Christa Schneider über ihre große Leidenschaft und die Liebe zum Waldhaus Ohlenbach
Wenn von früher, und zwar von ganz früher, erzählt wird, staunt man doch immer wieder. Es ist heute irgendwie unvorstellbar: wie mühsam alles war, wie hart gearbeitet werden musste und wie unüberwindbar manche Entfernungen schienen. Das sieht Christa Schneider (genannt Kiki) aus Westfeld aber ganz anders. „Wir haben das damals gar nicht so empfunden. Was wir erreichen wollten, haben wir auch geschafft“, schmunzelt die 88-jährige Seniorchefin vom Waldhaus Ohlenbach. 1931 kam sie in Schlesien zur Welt. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Wiesbaden. Mit 17 Jahren durfte sie am ersten Auslandsaustauschprogramm teilnehmen und ging für ein Jahr in Amerika zur Schule. Dass Christa Schneider den Weg von Wiesbaden zum amerikanischen Konsulat zu Fuß gehen musste, erwähnt sie ganz nebenbei. Das war 1948 normal. Wie aber kommt man vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten in das Land der 1.000 Berge? „Durch meinen Beruf oder, besser gesagt, durch eine Prüfung habe ich meinen Mann kennengelernt“, klärt Christa Schneider auf.
Früher wurde nicht lange diskutiert, welchen Beruf man erlernt. „Meine Mutter hat vorgegeben, dass ich Diätassistentin werden soll, und so war es auch.“ In renommierten Häusern, Hotels und Sanatorien hat sie ihren Beruf ausgeübt. Dass ihr das aber nicht wirklich Freude bereitete, hat sie sehr schnell gemerkt. „In jedem Haus gab es eine Küchenbrigarde, das war meins. In der Küche helfen war für mich was wirklich Tolles. Das war mein Ding. Und es hat nicht lange gedauert, da wurde ich Küchenchefin von einem 100-Betten-Hotel.“ Um den Titel der Küchenchefin perfekt zu machen, absolvierte sie in Baden-Baden die Prüfung zur Küchenmeisterin. 28 Männer und zwei Frauen wurden damals zur Prüfung zugelassen. Unter den Prüflingen befand sich Josef Schneider aus Schmallenberg-Westfeld. „Er machte die Prüfung zum Serviermeister. Das war eine so sch.ne Zeit. Wir waren alle hochmotiviert. Nach sechs Wochen ging dann wieder jeder zurück. Aber Jüppken und ich hielten Briefkontakt. Wir standen ja nun beide am Anfang unserer Karriere. Ich weiß noch, dass wir voller Tatendrang waren, wir wussten gar nicht, wohin mit unserer Energie, und so kam es, dass wir uns zusammengetan haben.“
„Es hat einfach gepasst.“
1962 übernahmen Kiki und Jüppken die kleine Pension Waldhaus Ohlenbach in Eigenregie. Die beiden wurden auch schnell ein richtiges Paar: „Es hat einfach gepasst“. Neben der Küche war auch das Heiraten eine gro.e Herausforderung. Als Evangelische im katholischen Sauerland hatte man damals schlechte Karten. Also konvertierte Christa zum katholischen Glauben und lernte, dass man hier regelmäßig am Sonntag in die Kirche ging. Sohn Stefan kam zwei Jahre später, 1964, zur Welt. Die Töchter Nikola (1966) und Zerline (1969) machten die Familie Schneider schnell komplett. Das Kochen und die Gastronomie wurden den Kindern in die Wiege gelegt. Alle drei sind heute in der Branche tätig. Doch nicht nur an ihre Kinder hat Christa das Kochen und die Leidenschaft zur Gastronomie weitergegeben, sondern sie hat im Laufe ihrer Berufsjahre im Waldhaus auch um die 120 Lehrlinge ausbilden können. In der Küche herrschte ein strenges Regiment unter der damaligen Chefin. Aber immer mit Herz und großem Qualitätsbewusstsein. Der Tag startete damals wie heute mit einem gemeinsamen Frühstück. Auch wenn Christel Schneider in der Küche das Sagen hatte: Im Team zu arbeiten war ihr immer wichtig.
