Kneipentour Wenholthausen

Unterwegs mit den Geschichtenerzählern Albert und Gerhard

Es gibt viele Möglichkeiten ein Sauerländer Dorf und sein eigenwilliges Dorfleben zu erkunden. Zum Beispiel mit dem Besuch des Schützenfestes an allen Tagen, eine feucht-fröhliche und körperlich durchaus anstrengende Möglichkeit. Eine andere, sehr amüsante und genüssliche Möglichkeit, mehr über das Golddorf Wenholthausen an der Wenne zu erfahren, gibt es seit Beginn dieses Jahres: die Wenholthausener Kneipentour.

Ein sonniger Samstag, mitten im September. Punkt 15 Uhr treffen wir uns am Wanderparkplatz, direkt an der historischen Wennebrücke in Wenholthausen. Wir: Wanderführer und Geschichtenerzähler Albert Nagel (69), sein Kollege Gerhard Schröder (71) und „Mäxchen” Hildegard Schöttler (82) aus Eslohe, in Wenholthausen geboren und lange gelebt, Mutter von Petra Schöttler (58) aus Wachtberg bei Bonn, Susanne Ekert (62) aus Bremke und Elke Albry (57) aus Herlinghausen. Die drei Töchter haben ihrer Mutter die Wenholthausener Kneipenwanderung zum Geburtstag geschenkt. Weiter gehen mit auf die Wanderung: Christina Kramer (36) aus Grevenstein und ihre Mutter Bärbel Rickers (58) aus Wenholthausen – auch ein Geburtstagsgeschenk. Noch dabei Manni Büchner (72) aus Niederberndorf. Er ist regelmäßig Gast in Wenholthausen und will heute noch etwas mehr über Wenholthausen erfahren. Außerdem ist noch Petra Hoffmann (65) aus Altenhellefeld mit ihrer Freundin Petra Schulte (57) aus Wenholthausen bei dieser ungewöhnlichen Dorfwanderung dabei. WOLL geht mit auf die „Hölter“ Wenholthausener Kneipentour.

Mit einem leckeren, hausgemachten Geist aus der Flasche, den Anja Siebrichhausen vom „Mein Lädchen“ mitgebracht hat, stärken wir uns dem Anlass gemäß. Schnell gehen wir auf das Wander-Du über und Albert, ein Buiterling aus Grevenstein, der fest in Wenholthausen verwurzelt ist und dort jeden Menschen, jedes Tier und jedes Haus zu kennen scheint, erzählt uns vor der großen Übersichtstafel die ersten spannenden Geschichten über das 1.500-Seelen-Dorf an der Wenne. An der Stelle, wo wir stehen, befand sich früher ein bekanntes Hotel, das aber nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut wurde. Wegen der naheliegenden Wennebrücke war Wenholthausen mehrmals Ziel von Bombenangriffen. Zusammen mit Gerhard, nach Aussage von Albert mit Wennewasser getauft, der über ein unerschöpfliches Witze-Repertoire zu verfügen scheint, führt Albert unserer Gruppe von der Wennebrücke mitten in das „gastronomische Epizentrum“ von Wenholthausen. Dort besuchen wir den Landgasthof Seemer. Julia Seemer, die zusammen mit ihrer Schwester Alexandra den alten Landgasthof führt, erzählt uns die spannende Geschichte des ehemaligen Gasthofes zur Post, in dem 1929 der Sauerländer Schützenbund gegründet wurde, wie sie die Corona-Zeit überbrückt haben und was sie unter HeimatGlück verstehen. Ein frisches Biermixgetränk nach Hausrezept kühlt unsere Kehlen und macht Durst auf mehr. Herzhafte Köstlichkeiten aus heimischen Lebensmitteln verwöhnen Augen und Gaumen. Nach einer halben Stunde heißt es leider: „Wir gehen jetzt weiter. Wir haben noch ein ausgiebiges Programm zu bewältigen“, mahnt Albert.

Der kurze Spaziergang zum 50 Meter entfernten Gasthof Hochstein erfordert natürlich keine Anstrengung. Wir nehmen in der traditionellen Gaststube Platz und hören gespannt Brigitte Hochstein zu, die über die Familiengeschichte der Hochsteins erzählt. Erst vor wenigen Monaten waren sie zusammen mit vier anderen Sauerländer Gasthöfen in einer populären TV-Sendung mit Koch-Wettbewerb zu sehen. Das hat neue Gäste und zahlreiche Anfragen beschert. Ein frisches Pils vom Fass und eine rustikale Köstlichkeit aus der Küche lassen ahnen, warum sich die Gäste hier gerne aufhalten und die Sauerländer Gastlichkeit genießen. Einige Mitglieder unserer Gruppe sehen sich noch die neuen Wohlfühlzimmer an. Doch dann brechen wir, bestens versorgt, zu unserer nächsten Station auf der Wenholthausener Kneipentour auf. Die Pit-Pat-Anlage auf dem Eibel ist unser Ziel.

