„Kneipp ist cool!“

Der Saalhauser Kindergarten St. Josef lebt die traditionelle Philosophie modern und kindgerecht

Malina, Leni, Josy, Ylvi und Milana schütteln ihre Arme, klatschen, laufen auf der Stelle. Ihre Augen leuchten; so langsam wird ihnen warm, ihre Gesichter strahlen. Doch nicht nur von den Aufwärmübungen im Waschraum des Saalhauser Kindergartens St. Josef. Die fünf Mädels im Alter zwischen vier und fünf Jahren freuen sich auf die bevorstehende Kneipp-Anwendung. „Das machen wir immer so gerne!“, erzählt Malina begeistert. „So, jetzt geht es los. Socken aus und Ärmel hoch“, macht Erzieherin und Kneipp-Gesundheitstrainerin Yvonne Daus die fröhlichen Kinder flott.

Fotografin Gaby und ich runzeln die Stirn. „Kneipp? Ist das nicht irgendetwas von früher und für sehr alte, gebrechliche Menschen?“, fragen wir uns und Leiterin Bettina Vetter. „Nein! Ganz und gar nicht! Die Philosophie von Sebastian Kneipp ist relevanter denn je. Er sieht den Menschen ganzheitlich, so wie wir unsere Kinder sehen“, widerspricht uns die Einrichtungsleiterin entschieden. Kneipp, katholischer Priester und Naturheilkundler, beschrieb im 19. Jahrhundert seine Medizin mithilfe von fünf Säulen, die alle auch im Kindergarten zum Tragen kommen. Im letzten Jahr machte sich die Einrichtung auf den 18-monatigen Weg zur Zertifizierung zum „Kneipp-Kinderkindergarten“. Das fügt sich hervorragend ins Bild des „Kneipp-Kurortes“ Saalhausen mit seinem TalVital.


Wasser und Bewegung„Die bekannteste Säule ist wohl das „Wasser“. Wir bieten den Kindern zum Beispiel Wassertreten oder Armbäder an. Damit realisieren wir gleichzeitig auch die Säule „Bewegung“: So wie Malina, Ylvi und Leni nach dem Warmmachen gerade in unserem eigenen Kneippbecken losstapfen wie ein Storch oder wie Milana und Josy gerade ihre Arme baden“, berichtet Yvonne Daus. „Ist das nicht unglaublich kalt?“, möchte ich von der entspannt wirkenden Josy wissen, die das Armbad anscheinend sehr genießt. „Nö, das ist richtig gut!“, sprichts und relaxt noch ein paar weitere Sekunden im 19 Grad kalten Wasser. „Anschließend streifen sie das Wasser einfach ab, ziehen Wollsocken und warme Kleidung an und muckeln sich in ihre flauschigen Wolldecken mit Mausgesicht – eine Spende einer Dorfbewohnerin. So sieht Wellness aus. Probiert es doch auch einmal aus:

Kaltes ArmbadDu brauchst eine Wanne oder einen Eimer. Fülle 19 Grad kaltes Wasser ein (lasse dir dabei am besten von einem Erwachsenen helfen). Du darfst nicht frieren – deshalb laufe oder hüpfe herum, damit du warm wirst. Tauche anschließend beide Arme bis zur Mitte der Oberarme ins Wasser. Es darf nicht unangenehm sein!

Nimm die Arme wieder aus dem Eimer oder der Wanne und streife das Wasser mit den Händen ab. Bewege dich und deine Arme, bis sie wieder schön warm sind. Das Armbad hilft, dass du dich wohl fühlst und gesund bleibst, tagsüber fit und munter bist und wirkt gegen Kopfschmerzen.

Wassertreten

Auch bei dieser Übung brauchst du eine Wanne oder einen Eimer. Fülle 19 Grad kaltes Wasser ein, bis das Wasser eine Hand unter dein Knie reicht. Mache dich mit ein paar Hüpfern warm und gehe wie ein Storch durch das kühle Nass: ein Fuß wird immer komplett aus dem Wasser gehoben, so lange, wie du es angenehm findest. Steige vorsichtig aus der Wanne und streife die verbliebenen Wassertropfen mit den Händen von den Beinen ab. Bewege dich, bis deine Füße wieder schön warm sind. Ziehe warme Socken über und entspanne dich ein wenig. Diese Übung hilft dir abends beim Einschlafen.