„Die erste Euphorie werde ich nie vergessen.“
„Ich erinnere mich sehr gerne an unseren Jochen Lülf. Er war schon als Lehrling eine echte Bereicherung. Fleißig und experimentierfreudig entwickelte er Gerichte, die richtig köstlich waren. 30 Jahre ist er bei uns gewesen und hat unsere Küche mitgeprägt“, erzählt Christa Schneider stolz. Ihre Lieblingslektüre war das große „Lexikon der Küche“. Immer auf der Suche nach etwas Neuem versuchte sie, die entsprechenden Lebensmittel zu bekommen. Es konnte damals zwar Ware geordert werden, die kam aber mit der Bahn und musste in Winterberg am Bahnhof abgeholt werden. Deshalb war es fast unmöglich, Fisch zu bestellen. Doch plötzlich kam die Zeit, in der die Lebensmittel fachgerecht gekühlt bis in die Pension geliefert wurden. Zeit für Austern, Kaviar und Champagner. Aber auch besondere Gewürze, Früchte und vieles mehr. Das kannte man alles gar nicht. „Die erste Euphorie werde ich nie vergessen. Es kann sich keiner vorstellen, wie begeistert wir waren. Und unsere Gäste wussten es zu schätzen. Für mich sind diese kulinarischen Leckerbissen bis heute etwas ganz Besonderes.“
Ähnlich war es mit neuen Maschinen. Das Kochen hat sich langsam entwickelt. Erst gab es normales, einfaches Pensionsessen, dann stiegen die Ansprüche der Gäste. Es wurde Auswahl gewünscht. Entsprechend wurden Vorspeise, Hauptspeise und Dessert geboten. Dazu brauchte man die unterschiedlichsten Geräte, die einem die Arbeit erleichtern und Varianten ermöglichen konnten. Das Essen sollte schließlich immer perfekt sein, abwechslungsreich, ohne Wiederholungen, und zeitnah auf dem Tisch stehen. „Wenn ich in der Hightech-Küche von unserem Sohn Stefan stehe, dann ist das faszinierend, welche Möglichkeiten du als Koch heute hast. Dampfgarer, Froster, Grillflächen, Öfen aller Art und, und, und.“ Darüber staunt sie immer noch. Aber: Die Handarbeit bleibe unerlässlich. Die Grundbegriffe und Techniken, die man als Koch gelernt hat, und vor allem die Leidenschaft fürs Kochen kann keine Maschine übernehmen. Und jeder Koch macht es anders. Es ist ihrer Meinung nach wichtig und richtig, eine eigene Handschrift in der Küche zu haben. Das zeige, dass sich der Koch Gedanken macht. Sie selbst hat über 50 Jahre das „abwechslungsreichste und köstlichste“ Handwerk der Welt ausgeübt.
„Die Kocherei bleibt im Wandel.“
Der Zeitgeist spielt auch in der Küche eine große Rolle. Früher war das Fremde und Exotische gefragt, heute spielt Regionalität eine wichtige Rolle. Jeder Koch hat seine Prioritäten. Und es gibt Möglichkeiten der Garmethoden und Macharten, die früher keiner kannte. „Wir haben damals neben dem Braten noch geschmort. Fertig. Das war geschmacklich perfekt. Die Kocherei ist und bleibt im Wandel. Ich kann nicht sagen, dass es früher besser war. Es war anders“, sagt die Chefköchin nachdenklich. „Zu unserer Zeit wurden die Menü-Gänge mit unterschiedlichen Weinen begleitet. Eine Flasche Bier auf dem Tisch war undenkbar. Alles möglich heute. Unser Weinkeller ist immer noch riesig und wir lassen mittlerweile unser eigenes Bier brauen“, fügt sie hinzu.
Schon längst haben ihr Sohn Stefan und seine Frau Anja die kleine Pension zu einem 4-Sterne-Wellnesshotel ausgebaut. Zufrieden blickt sie zurück. „Meine Liebe habe ich in Baden-Baden gefunden, im Waldhaus Ohlenbach mein Glück und im Schmallenberger Sauerland meine Heimat. Mein Mann und ich freuen uns sehr, dass das Familienunternehmen weiterlebt.“ Während Enkeltochter Olivia nach dem Abitur ins Studium geht, erlernt Enkelsohn Nick derzeit den Beruf des Kochs. „Köchin zu werden war für mich die richtige Entscheidung. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen wunderbaren Beruf erlernen durfte. Wenn ich noch mal auf die Welt komme, mache ich es genauso wieder“, ergänzt Christa Schneider abschließend.