Steil bergauf geht es an der Schützenhalle vorbei, wo wir vom Schützenplatz aus einen Rundumblick über Wenholthausen genießen. Albert und Gerhard erzählen so manche Geschichte aus der Historie des eigenständigen Dorfes und vom Selbstbewusstsein und den Eigenarten seiner Bürgerinnen und Bürger. Dann sind es noch einige Meter zur historischen, 250 Jahre alten Linde und der Kapelle auf dem Eibel. Pest, Hexenverfolgungen und andere düstere Geschichten machen die Runde. Eine schöne Unterbrechung ist die mit vollem Ernst vorgetragene Geschichte über die Bauarbeiten an der alten Linde, die bereits vierhundert Jahre alt sein könnte. Mit hohem Aufwand wurde sie im Inneren stabilisiert und mit Streben und Verstärkungen ausgestattet. „Dabei hat man festgestellt, dass im Inneren der Linde eine schmackhafte Flüssigkeit fließt, die schlaue Menschen jetzt mit einem Becher auffangen“, erzählt uns Gerhard. Mit geschickten Handgriffen schlängelt sich der Geschichtenerzähler mit seinem Arm durch ein Loch im Baum und bringt zum Erstaunen und zur Freude der Wanderer einen Beutel mit kleinen Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten zu Tage. Das Geheimnis der schmackhaften Flüssigkeiten ist damit geklärt. Dem fröhlichen Umtrunk tut das keinen Abbruch.

Die naheliegende Pit-Pat-Anlage, eine Mischung aus Minigolf und Billard, auch sehr geeignet für Menschen mit Behinderung, wurde mit Geldern aus dem Förderprogramm Leader vor einigen Jahren fertiggestellt. Dass daneben stehende Büdchen von Jörg Nolte bietet Getränke und kleine Appetithäppchen an. Auch ein WC fehlt hier nicht. Der Platz ist ein gern genutzter Kinderspielplatz und Treffpunkt von Rentnern und Gästen, die von hier aus einen herrlichen Blick auf das Dorf und die umliegenden Berge genießen können.

Wir machen uns zum Abstieg über den Reinhold Hesse-Weg hinunter zur Wenne fertig. Die Geschichten, Gedichte und kurzweiligen Anekdoten des bekannten Friseurmeisters, Heimatdichters, auch in plattdeutscher Sprache, und Journalisten Reinhold Hesse sen. erfreuten sich zu Lebzeiten größter Beliebtheit und geben noch heute einen Eindruck vom Leben vor einigen Jahrzehnten.

Auf dem nun längeren Weg zu unserem nächsten Ziel, dem Sauerländer Hof Beckmann, wandern wir entlang der Wenne. Spontane Begegnungen der früheren Wenholthauser mit den heutigen Bewohnern unterbrechen immer wieder unsere Runde. So ist das nun mal im Sauerland, wenn man durchs Dorf geht und Bekannten begegnet. Man tauscht schnell ein paar Nettigkeiten und Erinnerungen aus. Auch bei Beckmanns erwarten uns feste und flüssige Beispiele der Sauerländer Gastfreundschaft. Geschichten und Erzählungen über den Ort wechseln sich mit humorvollen Kurzbeiträgen und Witzen ab. Wir haben jeden Grund uns wohlzufühlen.

So langsam wird es dunkel. Unsere vorletzte Station, Monikas Ferienhof, erwartet uns mit herzhaften Schinken-, Wurst- und Käseschnittchen und natürlich der passenden Erfrischung. Wie sollte es anders sein. Das äußerst familiäre Ambiente im kleinsten Familotel mit gutbürgerlicher Küche und Rundumbetreuung ist bei Familien mit Kindern aus ganz Deutschland beliebt. Familie Lübke verkörpert eindrucksvoll dörflich-bäuerliche Gastkultur. Astrid, die Chefin, gibt einen Einblick ins Leben der Familie und schildert auch die Dramatik der Hochwasser-Katastrophe vom Juli 2021. Der Betrieb stand damals vor der Aufgabe.

Zur letzten Station der Wenholthausener Kneipentour machen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach und nach auf den Weg. Vor der Wennebrücke betreiben Albert und Anja Siebrichhausen seit einiger Zeit „Mein Lädchen“. Drinnen, und bei gutem Wetter auch draußen, gibt es leckere Spezialgetränke, kleine Leckereien und eine Ferienatmosphäre. An diesem Abend, wo die Teams der Sauerland-Rundfahrt Wenholthausen zum Mekka des Radsports in Deutschland machen, hat man sogar den Eindruck, irgendwo in einer Metropole im Straßencafé zu sitzen und den Tag wohlgelaunt ausklingen zu lassen.

Infos zur Wenholthausener Kneipentour, Geschenkgutscheine und die Termine im kommenden Jahr gibt es bei Anja und Albrecht Siebrichhausen – Mein Lädchen – www.meinlaedchen.com