Wahre Gaumenfreuden und eine gepflegte Tischkultur zelebrieren zehn kochende Männer einmal im Monat in Neheim. Die Hobby-Köche sind Mitglieder der Marmite Bruderschaft, deren kulinarisches Herz für die gehobene Küche schlägt.
Der „CC-Club kochender Männer in der Bruderschaft Marmite e.V.“ hat seinen Ursprung in der Schweiz. Das „CC“ steht dabei für „Confrèrie Culiniaire“, also „Kochbruderschaft“. Die Gruppe rund um Neheim ist die „Handwerkerchuchi“, die vor sage und schreibe 42 Jahren durch die Initiative zweier Obermeister der Handwerkerinnung aus der Chuchi „Alt-Arnsberg“ hervorgegangen ist. Das Wort Chuchi kommt ebenfalls aus dem Schweizerischen und bedeutet „Küche“. Nun aber genug der grauen Theorie und „Butter bei die Fische!“.
Die anspruchsvollen Hobby-Köche aus Niederense, Hachen, Möhnesee und Balve treffen sich einmal im Monat in ihrer Küche in Neheim und kreieren einen vollendeten Gaumenschmaus. Jedes Mal ist ein anderer Bruder – der jeweilige „Chef de Jour“ – für die Organisation des Abends zuständig: Dieser wählt die Menüfolge aus, schreibt die Einladungen, kümmert sich um den Einkauf, überlegt sich die passenden Weine zu jedem Gang. Den Tisch mit bis zu vier verschiedenen Essbestecken und den richtigen Gläsern nach formvollendeter Etikette zu decken, gehört hier noch zu den leichtesten Übungen. Hinzu kommt eine geschmackvolle Tischdeko, und servieren lernt man sowieso.
„Vielleicht noch ein Sorbet zwischendurch…“
Der Chef de Jour verteilt die Aufgaben und beim Kochen selbst legt jeder Bruder in stilsicherer, weißer Marmite-Kochjacke mit Hand an. „Standard in der Handwerkerchuchi ist mindestens ein Fünf-Gänge-Menü“ erklärt Grand Maitre Hans-Werner Neumann aus Ense. „Vielleicht noch ein Sorbet zwischendurch, um die Geschmacksnerven zu neutralisieren“ ergänzt unser Chef de Jour Maitre Hans Vornweg, Hobby-Imker und pensionierter Elektroingenieur.
Wichtigste Voraussetzung für die Aufnahme in die Bruderschaft ist die Leidenschaft fürs Kochen. Man(n) muss kein Meisterkoch sein, aber das ergibt sich dann später wohl auch ganz von selbst. Drei Menüs mit mehreren Gängen müssen vor den geschulten Gaumen der Kochbrüder bestehen. „Wenn er sich dann nicht zu dusselig anstellt und auch noch ganz nett ist…“, dann steht laut Grand Maitre Neumann, Bauingenieur im Unruhestand, einer Aufnahme in die Bruderschaft nichts mehr entgegen. Das jüngste Mitglied ist gerade einmal Anfang Vierzig, der älteste Kochbruder zählt stolze 78 Lenze.
Die Kochbrüder haben sich auch schon für den guten Zweck ins Zeug gelegt, wie z. B. ein Sieben-Gänge-Menü für 16 Genießer in Niederense. Der Erlös des Abends wurde für die Instandhaltung der Kapelle in Niederense gespendet. Auch für die Rodentelgenkapelle in Bruchhausen wurde schon der Kochlöffel geschwungen. Das Niveau dieser Festmahle ist u. a. geprägt durch regelmäßige Fortbildungen bei Sternekoch Hans Stefan Steinheuer. „Der kennt uns inzwischen schon, aber das ist jedes Mal ein Highlight“, schwärmt Apotheker Ulrich Kellner.
Bruderschaft mit Damenbesuch
Eine Besonderheit der Handwerkerchuchi: Die Ehefrauen genießen während der Kochabende ihrer Männer ein Essen im Restaurant und werden danach von der Bruderschaft zum Dessert geladen. Diese Sauerländer Sonderregel ist einmalig in ganz Deutschland. Das sei nicht nur gesellig, sondern sorge auch für einen sicheren Heimweg nach einem guten Tröpfchen zu jedem Gang, bemerkt Grand Maitre Neumann augenzwinkernd.
„Marmite“ – das kommt aus dem Französischen und bedeutet „Kochtopf“. Da hinein kommen nur erlesene, möglichst regionale und saisonale Zutaten. In seltenen Fällen haben sich die Ingredienzien allerdings auch schon selbstständig gemacht. So sollte es vor etlichen Jahren zum ersten Mal Flusskrebse geben, aber niemand der Brüder konnte sich dazu überwinden, die lebenden Tiere ins kochende Wasser zu werfen. Also entschied man sich letztlich dafür, den Tieren die Freiheit zu schenken. Die Flusskrebse sind noch einmal davongekommen – und was haben die Kochbrüder dann gegessen? „Die anderen fünf Gänge“, bringt es Grand Maitre Neumann schmunzelnd auf den Punkt.
Jedes Gericht ein Gedicht
Beim Kochereignis in diesem August standen zwar keine Krustentiere auf der Speisekarte, das Menü von Maitre Hans Vornweg ließ jedoch nichts zu wünschen übrig: Los ging es mit einem Amuse Bouche, dem Gruß aus der Küche, in Gestalt eines feinen Nusstörtchens gefüllt mit Roter Bete und Ziegenfrischkäse mit frischen Kräutern und einem Senf-Dressing. Anmerkung der Redaktion: eine wahrlich köstliche Kreation! Weiter ging es mit auf den Punkt gebratenem Kabeljau auf einer pikanten Mangosalsa an knusprigen Risottobällchen mit Mandelkruste, wobei sehr deutlich zu Tage trat, dass die Sauerländer Kochbrüder so leicht nichts aus der Ruhe bringt, denn hierbei durfte sogar ich als Gast der schreibenden Zunft unter der fachkundigen Anleitung von Hans-Werner Neumann mitschnippeln, rühren, abschmecken, rollen, ummanteln und frittieren. Es folgte ein köstliches, geeistes Möhrensüppchen. Vor dem außergewöhnlichen Entrecote im Salz-Kaffee-Mantel mit hinreißendem Kartoffelstock im Rübliring gab es ein kühles Sorbet von roten Beeren. Das Dessert aus Guinnessschaum, Zuckerrübeneis, Cassis und Nougatcreme bildete schließlich den krönenden Abschluss.
Und bei all diesen Köstlichkeiten und Genüssen, hätte man der Bruderschaft eigentlich ein Gedicht schreiben müssen!