„Wir haben uns verfahren und Google Maps hat auch nicht funktioniert! Von Digitalisierung habt ihr hier noch nichts gehört, oder? Du wohnst echt hinterm Mond”, beschweren sich meine Studienfreunde, die mich für ein Wochenende im Sauerland besuchen kommen, bei ihrer Ankunft. „So schlimm ist es gar nicht!”, verteidige ich meine Heimat. Oder doch?
Nein, wir leben nicht hinter dem Mond. Nur zwischen ziemlich hohen Bergen, mitten auf dem Land, was dem Breitbandausbau und damit schnellen Internet immer noch im Wege steht. Doch was viele vergessen: Digitalisierung ist viel mehr, als überall permanent mit dem Internet verbunden zu sein. Wir im Sauerland können sehr wohl auch digital. Vielleicht findet man hier sogar digitale Pioniere – vielerorts versucht man bereits mit allen Kräften, den steilen Berg der Digitalisierung hochzukraxeln. Sei es, um Prozesse in der Verwaltung zu optimieren, sei es, um Bildungseinrichtungen für die Zukunft fit zu machen oder unsere Wirtschaft im Hinblick auf Produktivität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Andere scheuen Veränderungen und schimpfen auf die böse digitale Welt, statt sich sachlich mit Chancen und Risiken zu beschäftigen. Eine wirtschaftliche Gruppe hat es im Zuge des digitalen Wandels besonders getroffen: den stationären Einzelhandel. Gerade junge Leute shoppen lieber online, statt einen Fuß vor die Tür zu setzen. Frustration ist hier vorprogrammiert. Doch macht man es sich vielleicht etwas zu leicht, Amazon, Ebay, Zalando & Co. den schwarzen Peter zuzuschieben?
Klick im Kopf
Auch ich kaufe gerne online. Aber noch lieber durchstöbere ich die neuesten Schmöker in meiner Buchhandlung und lasse mich kompetent beraten, bevor ich die fünfte Jeans wieder zurückschicken muss. Doch manchmal vergesse auch ich, wie angenehm das Bummeln ist. Was mich daran erinnert? Wenn ich durch den „Newsfeed“ von Facebook scrolle und plötzlich einen Beitrag meines Lieblingsladens sehe. Oder wenn ich spontan einen Tisch reserviere, weil ich bei Instagram ein leckeres Gericht aus meinem Lieblingsrestaurant finde. Genau aus diesem Grund lohnt es sich für lokale Einzelhändler, auch digital präsent zu sein. Die Kunst besteht darin, eine Verbindung zwischen online- und offline-Welt herzustellen. Eine eigene Social Media-Präsenz ist eine gute Chance, sich mit den Kunden auszutauschen, sie zu beraten, ihnen Tipps und Inspirationen zu liefern, auf Wünsche, Fragen und Probleme einzugehen – und damit im ersten Schritt nicht nur an das Verkaufsziel zu denken. Der Einzelhandel in Schmallenberg, Eslohe oder Bad Fredeburg hat drei entscheidende Vorteile gegenüber Amazon & Co.: Persönlichkeit, Vertrauen und Herzblut.
Nichtsdestotrotz trauen sich viele Unternehmen und Händler noch nicht, sich an digitale Themen heranzutasten. Auf einer Facebook-Seite oder gar auf Instagram Produkte und Dienstleistungen bewerben? Für viele undenkbar. Es fehle an Zeit, so heißt es, an technischem Know-how und kreativen Ideen. Denn es reicht ja nicht, einfach seine Angebote zu posten. Doch gute Ideen entstehen nicht nur im Großstadt-Loft. Sie entstehen bei einem Gespräch mit Stammkunden, bei einem Spaziergang durch die Wälder, wenn man Augen und Ohren offenhält und seinen Beruf mit Herzblut betreibt. Es muss nur noch „Klick im Kopf“ machen. Und man braucht auch nicht alleine loszulegen, denn es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote, beispielsweise von der SUZ (Schmallenberg Unternehmen Zukunft) oder den IHKs (z.B. das Einzelhandelslabor), die praxisnahe Workshops oder Stammtische auch zu digitalen Themen anbieten.
Vielleicht benötigt die Digitalisierung bei uns im Sauerland einen kleinen Schubser, damit sie es leichtfüßiger über den Berg schafft. Dabei können externe Angebote helfen. Oder man sieht die Chance, die oben am höchsten Punkt wartet, lässt die Konzentration auf negative Aspekte und Folgen der Digitalisierung ein wenig hinter sich und zieht auf eigene, solide Faust los. Und von oben sieht die Welt doch gleich immer ein bisschen schöner aus, woll?