders unkompliziert. Im Kremerschen Garten wachsen auch Dill, Bohnenkraut, Estragon, Kerbel und Beifuß. Zusätzlich versorgt die mehrfache Großmutter die ganze Familie mit Kartoffeln, Salaten, Bohnen, Möhren und vielen weiteren heimischen Gemüsen.
„Ich sage immer, was hier wächst, ist auch gut für mich!“
Rezept für Anna Kremers „Haustee“:
Man mische jeweils eine Handvoll Blätter von Birke, Brennnessel, Walnuss, Himbeere, Minze und Salbei. Dann vier Esslöffel Teemischung mit 1,5 Litern kochendem Wasser aufgießen und zehn Minuten ziehen lassen.