Partizipation im teiloffenen Konzept

„Unsere 64 Kinder lieben es, dass sie tun können, was ihnen gefällt und guttut“, berichtet Erzieherin Christine Heimes von der Offenheit der dreigruppigen Einrichtung. „Morgens starten alle in ihren Gruppenräumen mit ihren jeweiligen Besonderheiten. Die grüne Gruppe hat den Schwerpunkt ‚Bauen und Konstruieren‘, die gelbe Gruppe ist unsere ‚Kreativität‘-Gruppe und unsere Rollenspielgruppe ist die blaue. Nach 9 Uhr dürfen die Kinder sich aussuchen, in welchem Raum sie sich aufhalten und welches Angebot sie wahrnehmen möchten. Die Partizipation und Beteiligung der Kinder an der Gestaltung des Kindergartenlebens und der Angebote spielen eine große Rolle in der täglichen Arbeit.


Ernährung und Heilpflanzen

Heute stehen Kräutersäckchen basteln und Kräuterbutter herstellen auf dem Programm. Mit den „Heilpflanzen“ wird damit eine weitere Kneippsche Säule realisiert. Der 5-jährige Hamze hat sich mit der 3-jährigen Luna und den beiden 6-Jährigen Toni und Jonas für ersteres entschieden. „Der Thymian riecht so gut. Der kommt auf jeden Fall in mein Kräutersäcken“, ist er sich der Füllung seines Stoffkisschens sicher. Toni dagegen schnuppert noch einmal am Lavendel und der Kamille, bis er sich schließlich doch für die Pfefferminze entscheidet. Habt ihr auch Lust auf ein duftendes kleines Paket? Hier die Anleitung:

Duftende Kräutersäckchen

Besorgt euch gemeinsam mit euren Eltern duftende, getrocknete Blätter, Blüten und Kräuter. Schnuppert an jedem einzelnen Kraut und entscheidet euch für die Pflanzen, die euch am besten gefallen. Gebt ein bis zwei Esslöffel davon in ein rundes Stofftuch und bindet es oben mit buntem Band zu. Das schult den Geruchssinn und wirkt entspannend.

Neben den getrockneten Kräutern kommen heute auch frische Gewächse auf den Tisch. Christiane Möser bereitet in der großen Gemeinschaftsküche mit fünf Kindern köstliche Kräuterbutter zu. „Die Ernährung ist eine weitere Säule, die wichtig für unsere Arbeit ist. Wir bekommen die Lebensmittel für unser Mittagessen, das jeden Tag frisch gekocht wird, aus dem Altenhundemer Bioladen“, erläutert die pädagogische Fachkraft. „Aber auch die Eigenständigkeit der Kinder, das Mithelfen bei der Zubereitung der Nahrungsmittel sind uns wichtig.“ Leni und die anderen Kinder schneiden geübt Schnittlauch, Löwenzahn und Bärlauch klein. Wir sehen, dass sie im Umgang mit Besteck geübt sind. Wir können es kaum erwarten, etwas von der Kräuterbutter zu kosten. Mögt ihr sie auch so gern wie die Kinder und wir? Dann probiert sie einfach einmal selbst aus:

Würzige Kräuterbutter

Sammelt verschiedene Kräuter, zum Beispiel im Wald, im Kräuterbeet oder aus dem Topf, und schneidet sie klein. Gebt sie anschließend mit etwas Salz in eine Schüssel mit 250 Gramm zimmerwarmer Butter und verrührt alles miteinander. Streicht eure Kräuterbutter auf frisches Brot, dekoriert es mit ein paar Gänseblümchen und lasst es euch schmecken. So wie die Kinder des St. Josefs Kindergarten. Die haben ein großes Tablett mit vielen frisch bestrichenen Brotscheiben vorbereitet und verwöhnen damit nun ihre Kindergartenfreunde, die auf dem großen Außengelände toben. Anschließend dürfen die Kinder, die möchten, noch ein wenig im Ruheraum bei leiser Musik und Lichtspielen entspannen. Hierbei kommt die Säule „Lebensordnung“ zum Tragen, mit welchem der Kneippbund sämtliche Maßnahmen beschreibt, die für seelische Ausgeglichenheit und Stresstoleranz sorgen.

„Gesamtpaket der Freude“

Solch eine reflektierte und gut organisierte pädagogische Arbeit benötigt neben einem guten Qualitätsmanagement vor allem fachlich versiertes Personal und helfende Hände. „Wir haben ein großartiges Team. Jede Kollegin bringt ihre Stärken und Interessen mit ein, einige sind sogar ausgebildete Kneipp-Gesundheitstrainerinnen. Auch unser Träger unterstützt uns bei allen Herausforderungen. Dafür sind wir sehr dankbar. Nicht zuletzt wird unser Kindergarten durch hervorragende Elternarbeit getragen“, freut sich Bettina Vetter über die besondere Zusammenarbeit. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sie auf diesem guten Weg bleiben, ein „Gesamtpaket von Freude“, wie sie betont. Da ist die Zertifizierung zum Kneipp-Kindergarten im nächsten Jahr sicherlich nur noch eine Formsache.